Richter verhängen lebenslange Haft im Fall Kötting Verteidiger kritisiert Urteil

Lebenslange Haft: Verteidiger kritisiert Urteil im Fall Kötting
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34 Jahre nach dem Mord an Heike Kötting hat das Dortmunder Schwurgericht die beiden einzigen Tatverdächtigen zu lebenslanger Haft verurteilt. „Wir haben keinen Zweifel daran, dass sie an der Tat beteiligt waren“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Kelm in der Urteilsbegründung.

Der heute 61-jährige Dortmunder Andreas W. und seine zwei Jahre ältere mutmaßliche Komplizin Petra G. aus Mönchengladbach sollen im Februar 1991 in den Bungalow der Karstadt-Angestellten eingebrochen sein. Als Heike Kötting schließlich früher als erwartet nach Hause kam, überraschte sie die Einbrecher in ihrem Nähzimmer. Den folgenden heimtückischen Angriff überlebte sie nicht.

DNA-Treffer erst im Jahr 2023

Heike Kötting starb an den Folgen mehrerer Messerstiche sowie massiver Gewalt gegen den Hals. „Es ist lebensfremd anzunehmen, dass beide Tathandlungen von einer einzigen Person verübt wurden“, sagte Richter Kelm. Das Spurenbild am Tatort sei nur so zu erklären, „dass sich beide an der Tat beteiligt haben“. Denn: Hautschuppen fliegen nicht einfach so durch die Gegend, sie werden durch Berührung angetragen.“

Sowohl Andreas W. als auch Petra G. haben an jenem Februarabend 1991 zahlreiche DNA-Spuren zurückgelassen - an der Leiche, am Einbruchswerkzeug und auch in Heike Köttings Auto. Erst 2023 konnten diese jedoch den Angeklagten zugeordnet werden.

Familie des Angeklagten weint

Andreas W. hat sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert. Auch während der gesamten Urteilsbegründung zeigte er keine Regung. Seine Familie konnte die Tränen dagegen nicht zurückhalten. Sie hoffen jetzt, dass die Revision, die Verteidiger Thorsten Hönnscheidt ankündigte, erfolgreich sein wird.

„Ich halte das Urteil für falsch“, sagte Hönnscheidt nach dem Prozess. „Und die Begründung, die ich heute gehört habe, fand ich recht dünn.“ Er hat jetzt eine Woche Zeit, Revision einzulegen. Wenn dann später das schriftliche Urteil vorliegt, beginnt eine neue Frist von einem Monat, innerhalb derer die Revision begründet werden muss.

Angeklagte schüttelt den Kopf

Auch Marcus Herberholz, der Verteidiger von Petra G., wird gegen das Urteil vorgehen. Seine Mandantin hatte im Prozess mehrmals beteuert, noch nie im Leben in Dortmund gewesen zu sein. Während der Urteilsbegründung schüttelte sie immer wieder den Kopf und bewegte sie Lippen. Es sah aus, als sagte sie: „Ich glaube das nicht, ich glaube das nicht.“

Zahlreiche Bekannte und Nachbarn Heike Köttings nahmen das Urteil dagegen erfreut zur Kenntnis. „Natürlich bin ich zufrieden“, sagte einer der vielen Stamm-Zuschauer. Es sei gut, dass er Fall nach so langer Zeit doch noch aufgeklärt werden konnte.“

Cold-Case-Ermittler zufrieden

Zufrieden wirkten auch die Mitglieder der Cold-Case-Ermittlungskommission der Polizei, die sich das Urteil ebenfalls nicht entgehen lassen wollten. Offizielle Stellungnahmen wollten sie nicht abgeben. Doch die Freude, einen Mord nach so vielen Jahren doch noch aufgeklärt und die Täter ins Gefängnis gebracht zu haben, war ihnen deutlich anzusehen.

Mord war das einzige Delikt, das die Richter jetzt noch bestrafen konnten. Alle anderen Straftaten wären bereits verjährt. Ein TV-Team aus der Schweiz nahm das zum Anlass, im Fall Heike Kötting Aufnahmen für einen Fernsehbeitrag zu drehen.

Aktuell verjährt Mord in der Schweiz noch nach 30 Jahren. Es gibt jedoch Bestrebungen, das zu ändern und - wie in Deutschland - einen Mord auch danach noch verfolgen zu können. In der Schweiz wären Heike Kötting Mörder aktuell nicht mehr bestraft worden.

Staatsanwältin Gülkiz Yazir hatte lebenslange Haft beantragt.
Staatsanwältin Gülkiz Yazir hatte lebenslange Haft beantragt. © Martin von Braunschweig