
© Oliver Schaper (Archiv)
Dortmunder Reisebüro-Leiter: „Habe Arbeit ohne Ende, aber verdiene nix“
Tourismus
Die Reisebüros sind in Not. Tausende Jobs stehen auf dem Spiel, wenn Ende September die Überbrückungshilfe ausläuft. In Berlin schlug ein Dortmunder Reisebüroleiter jetzt Alarm. Mit Erfolg?
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie, seit März 2020 kämpft Michael Draeger vom Stoffregen Reisecafé an der Kampstraße um die Zukunft der Tourismusbranche - um seine berufliche Existenz und die vieler Kolleginnen und Kollegen. Nun war er in Berlin.
Draeger organisierte in den eineinhalb Jahren mehrere Kundgebungen und hielt emotionale Reden. Seine Branche erlebt die schwerste Krise der Nachkriegszeit. Jetzt war er mit sechs weiteren Touristikern des bundesweiten Bündnisses „Wir alle sind Touristik“, bei dem Draeger Mitorganisator ist, auf Einladung des Wirtschaftsministeriums in der Bundeshauptstadt.
„Wir sind noch lange nicht über den Berg“, sagt Michael Draeger und erklärt: „Seit dem 20. Juli, als wir im Rahmen einer Videokonferenz mit Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums gesprochen haben, hat sich die Lage für die Reisebüros sehr verschlechtert. Der Grund sind die kiloweise ausgeschütteten Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes in den vergangenen Wochen.“ Neubuchungen gibt es kaum - und die Reisen, die verkauft waren, mussten zum großen Teil zurückerstattet werden.
Kaum Reisebuchungen für die Herbstferien
Vor allem die Risikoeinstufung Griechenlands als eines der bevorzugten Reiseziele für Sommer und Herbst habe die Situation extrem verschärft. „Für Griechenland gilt jetzt, dass eine Familie mit ungeimpften Kindern unter 12 Jahren bei der Rückkehr in Quarantäne muss. Das heißt, geimpfte Eltern werden mit in Geiselhaft genommen. Das kann doch nicht sein!“, so Michael Draeger.

Mit sechs Kolleginnen und Kollegen aus dem bundesweiten Bündnis „Wir alle sind Touristik“ war der Dortmunder Reisebüroleiter Michael Draeger (2.v.r.) zu persönlichen Gesprächen im Bundeswirtschaftsministerium. Die Branche erlebt die schwerste Krise der Nachkriegszeit. © Bündnis "Wir alle sind Touristik"
Deprimiert blickt er auf die Reisebuchungen für die Herbstferien. Nicht mal zehn Prozent der Buchungen „normaler“ Zeiten vor Corona sind da in seinem Computer registriert. „Griechenland taucht weniger auf, obwohl für geimpfte und genesene Urlauber keine Quarantäne droht. Wir hoffen jetzt auf Spanien, das nicht mehr als Hochinzidenzgebiet gilt. Denn die Kunden wollen ja reisen, aber die ständigen Änderungen der Reiseregeln machen sie und auch uns Reisevermittler wahnsinnig“, sagt Michael Draeger.
Genauso hat er das auch in Berlin Katharina Kollmann, der zuständigen Fachleiterin für Reisewirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium, gesagt. Die Reisewarnungen hielten einerseits neue reisewillige Urlauber von Buchungen ab und beschäftigten die Mitarbeiter der Branche andererseits mit Umbuchungen und Stornierungen. Immer neue Formalitäten und damit ein höherer Beratungsaufwand kämen in immer kürzeren Abständen dazu.
Überbrückungshilfe läuft Ende September aus
„Das heißt, ich habe Arbeit ohne Ende, aber ich verdiene nix. Es braucht endlich Verlässlichkeit - und natürlich weitere Hilfen für die Reisebüros. Sonst wird es uns nach der Pandemie nicht mehr geben“, sagt Michael Draeger.
Eigentlich soll die Überbrückungshilfe Ende September auslaufen. „Das wäre fatal“, hat der Dortmunder in Berlin mit seinen Kolleginnen und Kollegen deutlich gemacht. In einer Umfrage unter 150 Reisebüros in ganz Deutschland hätten jetzt 63 Prozent ihre Lage als sehr schlecht eingestuft. „Das sind 39 Prozent mehr als im Juli. Und nur wenige rechnen mit einer steigenden Buchungsnachfrage in den kommenden sechs Monaten“, so Draeger.
Die Lage sei also prekär und eine passgenaue und substanzielle Überbrückungshilfe über den September hinaus unerlässlich. „Wir haben einen Forderungskatalog formuliert und gesagt, dass wir definitiv weitere Unterstützung brauchen. Die Überbrückungshilfe muss ab Oktober ein Instrument sein, dass es uns ermöglicht, uns ohne Existenzangst um die Kunden kümmern zu können“, sagt Michael Draeger.
Reisebüros hoffen, dass Kurzarbeit weiter möglich bleibt
Wie sehr die Gruppe mit ihren Forderungen beim Bundeswirtschaftsministerium durchdringen konnte, blieb offen. „Es war aber ein guter Termin, ich bin mit einem guten Gefühl zurückgekehrt“, sagt Michael Draeger.
Wahrscheinlich sei, dass das Ministerium nicht mehr an der engen Auslegung für die Erstattung von corona-bedingten Margen- und Provisionsausfällen festhalte, sondern jetzt eine Fixkostenpauschale und auch weiterhin Kurzarbeit ermögliche. „Es ist doch klar: Wenn ich nichts verdiene, kann ich auch keine Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen“, so Draeger.
Wirtschaftsministerium spricht von „nützlichen Hinweisen“
Es sei seitens der Vertreter des Ministeriums betont worden, dass man die Erfahrungen, Initiativen und Verbesserungen aus den Reihen der Reiseprofis „mehr als ernst“ nähme und dass der Austausch mit den Touristikern „nützliche Hinweise auf die Herausforderungen“ gebe. Man werde nun prüfen, inwiefern sich die Forderungen durchsetzen ließen.
„Fest steht, dass unser Bündnis nicht aufhören wird, für die Branche zu kämpfen“, sagt Michael Draeger.
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
