
Eine Regenbogenflagge (rechts ein Symbolbild) sorgte dafür, dass drei Schülerinnen der Robert-Koch-Realschule von ihren Mitschülern schikaniert wurden. © Albers/Schaper (Montage: Albers)
Regenbogenfahne sorgt für Eklat an Dortmunder Schule
Robert-Koch-Realschule
Drei Schülerinnen nahmen eine Regenbogenfahne mit in die Schule als Symbol für Solidarität mit Schwulen, Lesben, transgender und anderen queeren Menschen. Ein Video zeigt, wie sie angegangen werden.
Buh-Rufe, Gelächter, Beleidigungen und wohl auch Schläge. Das haben drei Mädchen aus Dortmund abbekommen, nachdem sie eine Regenbogenfahne in ihre Schule, die Robert-Koch-Realschule, mitnahmen.
Es ist der 2. Juni, ein Donnerstag. Ein ganz normaler Schultag, aber auch der sogenannte „Pride Month“ hat gerade begonnen. Der Juni gilt weltweit als Monat für queere Menschen, er soll auf Missstände aufmerksam machen und für mehr Toleranz sensibilisieren.
Die Regenbogenfahne sieht man im Juni häufiger – sei es in den Logos verschiedener Firmen, an städtischen Gebäuden oder auf Demonstrationen. Sie gilt als Symbol der queeren Community.
Vorfall sei „queerfeindlich“
Die Szenen, die sich an der Schule ereigneten, als die drei Achtklässlerinnen mit ebendieser bunten Fahne zur Schule kamen, sind in einem Video der feministischen Bloggerin Wikiriot (bürgerlich Wiktoria Philipps) auf Instagram zu sehen. Sie hat Clips von einer Schülerin der Robert-Koch-Realschule zugeschickt bekommen und in einem kurzen Instagram-Video (Reel) kommentiert. Das kurze Video hat über 6.000 Likes bekommen, dem Profil von Wikiriot folgen über 60.000 Profile.
In dem Video ist zu sehen, wie mehrere Schülerinnen und Schüler die drei Mädchen ausbuhen, auslachen und dabei filmen, während die drei Mädchen mit der Regenbogenfahne in eine Ecke gedrängt werden. Ein weiterer Clip zeigt, wie die drei auf dem Hof der Robert-Koch-Realschule verfolgt werden.
Wikiriot zeigt in ihrem Instagram-Video auch Screenshots von Nachrichten, in dem eine Schülerin schreibt, dass die drei mit Wasser bespritzt und geschlagen worden seien.
Die Bloggerin Wikiriot bezeichnet den Vorfall am 2. Juni als „queerfeindlich“ und stellt den Slogan „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, den die Robert-Koch-Realschule unter anderem auf ihrer Webseite bewirbt, in diesem Zusammenhang infrage.
Schulleiter: „Die Bilder machen uns fassungslos“
Schulleiter Wolfgang Siebeck äußerte sich am Dienstag (7. Juni) auf Anfrage unserer Redaktion zu dem Vorfall: „Die Bilder machen uns fassungslos.“
Man bedauere den Vorfall „zutiefst“, schreibt Siebeck in der Stellungnahme der Schule. Die aus dem Video zu entnehmende Haltung spiegele „nicht die Geisteshaltung der Mehrheit der Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer“ wider.
Die Robert-Koch-Realschule sei betrübt darüber, dass „in zahllosen E-Mails gar gefordert wird, ihr das Siegel ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘ zu entziehen“. Das würde aber denjenigen Unrecht tun, die sich an der Schule „für Toleranz als unverhandelbares Gut im Zusammenleben von Menschen“ einsetzen.
Lehrerinnen und Lehrer sollen nicht reagiert haben
Der Schulleiter merkt auch an, dass die Schülerinnen und Schüler, die die drei Mädchen schikaniert haben, zum Großteil aus der fünften und sechsten Klasse kommen würden. Die Jahrgänge 9 und 10 hätten sich „vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Entwicklung“ „differenzierter mit der Thematik auseinandersetzen können“, so Siebeck. Die älteren Jahrgänge seien in der Woche aber auf Klassenfahrt gewesen.
Schul- und Klassenleitung seien mit den drei betroffenen Schülerinnen „unmittelbar“ in einen intensiven Dialog eingetreten. In der Stellungnahme schreibt Wolfgang Siebeck: „Gemeinsam werden wir den Vorfall zum Anlass nehmen, uns noch stärker für Toleranz und Empathie anderen gegenüber einzusetzen.“ Die Stadt Dortmund, das BVB-Lernzentrum und andere Organisationen hätten bereits angeboten, die Schule „bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Thematik zu unterstützen“.
Laut der Screenshots, die in dem Video der Bloggerin Wikiriot gezeigt wurden, hätten Lehrerinnen und Lehrer den Vorfall mitbekommen, seien aber nicht eingeschritten. Unsere Redaktion hat die Robert-Koch-Realschule auch dazu angefragt, in der Stellungnahme wurde auf diese Frage allerdings nicht eingegangen.
Hintergrund: Pride Month
- Der Pride Month im Juni ist der Gedenkmonat für die Rechte von queeren beziehungsweise LGBTQIA+ Menschen. Queer ist ein englischer Sammelbegriff für alle abseits der Heterosexualität und binären Geschlechter. LGBTQIA+ ist ein weiterer Sammelbegriff für Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex, Queers und Asexuals sowie weitere, nicht benannte Identitäten, wofür das Plus-Zeichen steht (alternativ auch ein Sternchen).
- „Pride“ bedeutet auf Deutsch Stolz – der Begriff soll damit beschreiben, dass Menschen abseits ihrer sexuellen Identität oder Orientierung stolz darauf sein können, wer sie sind und sich nicht verstecken oder verstellen brauchen.
- Seinen Ursprung hat der Pride Month Ende der Sechzigerjahre in den USA: In New York City kam am 28. Juni 1969 in der Bar „Stonewall Inn“ zu dem ersten bekannt gewordene Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen die Polizei. Sie wurden damals von der Gesellschaft ausgegrenzt und durch Gesetze schikaniert und unterdrückt. Die Bar befand sich in der Christopher Street – daher auch der gleichnamige Christopher Street Day, der genauso wie der Pride Month an den Aufstand erinnern soll.
1990 im Emsland geboren und dort aufgewachsen. Zum Studium nach Dortmund gezogen. Seit 2019 bei den Ruhr Nachrichten. Findet gerade in Zeiten von Fake News intensiv recherchierten Journalismus wichtig. Schreibt am liebsten über Soziales, Politik, Musik, Menschen und ihre Geschichten.
