
Am häufigsten setzt die Dortmunder Polizei den Taser bei Randale ein. Hier zu sehen ist ein Archivbild. © Stephan Schütze (A)
Randale, Bedrohung, Streit – so oft setzt die Dortmunder Polizei den Taser ein
Elektroschocker
Nach dem tödlichen Ausgang eines Polizei-Einsatzes mit Taser stellt sich die Frage, wie oft die Dortmunder Polizei die Elektropistole einsetzt. Die Zahlen und einige Einsätze im Detail.
Mal geht es darum, einen Randalierer zu bändigen, mal Streithähne auseinanderzubringen oder Menschen vom Suizid abzuhalten – Taser, im Polizeijargon Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG), werden von der Polizei in Dortmund seit Anfang 2021 eingesetzt.
In kritischen Situationen mit Gefahr für Leib und Leben ist der Elektroschocker bei polizeilichen Zwangsmaßnahmen als Mittel zwischen Schlagstock und Schusswaffe gedacht – wirksamer als der Schlagstock, aber milder als die Pistole.
Der randalierende 44-jährige Obdachlose in Dortmund-Dorstfeld kollabierte am Mittwoch (19.10.) kurz nach zwei Stromstößen und starb in einer Klinik. Ob die Wirkung des Elektro-Tasers den Tod des Mannes verursacht hat, habe durch die Obduktion nicht sicher nachgewiesen werden können, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Dies könne auch sehr schwierig werden.
Alle Wachen sind mit Tasern ausgerüstet
Zwar sind alle Wachen in Dortmund mittlerweile mit Tasern ausgerüstet, doch die Polizei sei in einem überwiegenden Teil ihrer Einsätze in der Lage, kritische Situationen mit einem Gefahrenpotenzial für Leib und Leben aller Beteiligten verbal, also allein durch die Wirkung von Sprache, oder mit Körpersprache aufzulösen, betont Polizeisprecher Peter Bandermann auf Anfrage.
Kommunikation sei ein entscheidendes Kriterium für Deeskalation, doch wenn Kommunikation nicht ausreiche, ein Ziel zu erreichen, „müssen Einsatzkräfte für eine schnelle zielführende Intervention ausgerüstet und ausgebildet sein – also um weitere Gewalttaten verhindern und Leib und Leben schützen zu können“, so der Polizeisprecher.
In sechs Fällen Verletzungen
Die Dortmunder Polizei hat im ersten Halbjahr 2022 insgesamt 79 Mal den Taser gezückt (neuere Zahlen liegen nicht vor). Davon reichte laut Behörde in 63 Fällen allein die Drohung mit dem Elektroschocker, um Menschen von ihrem Tun abzubringen. 16 Mal aber kam der Taser tatsächlich zum Einsatz und verursachte laut Bandermann in sechs Fällen Verletzungen, davon fünf oberflächliche Hautverletzungen und einen Sturz.
Am häufigsten wird der Taser gegen Randalierer eingesetzt – allein 15 Mal im ersten Halbjahr 2022. Anlass für die Einsätze in diesem Zeitraum waren auch Fälle von Körperverletzung (6), Ruhestörung (6), häuslicher Gewalt (5), Bedrohung (5), Streit (3), Suizid (3) und Einbruch (2), bei dem die Täter vor Ort gestellt wurden.
Der Taser sei neben Kommunikation, körperlicher Gewalt, Pfefferspray, Schlagstock und Schusswaffe ein zulässiges Hilfsmittel in Gefahrensituationen, unterstrich Bandermann. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass die Distanz- Elektroimpulsgeräte eine deeskalierende Wirkung auf Angreifer haben. Der Polizeisprecher: „Landesweit führte in 80 von 100 Fällen die Androhung des DEIG-Einsatzes zur Beruhigung der Lage.“
Einsatz des Tasers nur mit Schulung
Doch ohne eine Schulung an der Elektropistole dürfe kein Polizeibeamter sie einsetzen, so Bandermann. Neulinge müssten zunächst im Regionalen Trainingszentrum für den Einsatz fit gemacht werden: „Die Aus- und Fortbildung besitzt bei der Polizei NRW einen sehr hohen Stellenwert.“
Bandermann weist darauf hin, dass Taser-Einsätze in Dortmund auch dazu geführt hätten, dass selbstmordgefährdete Personen einen Suizid nicht ausführen konnten, „da sie durch einige Sekunden der Handlungsunfähigkeit daran gehindert wurden.“
Die Taser-Einsätze der Polizei in Dortmund in der Übersicht:
Die Redaktion hat die Pressemitteilungen der Dortmunder Polizei nach den Stichworten „Taser“, „Distanz-Elektroimpulsgerät“ und „DEIG“ durchsucht und die Darstellung der Polizei zu jedem Einsatz, bei denen Taser tatsächlich abgeschossen worden sind (Stand: 21.10.22), jeweils kurz zusammengefasst.
12 Taser-Einsätze sind seit 2021 im Presseportal unter den Stichworten zu finden. Mit in die Liste aufgenommen, haben wir den Fall Mouhamed D., in dem Beamte zuerst Taser eingesetzt hatten, bevor der 16-Jährige erschossen wurde und den Fall des am 19. Oktober gestorbenen 44-jährigen Obdachlosen. In beiden Fällen war die Polizei Recklinghausen zuständig.
Die Polizei veröffentlicht allerdings nicht zu jedem Taser-Einsatz eine Pressemitteilung. Deshalb kommt es zu einer Diskrepanz zwischen den von der Polizei genannten Zahlen und den im Presseportal zu findenden Einsätzen.
23. Januar 2021:
Zeugen meldeten gegen 23.50 Uhr Streitigkeiten in einer Wohnung an der Imigstraße. Als ein 36-Jähriger seine Wohnungstür öffnete, lief ein Rottweiler knurrend auf die Beamten zu. Einer der Beamten setzte daraufhin das Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) in Richtung des Hundes ein. Da weder eine Wirkung eintrat noch ein Trefferbild ersichtlich war, schoss der Polizist ein zweites Mal. Dieser Schuss führte zur gewünschten Handlungsunfähigkeit des Hundes.
20. Februar 2021:
Um 8.43 Uhr informierten Bewohner eines Mehrfamilienhauses die Polizei über eine fremde Person in ihrem Hausflur. Als die ersten Einsatzkräfte eintrafen, schlief der 22-Jährige ohne festen Wohnsitz im Flur. Er wurde wach und reagierte aggressiv auf die Polizei. Der augenscheinlich alkoholisierte Mann beleidigte die Polizisten, schlug um sich und reagierte auf Ansprache nicht. Auch die Androhung des DEIG beruhigte ihn nicht. Mit Faustschlägen und einem Fußtritt verletzte er zwei Polizeibeamte. Nach Einsatz des Gerätes konnte der 22-Jährige fixiert werden.
21. Februar 2021:
Eine Autofahrerin entzog sich um 3.15 Uhr einer Polizeikontrolle am Ostwall und flüchtete über die A40 bis nach Essen. Bei der Festnahme dort reagierte sie nicht auf die polizeilichen Anweisungen und schrie. Zudem schlug sie unkontrolliert mit dem Kopf um sich. Die Beamten setzten das Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) ein. Sie fesselten die Frau schließlich und nahmen sie fest.
Bei dem Einsatz erlitt die Frau leichte Verletzungen. Aufgrund der Gesamtumstände und des augenscheinlich verwirrten Eindrucks, den die Frau machte, wurde sie zur weiteren Behandlung in eine psychiatrische Klinik gebracht.
21. August 2021:
Gegen 3.45 Uhr informierten Bewohner eines Mehrfamilienhauses in der Nordstraße die Polizei über eine randalierende Person im Hausflur. Der Mann hatte bereits einen 23-Jährigen und einen 20-Jährigen mit Gegenständen am Kopf getroffen.
Als die Einsatzkräfte eintrafen, war bereits eine Wohnungstür gewaltsam geöffnet worden. Gegen eine weitere trat der 31-jährige Dortmunder gerade ein. Nachdem die Polizeibeamten den Mann angesprochen hatten, reagierte dieser aggressiv. Auch die Androhung des DEIG beruhigte ihn nicht. Als er auf die Beamten zulief, setzen sie das DEIG ein. Danach konnte der Mann fixiert werden.
30. September 2021:
Ein alkoholisierter Mann ohne festen Wohnsitz randalierte gegen 23 Uhr vor der Eingangstür einer Tankstelle an der Bornstraße. Der 47-Jährige reagierte aggressiv auf die Beamten, als diese eintrafen. Die Polizisten drohten mit dem Taser. Als der Mann auf die Beamten zulief, setzte ein Beamter das Distanzelektroimpulsgerät ein. Anschließend wurde der Mann fixiert.
29. Oktober 2021:
Gegen 22.15 Uhr wurden Polizisten in die U-Bahn-Haltestelle Stadtgarten gerufen, weil ein Mann sich dort ein Messer an den Hals hielt und drohte, sich umzubringen. Als die Beamten eintrafen, versteckte er sich hinter einer einfahrenden Bahn, wo er sich mit dem Messer am Hals verletzte. Polizisten kündigten den Einsatz eines Tasers an und setzten ihn dann ein. Der Mann ließ das Messer fallen, so dass es ihm abgenommen werden konnte. Ein Rettungsdienst versorgte den 53-Jährigen.
5. Dezember 2021:
Bürger berichteten von einem pöbelnden Mann. Vor der Wache Nord trafen Polizisten den alkoholisierten 38-jährigen Mann mit seinem Schäferhund an. Als sie ihn kontrollieren wollten, schritt der Mann aggressiv mit seinem Hund auf die Beamten zu, anstatt sich auszuweisen. Auf die Androhung des Tasers reagierte der Mann nicht. Beamte setzen das DEIG schließlich ein.
20. März 2022:
Die Polizei wurden gegen 03.00 Uhr zu einer Schlägerei an der Schützenstraße gerufen, bei der auch Glasflaschen eingesetzt wurden. Zwei Tatverdächtige gingen gegen die Einsatzkräfte der Polizei vor und leisteten erheblichen Widerstand. Nach Androhung des Tasers konnte einer der beiden Angreifer festgenommen werden.
Der zweite Verdächtige ließ sich auch durch die Androhung des Tasers nicht abhalten. Erst der wiederholte und gezielte Einsatz des Tasers gegen ihn beendete die Angriffe auf die Polizeibeamten. Dabei zog sich der Mann leichte Verletzungen zu.
22. Juni 2022:
Um 12.20 Uhr meldeten Zeugen einen Randalierer, der auf dem Platz von Leeds Faustschläge und Tritte in Richtung von Passanten tätigte, ohne sie zu treffen. Neben seinem scheinbar aggressiven Verhalten schrie er lautstark herum. Als die Einsatzkräfte auf ihn zugingen, lief er im Kreis und trat in Richtung der Beamten.
Um weitere Angriffe abzuwehren, drohten die Polizisten den Einsatz des DEIG an. Der Randalierer rannte trotzdem auf einen der Beamten zu. Polizisten konnten den Mann aber am Boden fixieren. Da er sich auch dort massiv gegen die Maßnahme wehrte, setzten die Einsatzkräfte das DEIG ein, dessen Wirkung allerdings ausblieb. Mithilfe weiterer Unterstützungskräfte konnte er festgenommen werden.
3. Juli 2022:
Polizeibeamte wurden gegen 0.48 Uhr zu einer Auseinandersetzung an der Berghofer Straße gerufen. Ein offensichtlich alkoholisierter 41-Jähriger aus Dortmund unterschritt immer wieder den Sicherheitsabstand, schlug den Einsatzmehrzweckstock von einem Polizisten weg und näherte sich bedrohlich den Beamten.
Nach mehrfacher Androhung setzten die Einsatzkräfte den Taser ein, dessen Wirkung allerdings ausblieb. Erst nach dem Einsatz von Pfefferspray konnte der 41-Jährige überwältigt und festgenommen werden. Einen weiteren Mann konnten die Beamten nach Androhung des Tasers festnehmen.
15. August 2022:
Polizeibeamte wurden gegen 17 Uhr wegen einer Bedrohung gegen eine Frau zur Zillestraße/Ecke Hagener Straße in Brünninghausen gerufen. Als sie dort eintrafen, flüchtete ein 60-jähriger Dortmunder in seinem Auto. In der Glückaufsegenstraße in Hacheney stellten sie ihn. Weil der 60-Jährige, der unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand, sich weigerte, aus dem Auto auszusteigen, schlugen Beamte die Scheiben ein. Als der Mann die Beamten angriff, setzten sie eine Taser ein.
31. August 2022:
Die Polizei wurde gegen 21 zu einem Café am Westpark gerufen. Einsatzgrund war ein Mann, der in dem Café offenbar zunächst seine Getränke nicht hatte zahlen wollen und anschließend Gäste belästigt hatte. Den Anweisungen der Beamten leistete der 24-Jährige bei der Personalienfeststellung keine Folge, schrie sie an und ging schließlich bedrohlich auf sie zu.
Als er die Bedrohungen nicht unterließ, kündigten die Beamten den Einsatz des Distanz-Elektroimpulsgerätes (DEIG) an. Weil der Mann weiterhin aggressiv auf sie zuging, wurde das DEIG eingesetzt. Bei der anschließenden Fixierung leistete der Mann starken Widerstand und schaffte es schließlich sogar, sich noch einmal zu lösen.
Daraufhin ergriff er eine in der Nähe stehende Bierflasche, zerschlug diese und ging mit dem zerbrochenen Flaschenhals auf die Beamten zu. Erst unter Vorhalt der Schusswaffe und erneutem Einsatz des DEIG beruhigte der Mann sich schließlich und konnte fixiert werden
8. August 2022:
Weil der 16-jährige Mouhamed D. drohte, sich mit einem Messer selbst zu verletzen, riefen Mitarbeiter einer Jugendhilfe-Einrichtung die Polizei. Laut Innenministerium kamen um 16.30 Uhr erste Polizeikräfte an der Holsteiner Straße in der Nordstadt an.
In der Folge sei der 16-Jährige, der in einem Innenhof wohl allein in einer Ecke auf dem Boden gehockt hatte, von den Beamten angesprochen worden. Unklar ist, ob sie ihn aufgefordert haben, das Messer abzulegen, und ob Mouhamed D. sie verstehen konnte. Danach setzen sie zuerst Pfefferspray ein und dann zweimal einen Elektro-Taser. Beide erzielten nicht die gewünschte Wirkung. Danach fielen die tödlichen Schüsse.
19. Oktober 2022:
Die Polizei wurde gegen 4.40 Uhr wegen eines randalierenden Mannes alarmiert. Der Mann, so teilt es die ermittelnde Polizeibehörde Recklinghausen mit, sei schreiend umhergelaufen und habe gegen Autos geschlagen. Ein Zeuge habe den Mann laut der Dortmunder Staatsanwaltschaft als „wie im Wahn“ beschrieben.
Nach Eintreffen der vier Einsatzkräfte soll der Mann auch auf den Polizeiwagen eingeschlagen haben. Zunächst habe der Mann versucht, über die verschlossene Beifahrertür in das Einsatzfahrzeug einzudringen. Anschließend habe er sich zur Fahrerseite begeben, habe dem dort ausgestiegenen Beamten gegen den Kopf geschlagen und sich so Zugang zum Fahrzeug verschaffen können.
Daraufhin sei von einem Polizisten ein Elektro-Taser eingesetzt worden. Unmittelbar danach sei der Mann noch ansprechbar gewesen und sei gefesselt worden, so die Dortmunder Staatsanwaltschaft. Kurz darauf habe der 44-Jährige jedoch reanimiert werden müssen. Er starb im Krankenhaus.
Ob die Wirkung des Elektro-Tasers den Tod des Mannes verursacht hat, habe durch die Obduktion nicht sicher nachgewiesen werden können. Dies könnte auch sehr schwierig werden, so die Staatsanwaltschaft Dortmund.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).

Als gebürtiger Dortmunder bin ich großer Fan der ehrlich-direkten Ruhrpott-Mentalität. Nach journalistischen Ausflügen nach München und Berlin seit 2021 Redakteur in der Dortmunder Stadtredaktion.
