Dortmunderin muss Traum vom eigenen Laden aufgeben Gehalt floss direkt in den Einkauf

Mengeder Händlerin gibt auf: „Herzblut“ startet Räumungsverkauf
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Von der Eröffnung vor drei Jahren bis heute ist der Name Programm. In ein paar Wochen aber schließt das Handarbeitsgeschäft „Herzblut“ im Mengeder Ortskern. Renja Dropalla gibt auf. „Räumungsverkauf“, steht in weißen Lettern auf roten Plakaten im Schaufenster. „Alles reduziert.“

Als die ehemalige Germanistik- und Philosophie-Studentin im Mai 2020, nach dem ersten Corona-Lockdown, ihr Geschäft an der Mengeder Straße 710 eröffnete, erfüllte sie sich ihren „großen Traum“ – als Nachfolgerin des Handarbeitsgeschäfts „Geschickt eingefädelt“.

Ende April nun läuft der Mietvertrag aus. Die 38-Jährige verlängert ihn nicht. „Ich habe über die drei Jahre eigentlich nichts verdient“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. „Der Laden hat so wenig abgeworfen, dass ich mir kein Gehalt gezahlt habe.“

Slow Fashion

Auf Dauer war der Job mehr Leidenschaft als Broterwerb – „Herzblut“ eben. Die wenigen Überschüsse aus dem Umsatz investierte Renja Dropalla in neue Ware. Und in Rücklagen: „Das Wintergeschäft lief gut“, sagt sie. „Das Polster ist dann im Sommer aufgebraucht worden.“

An einer mangelnden oder veralteten Strategie dürfte das Scheitern des Geschäfts-Traums kaum gelegen haben. Die Einzelhändlerin zielte auf eine jüngere Kundschaft. Im Sortiment führte sie moderne hochwertige Ware, setzte auf Slow-Fashion – also auf nachhaltige, bewusste Mode. Renja Dropalla achtete auf Tierwohl und handelte mit Wolle von glücklichen Schafen. Wert legte sie auch auf eine umweltbewusste Färbung von Wolle und Stoffen.

Die Rahmenbedingungen aber waren schwierig. Im Winter-Lockdown 2020/21 musste sie wegen Corona wochenlang ihr Geschäft schließen. Gleichzeitig begannen im Dezember 2020 vor der Ladentür die Bauarbeiten für die Ortskern-Sanierung an der Mengeder Straße: über viele Monate aufgerissene Bürgersteige, keine Parkmöglichkeiten, beschwerliche Zugänge.

In den Schaufenstern des Wolle-Ladens an der Mengeder Straße weisen PLakate auf den Räumungsverkauf hin.
Ein Jahr dauerte die Sanierung des Mengeder Ortskerns vor der Ladentür. Jetzt weisen Plakate auf den Räumungsverkauf hin. © Uwe von Schirp

Renja Dropalla schwante schon zu Baubeginn nichts Gutes, blickte aber nach vorn. „Ich kann die Leute nur motivieren zu kommen“, sagte sie im Advent 2020. Die Geschäftsstraße solle ja schön und ansprechend werden. „Wenn man es perspektivisch betrachtet, ist es nicht verkehrt.“ Heute sieht sie die einjährige Bauzeit als „Horror“ und „Umsatzkiller“.

Doch kaum waren die Bauarbeiten abgeschlossen und Corona-Einschränkungen weitgehend aufgehoben, brachen Ukraine-Krieg und Energiekrise aus, stieg die Inflation. „Es ist echt bitter“, sagt die Bodelschwingherin. „Die Preiserhöhungen bei den Waren sind krass.“ Immerhin habe ihr Wolle-Lieferant sowohl die Einkaufspreise als auch die unverbindlichen Empfehlungen für den Verkauf angehoben.

Für sie noch ein Vorteil, weil sie nicht noch mit geringeren Gewinnmargen kämpfen muss. Aber: „Irgendwann gehen mir die Argumente aus, warum man neun Euro für ein Knäuel Wolle bezahlen soll und man zwölf Knäuel für einen Pullover braucht.“ Renja Dropalla teilt ein Schicksal mit vielen stationären Einzelhändlern: Die Kunden kaufen in Online-Shops.

Das Ladeninnere mit Kommoden und Regalen, die zum Teil schon leer sind.
Seit dem Start des Räumungsverkaufes laufe der Umsatz besser, berichtet die Inhaberin. Einige Regale sind schon leer. Sie stehen ebenfalls zum Verkauf. © Uwe von Schirp

„Ich bin da eigentlich trotzdem ganz cool“, sagt die Händlerin. „Ich habe versucht, mir mit ‚Herzblut‘ meinen Traum zu erfüllen. Wenn es nun nicht geht, ist das so.“ Am 30. April läuft der Mietvertrag aus. Seit dem 1. Februar läuft der Räumungsverkauf.

Auf Wolle gibt es 20 Prozent Rabatt, auf Stoffe und Handarbeitsartikel wie Nähgarn 30 Prozent, auf Stick-Artikel und Bücher 50 Prozent. Ironie des Schicksals: „Seitdem ist der Umsatz gut“, sagt Renja Dropalla. „Ich habe Restposten, die ich raushaue.“ Auch die Ladeneinrichtung will sie verkaufen. „Es gibt schon großes Interesse an den Regalen.“

Die Zeit ab dem 1. Mai gehöre dann zunächst allein ihren beiden fünf und sieben Jahre alten Kindern. Alles andere ist offen. „Ob ich später noch einmal was mit Wolle mache, weiß ich noch nicht.“

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