Prostituiertenschutzgesetz sorgt für Kritik in Dortmund
Missmut im Milieu
Prostituierte müssen sich anmelden und brauchen einen Ausweis, Betreiber müssen ihre Zuverlässigkeit beweisen. Doch das neue Gesetz für Prostitution schützt nicht die Prostituierten, sagen Kritiker. Das Ordnungsamt will Bordelle verstärkt kontrollieren.

Die Linienstraße in der Nähe des Hauptbahnhofes ist der einzige Ort in der Innenstadt, in der Prostituierte ihrer Arbeit nachgehen können. Ansonsten ist die Innenstadt ein Sperrbezirk, weitere Bordelle finden sich in Gewerbegebieten in den Außenbezirken. © Andreas Wegener (Archivfoto)
Die „Jagd&Hund“ steht wieder an, Männergruppen aus allen Ecken des Landes kommen in die Stadt, je weiter die Fahrt, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Übernachtung. Die Prostitution wird florieren, mehr als sie es sonst tut. Menschen, die sich mit dem Thema auskennen, gehen davon aus, dass ein Drittel mehr Prostituierte in der Stadt sind als sonst.
So etwas geschieht natürlich nicht nur in Dortmund, so etwas geschieht zum Beispiel auch in München, wenn da das Oktoberfest schäumt. Oder in Düsseldorf, wo die „Boot“ bis gestern zur Yachtschau ludt. Doch dieses Jahr ist anders als die Jahre zuvor: Es gilt das Prostituiertenschutzgesetz. Ein Bundesgesetz, seit dem 1. Juli 2017 gültig, seit dem 1. Januar verpflichtend.
Doch in Dortmund, wo zwischen 800 und 1500 Prostituierte arbeiten, je nachdem, wen man fragt, ist es im Moment noch wenig so, wie es laut Gesetz sein soll. Und Dortmund ist, was die Umsetzung dieses Gesetzes angeht, bundesweit ziemlich weit vorn. Kritik gibt es aber auch hier reichlich.
Expertin nennt Prostituiertenschutzgesetz eine „Katastrophe“
Wer unten im Süddeutschen anruft, um mit einer Frau über dieses Gesetz zu sprechen, hört erst einmal Zorn, man kann ihn durch die Leitung spüren. „Eine einzige Katastrophe, dieses elendige Schutzgesetz, mit dem jetzt alle bundesweit zu kämpfen haben.“
Die Frau, die das sagt, hat über 20 Jahre lang bei der Mitternachtsmission gearbeitet und damit eine profunde Expertise erworben. Die Mitternachtsmission setzt sich seit knapp 100 Jahren in Dortmund für Prostituierte ein. Die Frau hat viel, was aus ihrer Sicht zu kritisieren ist, sie sagt dann aber auch sehr schnell im Gespräch: „Das einzige Bundesland, in dem es halbwegs funktioniert, ist Nordrhein-Westfalen. Und da wiederum am besten in Dortmund.
ProstSchG, diese Abkürzung, die sich anhört wie ein Männerleiden im fortgeschrittenen Alter oder ein Trinkspruch zu vorgerückter Stunde, steht also für das Prostituiertenschutzgesetz, das laut Gesetzgeber „erstmals fachgesetzliche Rahmenbedingungen für das Betreiben von Prostitutionsgewerben und für die Ausübung der Prostitution“ schaffen soll. Schutz hört sich ja erstmal gut an.
Was das Prostituiertenschutzgesetz regelt
Im Wesentlichen sind es vier Dinge, die das Gesetz regelt: Prostituierte müssen ihre Tätigkeit bei einem Ordnungsamt anmelden. Um sich anmelden zu können, müssen sie sich zuvor beim Gesundheitsamt beraten lassen. Beide Gespräche führen sie alleine, damit sie, sollten sie Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution sein, sich bei ihren Gesprächspartnern offenbaren können. Haben sie beide Gespräche hinter sich gebracht, erhalten sie einen Ausweis. Der kann zwar einen Alias-Namen enthalten, zwingend vorgeschrieben ist aber ein Lichtbild.
Andererseits richtet sich das Gesetz an Bordellbetreiber, sie müssen ihre Zuverlässigkeit nachweisen, dürfen zum Beispiel nicht einschlägig vorbestraft sein, auch an die Räume werden Anforderungen gestellt, so ist zum Beispiel ein Notrufsystem Pflicht, Türen müssen von innen geöffnet werden können und Prostituierte dürfen nicht mehr in dem Zimmer schlafen, in dem sie arbeiten. Ein Teilaspekt des sich an die Bordellbetreiber richtenden Gesetzesteils macht aber auch Prostituierten Probleme, die sich in kleinen Wohnungen aus finanziellen oder Sicherheitsgründen zusammengetan haben. Sie können die räumlichen Auflagen kaum umsetzen.
Für Freier indes ist mit dem ProstSchG eine Kondompflicht gesetzlich festgeschrieben. Unklar bleibt, wie das kontrolliert werden soll.
In Dortmund waren Mitte 2017 220 Prostituierte angemeldet
So steht es da, so soll es gelten, doch dass das gilt, kann man nicht behaupten. In Dortmund waren Mitte Juni 220 Prostituierte (unter ihnen drei Männer) angemeldet, das ist ein Viertel bis ein Siebtel der Menschen, die hier der Prostitution nachgehen. Erst zum Jahreswechsel zogen die Anmeldezahlen an.
Prostitution ist ein mobiles Geschäft, Frauen, die es ja mehrheitlich ausüben, arbeiten in verschiedenen Städten – rund die Hälfte der Anmelder ließen sich als Tätigkeitsfeld „bundesweit“ eintragen. Und ob diese Anmeldungen, die es bisher in Dortmund gegeben hat, alle für diese Stadt gültig sein sollen, kann bezweifelt werden.
Richtig anmelden kann man sich bisher in NRW und in Bayern. Hier ist es kostenfrei, in Bayern werden dafür 70 Euro berechnet. Im städtischen Ordnungsamt geht man davon aus, dass das zu einem „Anmeldetourismus“ geführt hat. Andererseits könnten Prostituierte, die hier arbeiten, sich auch bereits andernorts in NRW angemeldet haben. Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten, Kontrollen sollen das in Zukunft etwas klarer machen.
Kontrollen der Bordelle in Dortmund sollen folgen
Von den 32 Betrieben, die die Stadt kennt, darunter fallen keine kleinen Wohnungsbordelle, haben 25 Anträge gestellt. Die Wohnungsbordelle sind zum größten Teil noch gar nicht bekannt: Kontrollen sollen jetzt folgen. Dabei, so heißt es aus dem Ordnungsamt, „werden diese kleinen Betriebe erst nach und nach sichtbar werden.“
Um die zu finden, sollen einschlägige Internetportale ausgewertet werden. Die zweite Möglichkeit sind Konkurrenten, die ihnen bekannte Betriebe anschwärzen. Auch hier werden Kontrollen folgen. Heike Tasillo ist Leiterin der Gewerbeabteilung des Ordnungsamtes, sie sagt: „Die Arbeit wird sich verändern, Kontrollen werden zunehmen und ich bin selber gespannt, was wir dann antreffen werden.“
Sie findet das neue Gesetz vom Grundgedanken her weiterhin gut, kennt aber auch die großen Bedenken, die gerade der Ausweis für die Prostituierten auslöst. So ist die Prostituion in vielen anderen europäischen Ländern inzwischen illegal. Andererseits arbeiten hier viele Frauen, die aus diesen Ländern stammen. Werden die dann in diesen Ländern verfolgt?
Viele Prostituierte arbeiten, ohne dass die Familie davon weiß
Und noch ein weiteres Problem trägt der Ausweis in sich: Viele Prostituierte arbeiten, ohne dass die Familie, der Partner oder die Kinder davon wissen. Der Erpressung sind dann in diesen Fällen Tür und Tor geöffnet, wenn der Ausweis in falsche Hände fällt. Oder, um der zu entgehen, lassen sich Frauen erst gar keinen Ausweis ausstellen. Ihnen bliebe dann lediglich die Arbeit in der Illegalität. Und dort wird man noch viel schneller Opfer.
„Für die Frauen ist das schlimm“, sagt die Frau, die jetzt im Süddeutschen lebt. Prostitution sei ohnehin schon eine der untersten Berufe, was die Anerkennung angeht. Das Bild von Prostituierten wird bestimmt vom Boulevard. Durch dieses Gesetz, so die Frau weiter, werden Prostituierte noch mehr stigmatisiert. „Es ist ein Rückfall in die ganz alte Zeit in die 1980er-Jahre, damals wurden noch Fingerabdrücke genommen.“ Die Frau, die die Szene in Dortmund immer noch gut kennt, sagt aber auch: „Dortmund ist da sehr fair.“
Helfen würde den Frauen, wenn ihre Tätigkeit als freie berufliche Tätigkeit anerkannt werden würde. So, wie es in Dortmund vor Einführung des Gesetzes lief, sei es vollkommen ausreichend gewesen. Jetzt steht man da, „mit diesem elendigen Schutzgesetz“, und müsse zusehen, wie man damit klarkommt. Mit dem Bundesgesetz, das in vielen, vielen Bundesländern noch gar nicht angekommen ist. Trotz seiner zwingenden Gültigkeit seit dem 1. Januar 2018.