
Polizeipräsident Gregor Lange spricht über die Lage in der Nordstadt. © Kevin Kindel
Polizeipräsident Lange über Nordstadt: „Unsere Arbeit ist ein ständiger Spagat“
Nach Todesfällen
Nach dem tödlichen Einsatz und dem Tod zweier Obdachloser spricht Polizei-Chef Gregor Lange über die Nordstadt. In seiner Stellungnahme nutzt er auch den umstrittenen Begriff „No-Go-Area“.
Die Nordstadt hat bei vielen Menschen in Dortmund ein negatives Image. Nachdem ein 16-Jähriger, der Beamte mit einem Messer angegriffen haben soll, bei einem Polizei-Einsatz erschossen wurde, steht der Stadtbezirk besonders in der Diskussion. Am Donnerstag (18.8.) wurde dann noch bekannt, dass gleich zwei Obdachlose kürzlich tot in der Nordstadt aufgefunden worden sind.
„Stadtgesellschaft, Politik und Medien forderten vor knapp zehn Jahren spürbare Fortschritte für die Nordstadt ein“, äußert sich Polizeipräsident Gregor Lange nun zur Entwicklung: „Niemand würde heute ernsthaft auf die Idee kommen, die Dortmunder Nordstadt als No-Go-Area zu bezeichnen. Die sinkenden Kriminalitätszahlen, die städtebaulichen Fortschritte und die Menschen in diesem Bezirk erzeugen ein komplett anderes Bild.“
Die Gesamtzahl der verzeichneten Straftaten ist in der Nordstadt zwischen 2014 und 2021 um 37 Prozent zurückgegangen. Bei der Straßenkriminalität wie etwa Raubdelikten ist der Rückgang noch deutlicher. Rund 20 Prozent aller Dortmunder Taten werden jedoch weiterhin aus diesem Bezirk gemeldet, in dem 10 Prozent der Bevölkerung leben.
„Erzielen konnten wir diese wichtigen Erfolge nur in enger Zusammenarbeit mit den Menschen, die in diesem lebendigen und vielfältigen Stadtteil leben“, so Lange: „Und sie wirken in langjährigen Netzwerken an konstruktiven Lösungen mit.“
Zuspruch und Kritik für Polizei-Präsenz
In einer Pressemitteilung erläutert er die polizeilichen Maßnahmen der vergangenen Jahre mit der eigens eingerichteten Ermittlungskommission Nordstadt. Für die starke Präsenz auf den Straße bekomme die Polizei von einigen Teilen der Bevölkerung viel Zuspruch, von anderen aber auch Kritik.
Der Anlass für diese Mitteilung wird nicht angesprochen. Nach den tödlichen Schüssen auf den 16-jährigen Mouhamed D. haben viele Nordstädter aber gegenüber unserer Redaktion angegeben, ein mindestens angespanntes Verhältnis zur Polizei zu haben.
Gregor Lange sagt: „Unsere Arbeit in der Nordstadt ist ein ständiger Spagat zwischen Repression und Kontrolldruck gegen Straftäter und unserem Anspruch, mit den Menschen dort ins Gespräch zu kommen. Mein Eindruck ist, dass uns dieser Spagat in den letzten Jahren sehr gut gelungen ist.“
Der Polizeipräsident lobt dabei explizit die gut ausgebauten Nordstadt-Netzwerke, in denen man „auf Augenhöhe“ miteinander spreche und entscheide. Dabei spricht er auch interkulturelle Kompetenz und Antirassismus-Arbeit an, die seit mehreren Jahren betrieben werde.
„Bezirk, in dem sich vieles zum Positiven geändert hat“
Martin Gaide, Leiter der Wache Nord, wird in der Mitteilung zitiert, er erlebe „sehr engagierte Menschen, die ein gutes Gespür für das Leben in der Nordstadt besitzen und sich für ein friedliches Miteinander in einem lebenswerten Bezirk einsetzen, in dem sich vieles zum Positiven geändert hat.“ Er spüre ein großes Vertrauen der Bevölkerung.
Behördenleiter Lange kündigt an, dass die Polizei weiter präsent und ansprechbar bleibe: „Wir gehen auf die Menschen und ihre Gemeinschaften zu.“ Genau das hatte William Dountio, Organisator mehrerer Demonstrationen nach dem Tod von Mouhamed D., im Live-Talk „Wir müssen reden“ unserer Redaktion am Mittwochabend (17.8.) gefordert.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
