
© Stephan Schütze
Pest und Corona: Pfingstprozession in Huckarde spannt einen Bogen
Pfingstprozession
Die „Pfingsthuekke“ fällt wegen der Corona-Krise aus. Ebenso die Pfingstprozession der katholischen Urbanus-Gemeinde. Die jedoch nicht ganz – aus historischen und ganz aktuellen Gründen.
Wie eng ausgelassenes weltliches Treiben und kirchliche Traditionen zusammenhängen, zeigt sich in der Huckarder Pfingskirmes, der „Pfingsthuekke“. Fest mit ihr verbunden ist am Pfingstmontag die Pfingstprozession der katholischen Urbanus-Gemeinde.
Sie führt in der Regel von Kirche St. Urbanus vorbei an Karussellen, Bierständen und Losbuden. Doch nicht in diesem Jahr – zumindest nicht in bewährter Form und nicht durch eine Budengasse. Aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer Schutzverordnung fällt der Traditionsrummel aus.
Und auch in der Prozession wären Abstandsgebot, Schutz- und Hygienemaßnahmen kaum einzuhalten. Bevor die Gemeinde vor dem Pfarrheim zur Heiligen Messe unter freiem Himmel zusammenkommt, geht Pfarrer Michael Ortwald den Prozessionweg (fast) allein – begleitet von Vikar und Diakon.
Sakramentsprozession hat vier Stationen
Zehn Leute hätte die Prozessionsgruppe zählen dürfen. „Aber wer sollte da mitgehen?“ Auswählen mochte der Pfarrer da nicht. „An jeder der vier Stationen werde ich eine Lampionkerze anzünden“, erzählt Ortwald im Gespräch mit dieser Redaktion. „Sie wird bis Dienstag dort brennen. Dann räume ich sie wieder weg.“

Die Prozession am Pfingstmontag erinnert an die Wurzeln der "Pfingsthuekke". © Urbanusgemeinde
Traditionell sind die ehemalige Bäckerei Reinoldsmann an der Huckarder Straße, das Antonius-Haus an der Rahmer Straße, der Oskarweg und das Dorfkreuz in der Ortsmitte die Stationen der Sakramentsprozession. Der Weg geht auf den ursprünglichen Anlass der „Pfingsthuekke“ zurück. Dass Michael Ortwald mit der alten kirchlichen Tradition nicht brechen will, hat ebenfalls historische Gründe – und sehr aktuelle Bezüge.
Wurzeln liegen in alten Grenzumgängen
Die Wurzeln von „Pfingsthuckarde“, der Pfingsthuekke“ also, liegen wohl in den bäuerlichen Hof- und Gerichtstagen im späten Mittelalter. Zum Mai-Hofgericht am Dienstag nach Pfingsten mussten alle Bauern aus den 50 umliegenden Dörfern zum Oberhof nach Huckarde kommen. Huckarde gehörte damals zur Abtei Werden.
Auf Anordnung der Essener Äbtissin fanden beim Mai-Hofgericht Grenzumgänge statt. Sie schrieben die Grenzen des Oberhofes fest. Karten und Kataster gab es noch nicht. „Später hielt man vermutlich an diesem Brauch fest, und aus dem Umgang zur Wahrung der Grenzen wurde schließlich ein Umgang zur Segnung der Felder“, erklärt Michael Ortwald. „Die Pfingstmontagsprozession entwickelte sich in der Zeit nach 1450 aus den alten Grenzumgängen.“
1943 war Huckarde komplett zerstört
In alten Kirchenrechnungen ist die Prozession erst seit etwa 1600 regelmäßig erwähnt. Von einer kurzen Unterbrechung zwischen 1829 bis 1840 abgesehen, konnten nicht einmal die Weltkriege die Prozession verhindern. Allein 1943, weiß Ortwald aus den Kirchenbüchern, fand keine statt. „Das Dorf war komplett zerstört.“ Aber schon 1944 habe sie über eine kürzere Strecke wieder stattgefunden.

In Stille und nur begleitet von Vikar und Diakon wird Pfarrer Michael Ortwald (M.) in diesem Weg den Prozessionsweg gehen. © Stephan Schütze
Erstmals musste die Gemeinde in diesem Jahr also mit der Tradition brechen. Und ausgerechnet wegen einer Epidemie. Denn mündliche Überlieferungen der Huckarder Geschichte stellen den Ursprung der Pfingstprozession in einen Zusammenhang mit einem Gelübde – als Dank für Errettung der Dorfbewohner von der Pest. Die wütete nachweislich im Jahr 1508.
Pest und Corona: „Ein interessanter Bogen“
„Wahrscheinlich blieb Huckarde aber auch von den vielen anderen Pestepidemien nicht verschont, die für Dortmund verzeichnet werden“, sagt Ortwald. „Jetzt, in Zeiten einer Epidemie, ist das ein interessanter Bogen.“
Der dürfte auch in der Predigt im Gottesdienst eine Rolle spielen. Pfingstmontag 2020 im Zeichen der Pandemie. Die Gemeindemitglieder werden nicht Kreuz, Monstranz und Urbanusfigur folgen. Der Schutzheilige wird jedoch unter den Gottesdienstbesuchern sein. „Wir stellen die Urbanus-Figur vom dem Gemeindehaus auf“, sagt Ortwald.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
