Party „Remember your feelings“ in Dortmund Diethelm Textoris legt nach 50 Jahren wieder auf

„Remember your feelings“: Mengeder Diskotheken-Ära weckt Emotionen
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„Das waren Mengedes Roaring Twenties“, sagt Diethelm Textoris. „Da war hier jeden Abend was los.“ Er lacht, als er über zwei wilde Jahrzehnte erzählt. Die 70er und 80er Jahre: Es war die Zeit der kleinen und kleinsten Diskotheken im Dortmunder Nordwesten.

Und davon gab es in Mengede eine ganze Reihe: „Pam Pam“ gegenüber vom Burghof, „Töff Töff“ am Busbahnhof, „Mini Espresso“ in Oestrich. Später eröffnete der Disco-Pub „Pils 2000“ an der Siegburgstraße. Zu den Musikkneipen zählte auch das „Alt Mengede“ an der Ammerstraße.

Im Vergleich zur legendären und über die Stadtgrenzen hinaus bekannten „Bonanza“ in Obernette führten sie dabei ganz und gar kein Schattendasein. Es war eine aus heutiger Sicht kaum vorstellbare, andere Zeit. Ladenschluss war um 18.30 Uhr. „Die Verkäuferinnen kamen dann direkt zu uns“, erinnert sich Textoris.

Als Student legte der heute 78-Jährige von 1971 bis 1976 im „Mini Espresso“ an der Castroper Straße in Oestrich auf – nur einen Steinwurf vom Bahnhof Mengede entfernt. Die erste Stunde lief Unterhaltungsmusik. Danach spielte „DJ Tex“ Rock ’n’ Roll und die jeweiligen Top-Hits.

Jazz an der Eingangstür

Der (all)abendliche Disko-Besuch war Zeitgeist. „Mehr als einen Ruhetag hatte keiner“, sagt der spätere Berufsschullehrer. Das „Mini“ hatte bis 1 Uhr nachts geöffnet – täglich außer am Dienstag. „Wenn die Stimmung gut war, sind wir häufig weitergezogen“, erzählt er. „Vorbei an der Polizei ging es in die Pam Pam.“

Den kleinen Tanzschuppen betrieb das bekannte Gastronomen-Paar Doris und Salvatore Gala. „Da ging es oft bis 4 Uhr und nicht nur am Wochenende“, erzählt Diethelm Textoris. Und während er im „Mini Espresso“ auch mal Vinyls mit Schlagern oder Chansons auf den Plattentellern kreisen ließ, spielte sein DJ-Kollege in der „Pam Pam“ fast ausschließlich englische Titel. „Mike van Roehl war eine Institution“, sagt Textoris.

„Die Pam Pam war auch mehr eine richtige Diskothek“, erklärt er. „Da wurde mehr getanzt. Im Mini war die Tanzfläche klein. Wir waren dort mehr eine volkstümliche Disko.“ Aber: Ob Rock, Pop, Schlager oder Chanson – entscheidend war der Geschmack der Besucher.

Außenansicht der Diskothek "Joy", die zuvor "Pam Pam" hieß, an der Ecke Castroper Straße/Siegenstraße in Dortmund Mengede.
Die Diskothek „Pam Pam“ hieß später „Joy“. Sie zählt zu den legendären Mengeder Klein-Diskotheken. © Wolfgang Voß

„DJ Tex“ kannte die jeweils aktuellen Lieblingstitel der Stammgäste – und seiner Chefin Helga Nestola: „Wenn Helga einen wehmütigen Abend hatte, musste ich ‚Dich erkenn ich mit verbundenen Augen‘ von Bata Ilic spielen“, erzählt er. „Dafür bekam ich dann einen Bachmann.“

Die Entscheidung, in welchem Tanzschuppen in der Nacht weiter getanzt und gefeiert wurde, sei häufig spontan gefallen. „Es gab zwar ein Stammpublikum“, berichtet der Ruheständler. „Aber man ging auch gern noch woanders hin.“ Das lag womöglich auch an der Vielfalt.

Eine Zeit lang betrieben Helga und John Verhagen das Töff Töff. „John saß am Eingang und spielte Jazz-Stücke“, erzählt Textoris. Später übernahm dann Peter Richter die Diskothek auf der Verkehrsinsel zwischen Rigwinstraße und Busbahnhof.

Diethelm Textoris am DJ-Pult im Mini Espresso im Jahr 1973.
DJ Tex im Mini Espresso 1973. Fünf Jahre legte er als Student in der Oestricher Diskothek auf. © Textoris

Wenn in sozialen Netzwerken wie Facebook alte Fotos der Mengeder Diskotheken auftauchen, schwelgen die einstigen Stammgäste in Erinnerungen. „Das waren noch Zeiten“, heißt es dann in den Kommentaren. „Da kommen Erinnerungen.“

Wie schön, sehnsüchtig und lebendig sie sind, zeigt sich auch am Samstag (18.3.). Dann heißt es ab 20 Uhr im Kulturzentrum Mengeder Saalbau „Remember your feelings“. Zum dritten Mal findet die Revival-Disko des Mengeder Heimatvereins statt. Und sie ist restlos ausverkauft: Binnen weniger Tage waren 350 Karten weg.

An Plattentellern, CD-Player und Laptop steht DJ-Lengede „Tex“ aus dem Mini. Seit Wochen bereitet er sich auf den Abend vor, sucht Vinyls und CDs zusammen, packt lederne Reise- und Aluminiumkoffer. Manche Scheibe aus den 70ern lief dabei auch schon im Mini Espresso in Oestrich. „Helga und Luigi kauften nur zwei bis drei Platten pro Woche“, erzählt Diethelm Textoris.

Diethelm Textoris im März 2023 am Computer in seinem Arbeitszimmer. Neben dem Schreibtisch steht ein alter Koffer mit Vinyl-Schallplatten.
Wochenlang hat der heute 78-Jährige in seiner Plattensammlung gestöbert und den Abend vorbereitet. © Uwe von Schirp

Den Rest brachte er selbst mit – von den 50ern bis zu den Beatles. „Ich bin Nostalgiker“, sagt der Lehrer im Ruhestand. Zunächst 25 Mark bekam er für den Abend. „Später waren es dann 50 Mark.“

An diesem Samstag ist es kein Studenten-Job mehr, sondern ehrenamtliche Leidenschaft. Rock‘n Roll, Slade und Sweet stehen auf der Playlist für die ersten Stunden. „Aber auch die George Baker Selection und Schlager für die Senioren“, verrät Textoris.

Einen Höhepunkt des Abends verspricht der Live-Auftritt von Sabine Hoell und Patrick Pelzer. Schon bei den ersten beiden Ausgaben von „Remember your feelings“ heizten die Show-Profis den begeisterten Besuchern ein.

Showprofi Patrick Pelzer singt und tanzt mit einer Besucherin im Oktober 2018 auf einem Tisch. Davor: Tanzende und feiernde Paare.
Als Patrick Pelzer im Oktober 2018 auf einen Tisch stieg und „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ sang, kochte die Stimmung über. © Uwe von Schirp (Archiv)

„Ein Gast hat mich schon angerufen und gefragt, ob Patrick Pelzer wieder auf einen Tisch steigt und ‚Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben‘ von Jürgen Markus singt“, erzählt DJ Tex. Das war im Oktober 2018, und die Stimmung im Saal kochte über. Ob es so weit kommt, bleibt bis Samstagabend ein Geheimnis.

Rockig und poppig geht es nach dem Live-Auftritt weiter. Diethelm Textoris bringt schließlich auch die Top-Titel aus den 80ern, der Spätphase der Mengeder Disko-Szene, mit. „Plattenwünsche sind willkommen“, sagt er. „Mindestens bis um eins lege ich auf.“ Gegebenenfalls auch länger – wenn 30-Jährige erst einmal grooven und über 70-Jährige nicht genug bekommen.

Der Einsatzplan der Serviceteams des Heimatvereins geht auf jeden Fall bis um 3 Uhr. Es sind eben die lebendigen Erinnerungen an die „Roaring Twenties“ der kleinen Mengeder Diskotheken.

Haben Sie Erinnerung an Ihre Jugend und die Mengeder Disko-Szene? Wir teilen sie mit unseren Lesern und halten die Erinnerungen wach. Schreiben Sie uns gern unter do-west@lensingmedia.de.

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