Obdachloser schläft auf der Straße

Dies ist nicht Daniel, sondern ein Foto, das eine vergleichbare Situation zeigt. Daniel wollte sich auf keinen Fall fotografieren lassen. © picture alliance/dpa

Obdachloser Daniel (39) schläft an der Kirche in Hombruch: „Anblick beruhigt“

rnFrage nach Konzept

In der City gehören Obdachlose zum Stadtbild. Im Dortmunder Süden eher weniger. Seit einigen Wochen schläft ein Mann vor dem Eingang der Bezirksverwaltungsstelle in Hombruch – Daniel.

Hombruch

, 23.10.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist kurz vor halb zehn an diesem Mittwochmorgen im Oktober, das Thermometer zeigt gerade mal acht Grad. Im Freien zu übernachten – eine Herausforderung.

Vor dem Eingang der Hombrucher Bezirksverwaltungsstelle liegt ein Mann. Kaum zu sehen in einem Berg von Decken – Mütze und Kapuze über den Kopf gezogen. Neben sich ein Einkaufswagen mit einigen wenigen Habseligkeiten, zwei Flaschen Cola neben sich auf dem Boden. Der Mann schläft – dass viele Menschen an ihm vorbei gehen, scheint ihn nicht zu stören.

Die Decken, mit denen der obdachlose Daniel sich zum Schlafen hinlegt. Seit einigen Wochen tut er das im Zentrum Hombruchs.

Die Decken, mit denen der obdachlose Daniel sich zum Schlafen hinlegt. Seit einigen Wochen tut er das im Zentrum Hombruchs. © Britta Linnhoff

Der Mann fällt auf, weil Obdachlose – anders als in der Dortmunder Innenstadt – in der Hombrucher Fußgängerzone eigentlich nicht zu sehen sind. Hier, wo der Mann liegt, ist viel los, hier geht es in die Bezirksverwaltungsstelle Hombruch, zur Stadtteil-Bibliothek, zur Sparkasse.

„Hombruch ist schön ruhig“

Der Mann, der hier liegt, heißt Daniel, 39 Jahre alt, waschechter Dortmunder, wie er sagt. Als er wach ist, sprechen wir ihn an. „Ja, wir können reden: Hombruch ist schön, schön ruhig hier“, sagt der 39-Jährige, „die Leute sind nett“. Inzwischen habe er „halb Hombruch“ durch. Nun also liegt er hier seit etwa vier Wochen vor der Bezirksverwaltungsstelle – mit Blick auf die Kirche. Ein Zufall ist das nicht, der Blick auf die Kirche beruhige ihn, sagt er. „In der Nähe einer Kirche schlafe ich immer besser.“

Hier, die Kirche im Blick, liegt Daniel. Der Anblick der Kirche beruhige ihn, sagt er.

Hier, die Kirche im Blick, liegt Daniel. Der Anblick der Kirche beruhige ihn, sagt er. © Britta Linnhoff

Früher sei er auch oft in die Kirche gegangen, in die Kirche an der Münsterstraße, auch in der Antoniuskirche in der Holsteiner Straße sei er gewesen. Dort in der Nordstadt sei er aufgewachsen, erzählt er. Wie er aufgewachsen ist, daran erinnert sich Daniel nicht gern. Es ist wohl schon in seiner Jugend nicht so gelaufen, wie es hätte laufen sollen: „Mein Vater war das größte Arschloch unter der Sonne“ sagt er. Inzwischen sei der gestorben – wie seine Mutter. Dass seine Mutter tot ist, darüber sei er sehr traurig.

Im Laufe des Tages will Daniel Flaschen sammeln, wie jeden Tag: „Von nichts kommt nichts“, sagt er. „Andere gehen klauen, aber sowas mache ich nicht“. Früher mal, ja, früher schon. Da sei er auch zwischendurch mal auf der Straße gewesen, so mit 13 oder 16, „weil es zu Hause scheiße war“.

„Mit Drogen nichts am Hut“

Mit Drogen habe er nichts am Hut, „Meine einzige Droge sind die Cola und die Zigaretten, manchmal Schokolade“, die möge er genauso wie Trickfilme, die sehe er dann manchmal bei Kumpels, die eine Wohnung hätten. Was er nicht mag: Kaffee. Aber: „Kakao, der ist lecker“.

Die, die in Daniels Umfeld arbeiten, kennen ihn inzwischen gut. Als der Sicherheitsmann kurz nach draußen kommt, wird er gefragt: „Was macht dein Zahn, besser?“ – „Ja besser“. Und zu dem anderen Mann, der regelmäßig vorbeikommt, stellt er fest: „Der sieht blass aus heute“.

Wenn er einen Wunsch frei hätte, was würde er sich wünschen? Wohnung, saubere Kleidung, Wärme? „Dass ich heute wieder genug Geld zusammen bekomme“, sagt Daniel. Gestern, das sei wie Weihnachten gewesen, da sei ein junger Mann gekommen, und habe ihm 50 Euro in die Hand gedrückt.

Streetworker unterwegs

Seit Mai sind die Sozialarbeiter Hannah Somberg und Timo Bolin auf den Straßen der Stadt unterwegs. Die beiden Streetworker waren zu Gast in der Sitzung der Bezirksvertretung Hombruch am 18. Oktober. Die beiden versuchen, den Obdachlosen zu helfen, ihnen zu sagen, wo es welche Hilfe gibt. Auch in Hombruch waren sie schon. Auch mit Daniel haben sie gesprochen. Mehr möchten die beiden zur persönlichen Situation nicht sagen.

Für Außenstehende scheint sich der 39-Jährige mit den Gegebenheiten offenbar irgendwie arrangiert zu haben: Ausbrechen? Schwierig, so scheint es nach unserem Gespräch.

„Es gebe so Fälle, dass die Leute zentrale Hilfsangebote ablehnen“, berichtet Bolin den Bezirksvertretern – nicht konkret bezogen auf Daniel, sondern generell. Oft seien diese Menschen im Stadtteil relativ gut vernetzt, weil sie sich ihr ganzes Leben dort aufgehalten hätten und hier auch Hilfe bekommen.

Gibt es Hilfen im Stadtbezirk?

Gibt es eigentlich vonseiten der Stadt Hilfe für Obdachlose auch in Hombruch wollte CDU-Fraktionsvorsitzender Guido Preuss in der Sitzung wissen. Und Katja Wilken von den Grünen erinnerte daran, dass „der Rat beschlossen hat, dezentrale Angebote für diese Menschen über den Winter einzurichten“. Wie sei da eigentlich der Stand? Die Bezirksvertreter votierten einstimmig für eine Anfrage an die Verwaltung: Die soll mitteilen, ob es Konzepte gibt, den Obdachlosen im Stadtbezirk zu helfen.

Daniel nimmt man wahr in Hombruch. Aber: „Gibt es wirklich nur den einen?“, fragte sich Katja Wilken. „Die Zahl der Wohnungslosen ist sicher größer, als das, was man sieht“, sagt Bolin. In der Sitzung der Bezirksvertretung ist schließlich die Rede von sechs Menschen, die in der Bolmke übernachten, und einem weiteren Mann, der die Harkortstraße rauf und runter laufe, aber nicht unbedingt als Obdachloser sofort erkennbar sei.

Am 3. April 2023 wird Daniel 40 Jahre alt – dann ist der Winter vorbei, den der dann 40-Jährige hoffentlich gut überstanden hat; vielleicht ja auch dank dezentraler Hilfsangebote der Stadt.

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