
Die Bürgerbeteiligung - hier ein Foto von einer der beschriebenen Veranstaltungen - muss verändert werden, fordert unser Autor Oliver Volmerich. © Volmerich/Menne; Montage: RN
Nordstädter sollen mitreden? So kann das nichts werden!
Meinung
Die Stadt lädt in der Nordstadt zur Bürgerbeteiligung ein, es geht um große Pläne. Fast niemand kommt. Wer da ist, gehört zur besonders interessierten Eilte. Eine Fehlplanung, meint unser Autor - und hat einen Verbesserungsvorschlag.
Das Erschrecken ist regelmäßig groß. Bei der Landtagswahl am 15. Mai hat in der Nordstadt gerade einmal jeder dritte Wahlberechtigte seine Stimmen abgegeben, bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren lag die Wahlbeteiligung rund um den Borsigplatz nur bei rund 22 Prozent.
Viele Menschen in der Nordstadt, wenn sie denn überhaupt wahlberechtigt sind, haben kein Interesse an der und kein Vertrauen in die Politik, heißt es zur Erklärung. Die Menschen hier würden doch gar nicht gefragt, wie sie die Sachen sehen, erklärte ein Nichtwähler vom Borsigplatz nach der Kommunalwahl im September 2021.
Doch das ist falsch. Gerade für die Nordstadt gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Quartiersmanager sind als Ansprechpartner vor Ort. Zu wichtigen Planungsthemen gibt es regelmäßig Dialog-Veranstaltungen. Doch die werden wenig wahrgenommen.
Aktuelles Beispiel: Drei Bürger-Foren zum Thema Stadterneuerung, zu denen die Stadt Anwohner aus drei Quartieren eingeladen hat. Es geht darum zu ermitteln, welche Probleme die Menschen vor Ort sehen und welche Wünsche und Anregungen sie habe, um die Lebenslage zu verbessern.
Theoretisch eine gute Gelegenheit also für Nordstadt-Bewohner, einmal zu sagen, wo sie der Schuh drückt. Das Ergebnis ist allerdings - wieder einmal - ernüchternd.
Nur jeweils etwa ein Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer verlor sich bei den ersten beiden Terminen für das Quartier Borsigplatz im Forum der Anne-Frank-Gesamtschule und für das Quartier Hafen im Dietrich-Keuning-Haus. Und die, die kamen, spiegelten auch, um es mal so auszudrücken, nicht unbedingt den Querschnitt der Nordstadt-Bevölkerung wider. Sondern wer kommt, ist gut informiert, sowieso engagiert, gehört zur besonders interessierten Eilte.
Ein Zeichen für Desinteresse und fehlendes politischen Bewusstsein? Vielleicht. Deutlich wurde aber auch, dass das gewählte Format schlicht nicht passt.
Der Einladungs-Flyer war unübersichtlich und sprachlich schwer verständlich, die Hürden für die Teilnahme unnötig hoch. Schon die angekündigte Dauer der Veranstaltung von zweieinhalb Stunden - von 17.30 Uhr bis 20 Uhr - schreckt ab.
Viele unnötige Hürden
Warum brauchte man im Gegensatz zu anderen öffentlichen Veranstaltungen einen 3G-Nachweis? Warum ist eine Anmeldung mit einer Woche Vorlauf nötig? Warum fand das Forum für den Borsigplatz in der weit entfernten Anne-Frank-Gesamtschule statt? Dass der Online-Stream bei der ersten Veranstaltung nicht funktionierte, vervollständigt das Bild.
Fazit: Das Ganze ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Denn wenn die Menschen nicht zu den Planern kommen, müssen die Planer zu den Menschen. Vorträge über die komplexen Vorgaben des Baugesetzbuches zu Sanierungssatzungen kann man sich sparen.
Liebe Planer: Packt eine Pinnwand in einen Transporter oder ein Lastenrad und fahrt damit in Parks und auf Spielplätze, wo die Menschen sich aufhalten. Haltet keine langen Vorträge, sondern fragt, wo den Leuten der Schuh drückt und was sie sich wünschen. Das ist Bürgerbeteiligung, die ankommt.
Darum geht es
- „Nordstadt sanieren?“ ist der Titel der drei Beteiligungsveranstaltungen, zu denen das Amt für Stadterneuerung Bewohnerinnen und Bewohner der Nordstadt einlädt. Dahinter steckt die Überlegung zu städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen in der Nordstadt, mit denen Missstände beseitigt werden sollen.
- Nach den Vorgaben des Sanierungsrechts muss nachgewiesen werden, dass solche Maßnahmen angemessen und erforderlich sind. Dazu finden derzeit vorbereitenden Untersuchungen statt, mit denen NRW.Urban beauftragt ist. Die Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner gehört dazu.
- Die dritte Veranstaltung zum Quartier Nordmarkt findet am Donnerstag (2.6.) von 17.30 Uhr bis 20 Uhr im Forum der Anne-Frank-Gesamtschule, Carl-Holtschneider Straße 9, statt.
- Nach den Auftaktveranstaltungen sind auch noch weitere Beteiligungsaktionen geplant, versichert Susanne Linnebach als Leiterin des Amtes für Stadterneuerung. Anregungen kann man auch per Mail senden an nordstadt@stadtdo.de.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
