
Nur wenige Menschen gingen am Sonntag zur Landtagswahl in die Wahllokale. © Oliver Volmerich
Gesunkene Wahlbeteiligung in Dortmund: „Ich bin mit meinem Latein am Ende“
Landtagswahl in Dortmund
Die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl lag in Dortmund bei enttäuschenden 54 Prozent. In einem Stadtbezirk war gar nur jeder Dritte wählen. In der Politik wächst die Ratlosigkeit - und der Frust.
Mit 32,7 Prozent hat die SPD bei der Landtagswahl in Dortmund die meisten Stimmen geholt. Die mit Abstand stärkste Gruppe unter den Wahlberechtigten ist allerdings eine andere - die der Nichtwähler. Denn 46,6 Prozent der 405.000 Wahlberechtigten nahm gar nicht an der Wahl teil.
Wären die „Nichtwähler“ eine Partei, sie hätte mit rund 188.000 mehr als zweieinhalb Mal so viele Stimmen bekommen wie die SPD (rund 70.000).
Die Wahlbeteiligung lag in ganz Dortmund bei 53,4 Prozent und damit noch einmal um etwa neun Prozentpunkte niedriger als bei der Landtagswahl vor fünf Jahren. Damit liegt Dortmund durchaus im Landestrend. Denn ganz NRW verzeichnete mit 55,5 Prozent eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. 2017 hatten noch 65,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben.
Was in Dortmund auffällt, ist das große Gefälle bei der Wahlbeteiligung zwischen den Stadtbezirken. Am niedrigsten war sie erneut in der Nordstadt, so nur jeder beziehungsweise jede dritte Wahlberechtigte an der Wahl teilnahm - genau 33,2 Prozent.
Nur 11 Prozent der Nordstadt-Bewohner waren wählen
Das sorgt auch in der Politik für Nachdenken. „Von ungefähr 59.000 Einwohner*innen der Innenstadt-Nord in Dortmund haben nur 6700 gewählt. Das sind 11 Prozent. Nur ein Drittel dürfen überhaupt wählen und davon sind nur ein Drittel wählen gegangen“, twitterte Linken-Landtagskandidatin und Ratsvertreterin Sonja Lemke.
Im Wahlkreis 112, zu dem die Nordstadt gehört, klafft die Schere zwischen Beteiligung und Politikmüdigkeit besonders weit auseinander. Denn zu seinem neu zugeschnittenen Wahlkreis gehören die Stadtbezirke mit der niedrigsten und der höchsten Wahlbeteiligungen.
Der Nordstadt mit 33,2 Prozent Wahlbeteiligung steht die Innenstadt-Ost mit 61,5 Prozent gegenüber. Höher war die Beteiligung nur im Stadtbezirk Hombruch, der teilweise ebenfalls zum Wahlkreis 112 gehört, mit 64,1 Prozent. Das Gefälle zwischen den Stadtbezirken in Sachen Wahlbeteiligung ist also extrem.
Ein Erklärungsmuster liefern die städtischen Statistiker in ihrer Wahlanalyse. „Wie aus früheren Wahlen bekannt, besteht ein deutlich gegenläufiger Zusammenhang zwischen der ökonomischen Belastung eines Gebiets und der Wahlbeteiligung“, stellen sie fest. Anders ausgedrückt: Je schlechter die wirtschaftliche Situation, desto niedriger die Wahlbeteiligung.
Enttäuschung in der Nordstadt
Verstärkt wird der Effekt bei der aktuellen Landtagswahl durch den Umstand, dass die Wahlbeteiligung im Norden der Stadt, wo sie ohnehin schon niedrig war, besonders stark gesunken ist. Die Wahlbeteiligung sei generell gesunken, in Gebieten mit ohnehin niedrigen Beteiligungswerten besonders“, bilanzieren die Statistiker mit Verweis auf die Nordstadt.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Volkan Baran hat zwar in der Nordstadt die meisten Stimmen bekommen, ärgert sich aber über die niedrige Wahlbeteiligung. © Schaper
Dass gerade in der Nordstadt viele Menschen von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen, ist auch für Volkan Baran enttäuschend. Der SPD-Politiker, der selbst aus der Nordstadt stammt, hat mit rund 34 Prozent der Stimmen zwar den Wahlkreis gewonnen und auch in der Nordstadt die Nase vorn. Die niedrige Wahlbeteiligung im Norden ist für ihn aber unverständlich, zumal er selbst viel auch in Gemeinschaften mit eingebürgerten Zuwanderern unterwegs ist.
Das Problem der niedrigen Wahlbeteiligung kennt er schon aus seiner Zeit als Ratsvertreter bei Kommunalwahlen. Er versuchte, dagegen anzuarbeiten. Offenbar ohne Erfolg. „Ich bin da mit meinem Latein am Ende“, stellt Baran fest. Viele meckerten zwar, aber beteiligten sich nicht an politischen Entscheidungen, sagt der SPD-Politiker.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
