Es ist eine besondere Herausforderung: Wie schafft man ein angemessenes Entree für einen „Ort des Grauens“ und nimmt zugleich Rücksicht auf das denkmalgeschützte Gebäude der alten Steinwache? Architekt Georg Konermann hat die passende Antwort gefunden.

Wie eine Skulptur wirkt der mit Sichtbeton gestaltete Anbau für die historische Steinwache an der Nordseite des Hauptbahnhofs. Er schafft unmittelbar vor dem Eingang zum früheren Gefängnishof ein Foyer für die Mahn- und Gedenkstätte. Im Untergeschoss entstehen Seminarräume und Platz für Sonderausstellungen. Ein wie ein Graben angelegter offener Verbindungsgang zum alten Gefängnistrakt der Steinwache bringt natürliches Tageslicht auch in die unterirdischen Räume.
Mit diesem Entwurf hat das in Hamburg und Lübeck beheimatete Büro Konermann+Siegmund Architekten 2019 den von der Stadt Dortmund ausgeschriebenen Architektenwettbewerb gewonnen. Bei einer Veranstaltung zum 30-jährigen Bestehen der Mahn- und Gedenkstätte im Keuning-Haus am Donnerstagabend (27.10.) wurde der aktuelle Stand der Planungen vorgestellt und in die Pläne zur Neugestaltung der Steinwache eingeordnet.
„Das Foyergebäude wirkt wie eine Schleuse - auch mental“, erklärte Georg Konermann. Schließlich werde in der alten Steinwache „das Grauen vermittelt“. Und das soll mit der Neukonzeption der Dauerausstellung noch stärker zum Ausdruck kommen.
Das Konzept dafür stellten der Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Markus Günnewig, und Hanna Kropp vom Architekturbüro Demirag aus Stuttgart, das mit der Ausstellungsgestaltung beauftragt ist, in einem Vortrag und mit anschaulichen Modellen vor.

Fest steht, dass die seit 1992 in der Steinwache gezeigte und schon 1981 konzipierte Dauerausstellung unter dem Titel „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 bis 1945“ ausgedient hat. Jede Generation brauche auch neue Formen der Vermittlung, erklärte Prof. Bernd Faulenbach als Mitglied des eigens eingerichteten wissenschaftlichen Beirats den Antrieb.
Natürlich werden nicht alle Aspekte der alten, damals wegweisenden Ausstellung zur Dortmunder NS-Geschichte über Bord geworfen. Aber die Inhalte werden neu präsentiert und ein neuer Schwerpunkt gesetzt. „Wir wollen das Gebäude des alten Steinwachen-Gefängnisses stärker in den Mittelpunkt rücken“, kündigt Stadtarchiv-Direktor Dr. Stefan Mühlhofer, der auch Geschäftsführer der städtischen Kulturbetriebe ist, an.
Gefängnisbau im Mittelpunkt
„Das zentrale Exponat ist der Gefängnisbau selbst“, erläuterte auch Ausstellungsdesignerin Hanna Kropp. Es bleibt bei einem Rundgang über die vier Etagen des alten Gestapo-Gefängnisses, in dem in der NS-Zeit gut 66.000 Menschen festgehalten und teilweise misshandelt wurden.
Den 40 Räumen und ehemaligen Gefängniszellen werden unterschiedliche Funktionen zugeordnet, erklärte Hanna Kropp. Es gibt sogenannte „Überblicksräume“ zu den zentralen Themen, „Funktionsräume“ wie der frühere Aufnahmeraum und die Vernehmungsräume und „Personenräume“, in denen exemplarisch an die Schicksale einzelner Gefangener erinnert wird. Auch der Gefängnisalltag soll vermittelt werden.

Die Judenverfolgung ist dabei ebenso Thema wie die Verfolgung politisch Andersdenkender, Homosexueller oder von Menschen, die schlicht nicht der Norm entsprachen. Viele wurden von der Steinwache in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Es gehe um „eine schwer erträgliche Ballung von Unmenschlichkeiten“, formulierte es Bernd Faulenbach. „Die Ausstellung eröffnet ein breites Panorama auf NS-Verbrechen.“
Er sprach von einem „hoch ambitionierten Konzept“, das die Steinwache zu einem „zeithistorischen Museum besonderer Art“ mache. „Jeder Besuch wird die Menschen in hohem Maße nachdenklich machen“, prophezeite der Historiker. „Gezeigt wird, wie Polizei und Justiz pervertiert werden können und wie wichtig ein funktionierender demokratischer Rechtsstaat ist.“
Zeitplan und Kosten unklar
Bis Ausstellung und Anbau zu erleben sind, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Ein mögliches Zeitziel könnte das 100-jährige Bestehen des Steinwachen-Gefängnisses sein, das 1926/27 gebaut wurde.
Stefan Mühlhofer wollte sich da nicht festlegen. Er sprach von einem Abschluss „in überschaubarer Zeit“. Zuletzt war es unter anderem durch die Corona-Pandemie schon zu Verzögerungen gekommen. Man arbeite gerade an einem soliden Zeitplan, berichtete Mühlhofer. Die Steinwache werde mit der alten Dauerausstellung auf jeden Fall so lange geöffnet sein, bis der erste Bagger vor dem Haus stehe.
Klar dürfte auch sein, dass man dann mit dem 2019 genannten Kostenrahmen von 6,1 Millionen Euro - etwa je zur Hälfte für Anbau und Neukonzeption - wohl nicht mehr auskommen wird. Zuletzt hatten sich wegen drastisch gestiegener Baukosten städtische Bauprojekte reihenweise verteuert.
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