„Mord verjährt nicht.“ Es ist ein fernsehtauglicher Satz, der am Freitag (12.1.) auch im Polizeipräsidium Dortmund bei einer Pressekonferenz mehrmals fällt. Dieser Satz ist vor allem aber eine Verpflichtung sowohl für die Polizei als auch für die Justiz.
Die Dortmunder Polizei rollt deshalb ungelöste Tötungsdelikte wieder auf. Dafür ist im Kriminalkommissariat 11 (KK11) die Ermittlungsgruppe „Cold Case“ eingerichtet worden. Ihre Arbeit und einige Fälle, die die Ermittler beschäftigen werden, sind unter großem Medieninteresse vorgestellt worden.
Als Cold-Case-Ermittlungen werden neue polizeiliche Ermittlungen in einem bisher ungeklärten Kriminalfall bezeichnet. Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) hatte zuvor durch den Einsatz erfahrener Ermittler, die aus dem Ruhestand zurückgekehrt waren (sog. „Senior Experts“), die ungeklärten Tötungsdelikte ab dem Jahr 1970 in Nordrhein-Westfalen erneut überprüft. Dabei sind 1.143 Fälle identifiziert worden – 494 Fälle davon zwischen 1990 und 2015.
42 neue Fälle
Das LKA hat im Zuständigkeitsbereich des KK11 42 Fälle identifiziert, bei denen durch den Einsatz neuester kriminaltechnischer Untersuchungen eine Aufklärung noch möglich sein könnte. Diese Fälle haben sich nicht nur auf Dortmunder Stadtgebiet zugetragen, sondern auch in Unna, Soest, dem Hochsauerlandkreis und Hamm. Bei Verbrechen gegen das Leben ist das Dortmunder Polizeipräsidium auch in diesen Regionen zuständig. Auf Dortmunder Stadtgebiet selbst gibt es 27 Fälle bis zum Jahr 2017, die noch nicht aufgeklärt sind.
Carsten Philipps, Leiter des KK11 spricht in diesem Zusammenhang lieber von „Old Cases“, also alten Fällen, als von „Cold Cases“. Denn: „Altfälle lassen uns nie kalt.“ Dass man weiter ermittle, „sind wir den Opfern und den Hinterbliebenen schuldig, die mit dem Schicksal nach den schrecklichen Ereignissen leben müssen.“

Philipps sagte, dass diese Altfälle im KK11 immer auch bearbeitet worden seien. Allerdings neben den aktuellen Fällen. Mit der neuen Ermittlungsgruppe wolle man nun „Ressourcen bündeln und zielgerichtet einsetzen“.
„Akten werden nie weggelegt“
Ab Montag (15.1.) soll die Ermittlungsgruppe erstmal vollständig zusammentreten. Der Erste Kriminalhauptkommissar Gregor Schmidt, den Philipps als „bissig“ bezeichnet, wird die Ermittlungsgruppe leiten. Hinzu kommen laut Polizei drei erfahrene Mordermittler des Kriminalkommissariats 11, ein Kriminaltechniker, drei ehemalige Mordermittler, die aus dem Ruhestand zurückkehren und jüngere Mordermittler.
Sie sollen auch in engem Austausch mit der Staatsanwaltschaft Dortmund stehen. Staatsanwältin Gülkiz Yazir begrüßt die Einrichtung der Ermittlungsgruppe: „Es liegt im rechtsstaatlichen Interesse, diese Fälle aufzuklären. Die Akten zu den Verfahren werden nie weggelegt und werden immer wieder geprüft“, sagt Yazir.
Die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen seien von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich. Es gebe Verfahren, in denen es DNA-Spuren gebe, die aber noch zu keiner Person zugeordnet werden können, in anderen Fällen konnte DNA zugewiesen werden und man geht von einer Täterschaft aus, die Beweislast reiche aber noch nicht aus für eine Anklage, sagt die Staatsanwältin.
Dortmunder Fall bei „Aktzenzeichen XY“
Als Beweismittel seien DNA-Spuren erst in den 90er-Jahren in den Fokus gerückt, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar Gregor Schmidt. Im Fall von Heike Kötting, die zwischen dem 25. Februar 1991, 19.30 Uhr, und dem 26. Februar 1991 um 14 Uhr von Einbrechern in ihrem Haus in Dortmund-Scharnhorst getötet worden ist, ist die Leiche von Polizeibeamten „abgeklebt“ worden.

Mögliche Spuren sollen nun vom LKA auf DNA-fähiges Material untersucht werden und mit neuen Methoden analysiert werden.
Durch neue DNA-Analysen konnte beispielsweise auch der Mord an Nicole Denise Schalla aufgeklärt werden. Ihr Mörder ist im Jahr 2021 verurteilt worden.
Der Tod von Heike Kötting ist einer der Fälle, die der Leiter der Ermittlungsgruppe am Freitag exemplarisch vorstellte. Er wird am Mittwoch (17.1.) auch in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ ausgestrahlt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat für den entscheidenden Hinweis eine Belohnung von 5.000 Euro ausgelobt.
67-Jähriger mit mehreren Stichen getötet
Ein Fall aus dem Jahr 1986 bewegt die Ermittler besonders: In Unna wurde der damals elfjährige Marc Gutte tot in einem Maisfeld aufgefunden. Er starb durch stumpfe Gewalt gegen den Kopf. Am Leichnam konnte eine DNA-Spur gesichert werden, die aber nicht in der Datenbank erfasst ist.

Ein weiterer Cold Case aus dem Jahre 1986 ist die Tötung des damals 67-jährigen Joseph Milata. Er war homosexuell und lud damals regelmäßig junge Männer zu sich in seine Bergkamener Wohnung ein. Am 26. September wurde Milata dann mit zahlreichen Stichverletzungen aufgefunden. Zudem wurde er stranguliert.
Wissenschaftler des LKA Düsseldorf konnten DNA-Spuren extrahieren, die allerdings mehreren Personen zugeordnet werden können. Da die DNA-Spuren auch von Berechtigten in der Wohnung hinterlassen worden sein könnten, konnte bislang kein Tatverdacht sicher begründet werden.

Ermittler hoffen auf Hinweise
Der älteste Fall, der nun neu aufgerollt wird, ist aus dem Jahr 1966, als eine griechischstämmige Frau in ihrer Wohnung in Dortmund getötet worden war. Die Ermittler hoffen bei Ihrer Arbeit auch auf die Hilfe der Bevölkerung. Erinnerung an solchen Taten seien meist noch recht gut, da sich Zeugen oder Angehörige immer wieder mit den Fällen beschäftigen, sagt Staatsanwältin Yazir.
„Es gibt auch Zeugen, die Beobachtungen gemacht haben, die ihnen eigenartig vorkommen, sie aber nicht in Bezug zu einer Tat gesetzt haben.“ Außerdem könnten andere Straftaten, die im Zusammenhang mit einer Tat stehen, verjährt sein, sodass sich Menschen melden könnten, die vorher eine Strafverfolgung befürchten mussten.
Zeugen, die Hinweise zu Cold Case Fällen geben können, werden gebeten, sich bei der Kriminalwache Dortmund zu melden: Tel. 0231/132-7441
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