Bauen ältere Autofahrer in Dortmund mehr Unfälle? Was Experten zu Fahrprüfungen im Alter sagen

Welchen Anteil haben ältere Menschen an schweren Unfällen in Dortmund?
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Ein siebenjähriger Junge ist am Donnerstag (15.2.) in Dortmund-Höchsten von einem Auto erfasst und lebensgefährlich verletzt worden. Mittlerweile ist der Junge außer Lebensgefahr. Ein schwarzer Kombi hatte ihn rund 100 Meter mitgeschleift. Am Steuer saß ein 83-jähriger Mann. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei war der Fahrer auf gerader Strecke über Rot gefahren und ist danach vom Unfallort geflüchtet.

Vor allem nach schweren Unfällen wird immer wieder über die Fahrtauglichkeit älterer Menschen diskutiert – zuletzt auch auf höchster europäischer Ebene.

Ein Entwurf einer neuen europäischen Verkehrsrichtlinie hatte vorgesehen, dass Autofahrerinnen und Autofahrer ab einem Alter von 70 Jahren alle fünf Jahre den Führerschein auffrischen müssen. Dabei sollte auch ihr Gesundheitszustand durch eine verpflichtende ärztliche Untersuchung oder durch eine Selbsteinschätzung abgefragt werden.

Später wurde dieser Entwurf bei einem Treffen der EU-Verkehrsminister aufgeweicht. Gesundheitstests sind demnach weiterhin möglich. Ob sie eingeführt werden, entscheiden aber die Mitgliedsstaaten selbst. Dass das in Deutschland geschieht, scheint derzeit unwahrscheinlich. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte eine Einführung ausgeschlossen.

Ältere Menschen häufig verantwortlich für Unfälle

Dabei zeigt eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2022: Waren Menschen ab 65 Jahren in Verkehrsunfällen mit Personenschaden verwickelt, waren sie in mehr als zwei Drittel der Fälle (69 Prozent) die Hauptverursachenden. Bei den mindestens 75-Jährigen waren es sogar 77 Prozent.

Für Dortmund liegen solche Zahlen nicht vor. Wer bei Unfällen die Hauptverantwortung trägt, erfasst die Polizei Dortmund nicht nach Alter. Aber über die zur Verfügung stehenden Zahlen lässt sich trotzdem ein Eindruck gewinnen.

Am Wickeder Hellweg ist im Dezember ein Auto gegen eine Hauswand gefahren. Der 82-jährige Autofahrer ist dabei gestorben. (Archiv)
Am Wickeder Hellweg ist im Dezember ein Auto gegen eine Hauswand gefahren. Der 82-jährige Autofahrer ist dabei gestorben. (Archiv) © Markus Wüllner/News 4 Video-Line

Am häufigsten an Unfällen ist in Dortmund laut Polizei die Gruppe der Menschen im Alter von 25 bis 64 Jahren beteiligt. Das ist nicht weiter verwunderlich. Ihre Gruppe ist deutlich größer als die beiden anderen Gruppen (18 bis 24 Jahren; ab 65 Jahren), die in der Statistik sonst betrachtet werden.

Geringer Anteil Verletzte bei Älteren

Und auf die Gruppe der 25- bis 64-Jährigen entfallen zudem die meisten der in Dortmund zugelassenen privaten Pkw – nämlich 200.468 (Stichtag 31. Dezember 2022). Das heißt: Auf 60,1 Prozent der in Dortmund lebenden Menschen in diesem Alter ist ein Auto zugelassen.

Bei den anderen Gruppen fallen die Anteile niedriger aus. Ab 65 Jahren hatte ungefähr jeder zweite Dortmunder ein Fahrzeug (insgesamt 57.690) auf seinen Namen zugelassen, bei den 18- bis 24-Jährigen jeder Vierte (insgesamt 13.564 Fahrzeuge).

Betrachtet man nun, wie häufig Autofahrende dieser Gruppen bei Autounfällen verletzt worden sind, zeigt sich, dass bei den 25- bis 64-Jährigen kein signifikanter Unterschied zwischen ihrem Anteil an den Verletzten (71,3 Prozent) und ihrem Anteil an den Pkw-Zulassungen besteht (73,7 Prozent).

Bei jüngeren Menschen zwischen 18 und 24 Jahren ist der Anteil hingegen sehr viel höher. Sie machen rund 18,8 Prozent der verletzten Autofahrer im Jahr 2022 aus, ihr Anteil an den Pkw-Zulassungen liegt aber nur bei circa 4,9 Prozent.

Bei älteren Menschen ist es genau umgekehrt: Der Anteil an der verletzten Fahrern liegt bei 9,8 Prozent, dabei sind circa 21,3 Prozent der privaten Pkw in Dortmund auf sie zugelassen.

Nun bauen natürlich auch Menschen auf Dortmunder Stadtgebiet Unfälle, die ihre Autos in anderen Städten zugelassen haben und nicht auf jeden Autofahrer ist auch ein Fahrzeug zugelassen, der Vergleich zeigt trotzdem einen Trend, den das Statistische Bundesamt so auch für ganz Deutschland sieht: Ältere Autofahrerinnen und -fahrer sind bezogen auf die Zahl der auf sie zugelassenen Fahrzeuge seltener an Unfällen beteiligt als andere Gruppen.

„Die geringere Unfallbeteiligung dürfte insbesondere daran liegen, dass ältere Menschen seltener als jüngere am Straßenverkehr teilnehmen, unter anderem, weil sie nicht mehr zur Arbeit fahren“, führt das Statistische Bundesamt als Erklärung an.

Ältere missachten eher die Vorfahrt

Während die Dortmunder Polizei mitteilt, dass sich die Unfallursachen bei älteren Menschen nicht im Wesentlichen von denen bei jüngeren unterscheiden, sieht das Statistische Bundesamt in seinen Daten für ganz Deutschland, eine Häufung bestimmter Unfallgründe bei Älteren.

So hätten sie bei Unfällen eher die Vorfahrt missachtet und sich beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren fehl verhalten. Ihnen wird demnach aber seltener zur Last gelegt, den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten zu haben, mit nicht angepasster Geschwindigkeit unterwegs zu sein oder das Auto unter Alkoholeinfluss gefahren zu haben.

Sind ältere Menschen als Autofahrer in einen Verkehrsunfall verwickelt, sieht der ADAC Westfalen einen Grund in der langsameren Reaktionszeit älterer Menschen. Der Verband betont aber auch noch einmal: „Zwar kann es mit zunehmendem Alter zu Leistungseinbußen kommen, dennoch ist das Unfallrisiko älterer Kraftfahrer nicht außergewöhnlich hoch.“ Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil seien ältere Menschen eher seltener in Unfälle verwickelt. Deshalb lehne man Maßnahmen, die sich auf ein bestimmtes Alter beziehen, ab.

„Im Verkehr herrscht Ellbogengesellschaft“

Fahrlehrer Reza Hassani hingegen fände es nicht schlecht, wenn es ab einem Alter von 65 Jahren eine Begutachtungsfahrt bei einer Fahrschule geben würde, in der die Fahrtauglichkeit geprüft werde. „Kann der Fahrer Abstände richtig einschätzen, fährt er bei verschiedenen Geschwindigkeiten sicher? Zur Not muss man noch mal ein paar Fahrstunden nehmen, wenn man zu unsicher fährt“, sagt Hassani, der „Reza‘s Fahrschule“ an der Mallinckrodtstraße in der Dortmunder Nordstadt betreibt.

Der Dortmunder Fahrschullehrer Reza Hassani.
Reza Hassani ist Fahrschullehrer in Dortmund. (Archiv) © Schaper

„Spätestens ab 70 Jahren muss dann jeder beim Straßenverkehrsamt eine Bescheinigung vorlegen, dass er so eine Fahrt gemacht hat“, stellt er sich ein Modell vor. Mit Freiwilligkeit alleine würde das nicht gehen, glaubt Hassani. „Viele ältere Menschen haben die Einsicht nicht, wenn Angehörige ihnen dazu raten.“ In seiner 12-jährigen Berufslaufbahn hätten erst zwei- oder dreimal ältere Menschen in seinem Auto gesessen, die sich nicht mehr sicher gefühlt haben und sich Tipps holen wollten.

Hassani ist viel auf Dortmunds Straßen unterwegs. Insgesamt sei es aggressiver geworden und stressiger, sagt er. „Im Verkehr herrscht Ellbogengesellschaft, Hauptsache ich bin durch.“ Das mache aber auch das Fahren für ältere Menschen schwieriger. „Die Reaktionszeit ist einfach eine andere. Wenn ich sehe, wie manche ältere Menschen fahren – mit dem Kopf so weit vorne, dass er fast schon auf der Motorhaube liegt – wäre es besser, wenn sie nicht mehr fahren würden.“

Flexibilität durch Auto

Für Senioren biete der Pkw ein hohes Maß an Flexibilität und auch Freiheit in Ihrer Mobilität, gerade auch auf dem Land, heißt es vom ADAC, der deshalb auf Selbstverantwortung setzt. Vor dem Einsteigen müsse aber jeder auf die eigene Fahrtüchtigkeit achten: „Erkrankungen und Medikamente können die Verkehrssicherheit negativ beeinflussen“, heißt es vom Automobil-Club.

„Falls gesundheitliche Probleme festgestellt werden, sollte daher das Gespräch mit dem behandelnden Arzt gesucht werden, um eine Einschätzung der eigenen Fahreignung zu erhalten sowie gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzuleiten.“ Das gelte aber für alle Altersgruppen.

Können auf den Prüfstand stellen

Bei Fahrsicherheitstrainings könne man zudem sein Können auf den Prüfstand stellen und lernen, in brenzligen Situationen besser zu reagieren. Außerdem bietet der ADAC Beratungs- und Trainingseinheiten wie den Fahr-Fitness-Check an, der sich an ältere, noch regelmäßig Auto fahrende Personen richtet. Und er berät Personen im Alter von über 65 Jahren im Programm „sicher mobil“ zu Mobilitätsfragen nicht nur rund ums Auto, sondern auch Radfahrer, Fußgänger und Menschen, die den ÖPNV nutzen.

„Hier kann im Einzelfall dann geprüft werden, inwiefern noch eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet werden kann. Eine generelle Empfehlung, den Führerschein abzugeben, sprechen wir nicht aus“, sagt ADAC-Pressesprecher Leon Müller.

Dieser Artikel erschien erstmals am 6. Januar 2024. Wir haben ihn aufgrund des aktuellen Falls erneut veröffentlicht.

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