Neubaugebiete für „Menschen mit mehr Geld“: Warum handelt die SPD in Wickede so unsozial?

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Neubaugebiete für „Menschen mit mehr Geld“: Warum handelt die SPD in Wickede so unsozial?

rnWohnen in Dortmund

In Wickede möchte die SPD wohlhabende Neubürger anlocken. Sozialwohnungen für ärmere Leute will man nicht. Negative Reaktionen sind dem Bezirksbürgermeister „egal“. Das steckt dahinter.

Wickede

, 07.11.2019, 12:57 Uhr / Lesedauer: 2 min

Eigentlich steht der Begriff „Sozial“ ja groß im Namen der SPD, doch mit dem sozialen Wohnungsbau können sich die Brackeler Sozialdemokraten derzeit nicht so recht anfreunden.

Gemeinsam mit der CDU setzten sich die Genossen in der Bezirksvertretung dafür ein, in den beiden geplanten Wickeder Neubaugebieten Pleckenbrink und Wickede-West keine Sozialwohnungen zu bauen.

Und das, obwohl Mietpreisbremse und bezahlbarer Wohnraum bei der SPD im Bund ganz oben auf der Agenda stehen. Und vor dem Hintergrund, dass jeder zweite Dortmunder Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hat.

„Das ist kein leichter Spagat – auch für mich nicht“, beschreibt SPD-Bezirksbürgermeister Karl-Heinz Czierpka seine Gefühlslage. Aber gerade in Wickede bestehe nun mal Handlungsbedarf: „Unser Problem ist, dass wir nicht nur geografisch, sondern auch sozial am Ende des Stadtbezirks liegen.“

Geringe Kaufkraft in Wickede

Auch wenn es in Bereichen wie Schule oder Grünflächen positive Entwicklungen gegeben habe, sei Wickede von allen Ortschaften am Hellweg am schlechtesten gestellt – gerade bei der Kaufkraft: „Die fällt von Wambel bis Wickede deutlich ab. Und wir können die Kaufleute nur dann halten, wenn sie gut verkaufen.“

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Um das künftig zu gewährleisten, streben der Bezirksbürgermeister und seine Parteifreunde in der BV eine Änderung der Bevölkerungsstruktur an: „Und wenn es überhaupt eine Möglichkeit dazu gibt, dann über eine Bebauung für Menschen mit mehr Geld und attraktive Wohnungen. Das ist die einzige Stellschraube.“

Das hört sich zwar wenig sozialdemokratisch an, doch für Czierpka zählen letztlich die Ergebnisse: „Da ist es mir egal, wie es von außen aussieht. Wichtig ist, dass es für den Ort gut ist.

Ungleichgewicht in allen Bereichen

Denn momentan ziehe sich das soziale Ungleichgewicht quer durch alle Bereiche, sagt Czierpka und erzählt von Vereinen, die uneigennützig auf die Beiträge ärmerer Mitglieder verzichten oder von Schulfesten, die nur dank Spenden stattfinden können.

In anderen Bereich seines Stadtbezirks plädiert Czierpka durchaus für eine hohe Quote an Sozialwohnungen, „aber in Wickede müssen wir etwas tun, sonst fällt es noch weiter ab“. Dass es Probleme bei der Vermarktung der Immobilien an solvente Käufer oder Mieter geben könnte, glaubt er indes nicht: „Die Leute suchen doch nach Flächen.“

Östlich des Pleckenbrinks, unter anderem auf dem ehemals vom SV Dortmund 82 genutzten Sportplatz, sollen insgesamt 130 Wohnungen gebaut werden.

Östlich des Pleckenbrinks, unter anderem auf dem ehemals vom SV Dortmund 82 genutzten Sportplatz, sollen insgesamt 130 Wohnungen gebaut werden. © Michael Schuh

Und wie wird der treue SPD-Wähler wohl die Pläne der Brackeler Sozialdemokraten beurteilen? „Ich rechne damit, dass die Menschen nachdenken können“, sagt der Bezirksbürgermeister. „Letztendlich kann man nur hoffen, dass die Intelligenz siegt.“

Gegenwind von den Grünen

Gegenwind bekommen SPD und CDU allerdings von den Grünen, die, so die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Heide Kröger-Brenner, auch in den geplanten Wickeder Neubaugebieten eine Sozialwohnungsquote fordern: „25 Prozent sollten es schon sein. Denn gerade kleine und günstige Wohnungen sind zurzeit sehr gefragt.“

Dass der Handel vor Ort bei weniger sozialem Wohnraum einen Aufschwung erleben würde, kann sich Kröger-Brenner nicht vorstellen: „Discounter, wie zum Beispiel Netto, werden doch eher von Menschen mit weniger Geld aufgesucht. Und die Gutverdiener setzen sich in ihren SUV und fahren in die City.“ Und die kleineren Händler am Hellweg hätten so oder so zu kämpfen: „Zum Beispiel durch den Onlinehandel.“

Andere Sozialdemokraten reagieren mit Unverständnis

Ob der Ausschuss für Stadtentwicklung nicht intelligent genug ist, um die Haltung der Brackeler Genossen zu verstehen, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall war in dem Gremium am Mittwoch (6.11.) das Unverständnis groß.

Man stellte klipp und klar fest, dass 25 Prozent der Neubau-Wohnungen für öffentlich geförderte Wohnungen reserviert werden – so, wie es der Rat im Grundsatz beschlossen hat. Das sahen ausdrücklich auch die SPD-Vertreter im Ausschuss so. Der Wunsch der Bezirksvertretung wurde abgelehnt. „Da eine klare Linie zu fahren, ist wichtig“, sagte Planungsdezernent Ludger Wilde.

Dortmunds SPD-Parteichefin Nadja Lüders sagte gegenüber unserer Redaktion: „Die Bezirksvertreter in Brackel mögen gute Beweggründe haben, aber das sind nicht meine. Es gibt auch einen Parteitagsbeschluss: Wir haben 25 Prozent stadtweit beschlossen.“

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