
© Felix Guth
Netflix ruiniert die Dortmunder Kinos nicht - sondern hilft ihnen
Filme
Streamingdienste haben rasant an Beliebtheit gewonnen – kaum jemand, der Netflix und Co. nicht nutzt. Konkurrenz für die Kinos, möchte man meinen. Falsch! Warum Netflix mehr nützt als schadet.
In den vergangenen Wochen war Martin Scorseses neuer Film „The Irishman“ in aller Munde. Die Besonderheit: Der Meister-Regisseur hat das Mafia-Epos mit Al Pacino, Robert De Niro und anderen Stars im Auftrag des Streamingdienstes Netflix produziert. Also eigentlich nicht zuerst fürs Kino – und trotzdem nutzt diese Entwicklung Kinobetreibern in Dortmund.
Im Kino Schauburg an der unteren Brückstraße waren die dreieinhalb Stunden Scorsese auf der großen Leinwand zu sehen. Für zwei Wochen und nur im Originalton mit deutschen Untertiteln gibt Netflix seit 2018 selbst produzierte Filme für Kinos nämlich frei – vor allem, um damit im Rennen um Filmpreise mitmachen zu dürfen. Denn dafür ist eine Kinopräsenz eine Voraussetzung.
In der Schauburg sind die Netflix-Vorstellungen gut gefüllt
Schauburg-Programmgestalter Erwin Rajkovcanin lässt sich gern darauf ein. Er findet: „So etwas wie Scorseses Film oder auch ,Die zwei Päpste‘ mit Anthony Hopkins, der gerade läuft, ist ideal für unser Programm.“
„Die Vorstellungen waren gut gefüllt“, sagt Rajkovcanin. „Und wenn die großen Ketten Netflix boykottieren, ist es umso besser für uns.“ Denn im Dortmunder Cinestar, das Teil der deutschlandweit größten Kette ist, sind Netflix-Filme nicht zu sehen.
Im Hintergrund schwelt ein grundsätzlicher Konflikt zwischen großen Kinoketten und dem Internet-Riesen. Netflix und andere Anbieter wie Apple oder Amazon verändern gerade die Spielregeln.
Ihre Filme laufen nämlich gleichzeitig im Internet und Kino. Die klassische Verwertungskette vom Kino-Erststart bis zur DVD wird damit durchbrochen.
Etablierte Filmverleiher und Kino-Ketten wollen sich den Regeln der neuen Mitspieler bisher nicht anpassen. Unabhängigen Kinos wie „Schauburg“, „Roxy“, „Camera“ oder „Postkutsche“ hilft das.
Ein neues Publikum kommt ins Kino
„Die Branche jammert immer, dass dem Kino die Jugend fehlt. Netflix ist das Portal, wo Menschen bis 25 gucken“, sagt Erwin Rajkovcanin. Seine Erfahrung: Solche Angebote wie „The Irishman“ oder „Die zwei Päpste“ ziehen Leute in die Schauburg, die vorher noch nicht dort waren – und danach gerne wiederkommen.
Holga Rosen, Betreiber des „Roxy“ an der Münsterstraße, sagt: „Wenn wir Platz haben und gute Filme zu bekommen sind, spielen wir sie natürlich.“ Ein Publikum für die Filme der Internet-Anbieter auch im Kino gebe es definitiv.
„Da wird noch das ein oder andere in den nächsten Jahren kommen. Am Ende geht es darum, ob ein Film gut genug für die Leinwand ist. Und nicht um die Politik dahinter“, sagt Holga Rosen.
Für die große Euphorie ist es noch zu früh
Und das ganze geht noch weiter: Es gibt die ersten Kinobetreiber, die vermelden, dass sie an Netflix-Filmen mehr Geld verdienen als im klassischen Modell. Ein Grund dafür: Netflix überlässt den Betreibern mehr Geld pro Ticket (65 Prozent) als etwa Sony oder Disney (je 47 Prozent).
Aus Dortmunder Sicht taugt die Entwicklung aber noch nicht für die ganz große Euphorie. Erwin Rajkovcanin sagt: „Dafür verfahren noch zu viele nach dem alten Standard.“
Die Dortmunder Kinolandschaft bleibt weiterhin im Wandel
Die Straßen Dortmunds waren in den 50er- und 60er-Jahren gesäumt von Lichtspielhäusern. Veränderte Konsumgewohnheiten haben dieses Bild über die Jahrzehnte verändert.
Geblieben ist das Cinestar am Hauptbahnhof als Anker für den Mainstream. Und es gibt eine Reihe von Enthusiasten und Filmliebhabern, für die das Geschäft mit Programmkinos funktioniert.
Ein regelmäßiges Programm für das Kino im U hingegen, im Juni 2018 von einem Verein an die Stadt Dortmund abgegeben, suchen die Dortmunder vergeblich. Der 2012 gebaute Kinosaal wird nur unregelmäßig bei Veranstaltungen im Dortmunder U genutzt.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
