Die Kino-Kette Cinestar steckt im Tarif-Streit mit Verdi. In Dortmund ist die Situation besonders pikant. Mitarbeiter-Vertreter sprechen von „Angst“.
Vorhang auf, Film ab – sollte es heißen. Doch derzeit ist im Cinestar hinter dem Dortmunder Hauptbahnhof stets damit zu rechnen, dass sich der Vorhang nicht öffnet. Denn hinter den Kulissen spielt sich ein eine Menge ab.
Jederzeit kann es zum Streik der Belegschaft kommen. Und das seit März. Grund ist ein bundesweiter Tarif-Streit der Gewerkschaft Verdi mit dem Kinobetreiber. Es geht um mehr Lohn. Im Februar lief der Tarifvertrag aus. Derzeit werden nach Verdi-Angaben 9,19 Euro pro Stunde gezahlt – Mindestlohn. Verdi fordert 11 Euro. Der Kino-Betreiber biete bisher eine Steigerung um lediglich 16 Cent an, in zwei Stufen. Im Dortmunder Kino nimmt die Tarifauseinandersetzung inzwischen besondere Züge an.
„Eskalationsstufe“ in Dortmund besonders hoch
Normalerweise ist Sven Hennig im Dortmunder Kino für allerlei verschiedene Dinge zuständig: Er sitzt an der Kinokasse, kontrolliert den Einlass, verkauft Popcorn. Der 25-Jährige ist Service-Mitarbeiter. Doch immer häufiger kommt es vor, dass er das große, gläserne Gebäude gar nicht nicht erst betritt – oder betreten darf.
Hennig ist Leiter der Streiks im Dortmunder Kino. „Wir haben momentan 61 Mitarbeiter. 48 bis 50 davon beteiligen sich an den Streiks“, erklärt er. Gegen die wehrt sich der Kinobetreiber, CMS Cinema Management Services: Das Kino spricht sogenannte Aussperrungen aus. „Bei uns in Dortmund ist die Eskalationsstufe weiter als bei den anderen Kinos“, sagt Hennig deshalb.

Beim Besuch der Homepage des Kinos ploppt direkt der nicht zu übersehende Hinweis auf, dass es jederzeit zu EInschränkungen durch Streiks kommen könne. © Screenshot: Wilco Ruhland
Aussperrungen sind sozusagen ein Streik des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern. Die dürfen an bestimmten Tagen nicht zur Arbeit kommen oder das Gebäude betreten. „In dieser Zeit gibt es auch keinen Lohn“, erklärt Hennig. Das sei ist ein legitimes Mittel, sagt Holm-Andreas Sieradzki, der die bundesweiten Verhandlungen für Verdi führt: „Unser Kampfmittel, wie man so schön sagt, ist der Streik. Die Aussperrung das des Arbeitgebers.“
Die Angst macht sich unter den Mitarbeitern breit
Der Kino-Betreiber wird bei dieser Methode jedoch immer drastischer – sagen zumindest die Mitarbeiter: „Zu Beginn wurden die Aussperrungen gegen einen Mitarbeiter für die gleiche Dauer ausgesprochen, die er streikte“, sagt Sven Hennig. Dann dauerten die Aussperrungen länger. Hennig: „Mittlerweile werden Aussperrungen unbefristet ausgesprochen, ohne, dass es zu einem Streikaufruf kam“, erklärt er. Es habe schon Fälle von bis zu einer Woche Aussperrung gegeben. „Da hat sich die Angst beim Personal am Anfang ein bisschen breit gemacht“, meint Hennig.
Geschäftsleitung von Cinestar verteidigt das Vorgehen
Verdi ging gegen die unbefristeten Aussperrung, die es schon im Kino Gütersloh gegeben hatte, juristisch vor. Die Geschäftsleitung von Cinestar verteidigt ihr Vorgehen und teilt mit: „Die Anträge der Gewerkschaft Verdi, mit welchen untersagt werden sollte, dass Cinestar im Rahmen des Arbeitskampfes streikende Mitarbeiter aussperrt, wurden vollumfänglich zurückgewiesen. Insofern gibt es aus unserer Sicht keinen Zweifel daran, dass die Aussperrungen in Anbetracht des massiven Streikaufkommens rechtmäßig sind.“
Sieradzki sieht die Zurückweisung jedoch so, dass noch vor der Verhandlung die Aussperrungen zurückgezogen wurden und das rechtliche Vorgehen der Gewerkschaft somit ins Leere lief.
Kino nimmt dem Streik den Wind aus den Segeln
In Dortmund geht es jedoch nicht mehr nur um Streik und Aussperrungen: Das hiessige Kino arbeite mit einer Firma zusammen, die Ersatzpersonal stellt, berichtet Hennig. Diese Arbeiter kämen jeden Tag und säßen dann „irgendwo oben bei der Theaterleitung, für den Fall der Fälle“, so der 25-Jährige.
„Das ist ein beschissenes Gefühl“, sagt Hennig klipp und klar. Denn selbst, wenn nicht genug Zeitarbeiter vor Ort seien, um alle Ausfälle auszugleichen: Der Betrieb laufe weiter. Zumindest eingeschränkt.
Vorschlag vom Kino für Verdi „nicht annehmbar“
Die Verhandlungen stecken fest. „Da muss Bewegung von Arbeitgeberseite kommen“, sagt Verdi-Verhandlungsführer Sieradzki. Verdi habe Cinestar dazu aufgefordert, ein neues Angebot zu machen. Cinestar-Geschäftsführer Oliver Forck sagt gegenüber dieser Redaktion dagegen: „Hinsichtlich der Tarifverhandlungen lässt sich sagen, dass seit Wochen der Ball im Feld der Verdi liegt.“
Bundeskartellamt prüft Fusion
Das Handeln des Kino-Betreibers hält Sieradzki für Taktik. Derzeit nämlich wolle der britische Konkurrent Vue Entertainment die Cinestar-Kette übernehmen. Vue ist der Betreiber der Cinemaxx-Kinos. „Die Nummer zwei hat quasi die Nummer eins gekauft“, meint Sieradzki. Der eigentliche Kauf fand bereits im vergangenen Oktober statt. Derzeit wird die Fusion noch vom Bundeskartellamt geprüft. Jüngst wurde die Frist verlängert.
Kartellamt: Prüfung ist ein normaler Vorgang
Aus Mitarbeiter-Sicht könne die Prüfung gar nicht schnell genug gehen. Die Vermutung der Gewerkschaft: Der jetzige Noch-Betreiber wolle die Tarifverhandlungen aussitzen, bis die Fusion vollzogen ist.
Kay Weidner, Sprecher des Bundeskartellamts, erklärt das Vorgehen so: „Es geht einfach darum zu prüfen, ob der Wettbewerb behindert wird.“ Dies sei ein normaler Vorgang. Warum die Frist in diesem Fall verlängert wurde, konnte er nicht sagen, „aber das passiert immer im Einvernehmen. Wir erlegen das nicht auf“, sagt er.
Gewerkschaftsvertreter Sieradzki und Streikleiter Hennig befürchten, dass sich das Drama noch bis in den Herbst hinziehen könnte.
Baujahr 1993, gebürtig aus Hamm. Nach dem Germanistik- und Geschichtsstudium in Düsseldorf und dem Volontariat bei Lensing Media in der Stadtredaktion Dortmund gelandet. Eine gesunde Portion Neugier und die Begeisterung zum Spiel mit Worten führten zum Journalismus.
