Für Eltern aus Dortmund war es alles andere als eine Überraschung, was die Pisa-Studie jüngst zutage brachte: Demnach haben Schüler in Deutschland eklatante Schwächen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft sowie in der Leseförderung.
Linda Wichmann kennt die Probleme im Bildungssystem. Die Elternvertreterin der Gilden-Europa-Grundschule in Huckarde sehe das Problem indes nicht bei den Lehrkräften, wie sie betont: „Hier die Schule macht das gut, die Leitung muss man loben“, so Wichmann. „Das A und O sind engagierte Lehrer und Eltern, die sich für die Kinder einsetzen.“
Aber dafür brauche es wiederum „weniger Bürokratie“, so Wichmann. „Sonst verlieren auch irgendwann die engagierten Eltern und Lehrer ihre Luft.“ Die Mutter erwähnt etwa hohe Hürden, als es um die Anschaffung von Tablets ging: „Meiner Meinung nach ist der hohe Bürokratieaufwand ein Hauptknackpunkt.“

Mit dieser Einschätzung steht sie nicht allein: „Wir haben gemerkt, was für ein Bürokratiemonster es ist“, sagt Muhammet Kenanoglu, ebenso im Elternbeirat der Gilden-Schule. „Das erklärt die Ergebnisse der Pisa-Studie nicht in Gänze.“ Von Kompetenzdefiziten hörte Kenanoglu regelmäßig: „In einigen Lehrergesprächen heißt es, dass die Kinder im vierten Jahrgang noch nicht lesen können.“
Frage von sozialer Herkunft
Diese Schwäche führe wiederum zu Problemen der Schüler in anderen Fächern, wie Wichmann ergänzt: „Wenn Schüler keine ganzen Sätze verstehen können, klappt es auch nicht, Matheaufgaben zu verstehen.“
Beide wollen aber auch nicht unerwähnt lassen, worauf die Pisa-Ergebnisse zurückzuführen sind: auf die soziale Herkunft, die über den Bildungswerdegang entscheidet. Kinder aus Arbeiterfamilien, zum Teil verbunden mit einer Einwanderungsgeschichte, hätten demnach oft schlechtere Chancen auf eine hohe Qualifikation.
"Es geht um Chancengleichheit"
„Hier bleiben die Schwachen auf der Strecke“, sagt Wichmann. Und Kenanoglu formuliert es noch grundsätzlicher: „Wenn wir im Grundgesetz verankert haben, dass Bildung für alle gilt, dann sollten wir uns daran halten“, meint der Vater. „Die Jüngeren in der Nordstadt fragen sich, welche Chancen sie überhaupt noch haben. Aber es geht um Chancengleichheit für alle, egal, ob in Aplerbeck oder in der Nordstadt.“

Kenanoglu erwähnt in dieser Hinsicht ein Beispiel, von dem er mitbekommen habe: In Aplerbeck seien die Schäden in einer Turnhalle nach drei Monaten behoben. Bei einer Nordstadt-Turnhalle habe es dagegen drei Jahre gedauert, bis die Schüler eine reparierte Turnhalle vorgefunden hätten.
Wer den Eltern zuhört, bekommt schnell den Eindruck, dass sich die soziale Ungleichheit wiederum nicht von bürokratischen Hürden sowie dem Personalmangel trennen lasse. „Wenn das Schulamt unterbesetzt ist, schauen sie, wer am meisten Druck macht“, erklärt Peter Eckhardt, dessen Kind ebenso zur Gilden-Schule geht. Er meint: „Da sind Akademikereltern im Vorteil.“
„Lehrkräfte sind überlastet"
Nushin Hosseini-Eckhardt engagiert sich nicht nur im Elternbeirat, sondern ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik der TU Dortmund. Durch ihre Tätigkeit erhält sie einen Einblick in die Lehrerausbildung. Sie berichtet, dass mittlerweile viele Studierende von Schulen abgeworben werden. „Die Lehrkräfte sind überlastet, wir brauchen mehr“, so Hosseini-Eckhardt. „Sie jonglieren mittlerweile, wie sie die Ausfälle ausgleichen.“
Trotzdem gehe es ihr ebenso um eine Bestandsaufnahme der deutschen Bildungslandschaft: „Die Pisa-Studie hat deutlich gemacht, dass die soziale Benachteiligung durch das dreigliedrige Schulsystem reproduziert wird“, meint die Mutter. „Wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, müssen wir schauen, wo die sozioökonomische Benachteiligung groß ist.“
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