
© Dieter Menne (Archiv)
Warum muslimische Männer oft schlecht integriert sind – Dortmunder Pädogoge provoziert mit Thesen
Stadt- und Landesbibilothek
Jungen aus muslimischen Familien gelten als schwer integrierbar. Der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak hat die Gründe analysiert und nun in der Stadtbibliothek vorgestellt.
Der Titel seines Buches klinge provokant, meint Prof. Dr. Ahmet Toprak, er passe aber zur Statistik. Und die sagt, dass Jungs aus türkischen oder arabischen Familien häufiger als andere ohne Job sind und durch Gewalt auffallen.
„Muslimisch, männlich, desintegriert“ heißt das Werk des Dortmunder Erziehungswissenschaftlers, der seine Thesen zu Bildungsmisere und Rollenmodellen am Freitag in der Stadt- und Landesbibliothek vorstellte.
Ahmet Toprak ist ein Kind kurdisch-alevitischer Eltern, aufgewachsen in Köln, selbst ein Muster geglückter Integration. Sein Blick ist der eines Forschers, der empirische Fakten erhebt und auswertet.
Früherer-Anti-Gewalt-Trainer
Stimmungsmache liegt ihm fern. Toprak forscht nach Ursachen, um Lösungswege aufzuzeigen - für Lehrer, Sozialarbeiter, Psychologen oder Anti-Gewalt-Trainer, wie er selber einer war, damals in München, wie er erzählt.
Die Pisa-Studie von 2016 zeige, dass junge, muslimische Männer aus deutschen Großstädten die Verlierer bei Bildung und Integration seien, so Toprak.
Fünf Thesen vorgestellt
Eine Folge von Diskriminierung? Nein, sagt Ahmet Toprak: Türkische Mädchen machten häufiger das Abitur als Jungs, obwohl sie durch ein Kopftuch oft stärkeren Ressentiments ausgesetzt seien.
Es muss andere Grunde als Ausgrenzung oder Rassismus geben. Was also führt zum schulischen und beruflichen Scheitern vieler türkisch- und arabischstämmiger Jungs?
Dazu hatte Toprak fünf Thesen parat, die er einem Publikum von über hundert Zuhörern präsentierte, die später noch für eine muntere Fragerunde sorgten.
Erziehungsmuster aus Anatolien
Ein Faktor sei die Art der Erziehung vieler Jungs, die im Kern noch dem tradierten patriarchalischen Muster aus Anatolien folge. Jungs genössen mehr Freiheiten, bekämen weniger Grenzen gesetzt als Mädchen.
Ihre klassische Rolle sei die des Beschützers und Ernährers, Attribute wie Stärke und eine gewisse Aggressivität seien durchaus erwünscht, weiß Toprak.
Mädchen blieben im Haus und würden von Müttern auf Fleiß und schnelles, zielstrebiges Arbeiten getrimmt, Eigenschaften, die ihnen in der Schule zum Vorteil gereichen.
Mädchen sind erfolgreicher
Diese Töchter sind angepasster, arbeiten konzentrierter, lassen sich besser anleiten. Das mache sie an der Schule oft erfolgreicher als ihre Brüder, resümiert Ahmet Toprak.
Der schwarze Peter für die Probleme der Jungs geht aber nicht nur an deren Eltern, stellt Toprak klar. Deutschland erschwere vielen Moslems die emotionale, „identifikatorische“ Integration, was sogar er als Professor spüre.
Flapsig gesagt: Wer im Moslem immer bloß den Müllmann und Straßenkehrer sehe, könne nicht erwarten, dass der sich akzeptiert fühle.
Nur Bildungslücken produziert
Dann kommt Toprak auf eine Integrationssünde zu sprechen, der eine Fehleinschätzung zugrunde lag. Bis in die 90er-Jahre gab es sogenannte „Vorbereitungsklassen“, wo Kinder muttersprachlich unterrichtet wurden.
Deren Ziel: Vorbereitung auf die Heimkehr in die Türkei. Ahmet Toprak hat in Köln solch einen Unterricht besucht: „Da wurden die Osmanen über den grünen Klee gelobt, sonst aber nur Bildungslücken produziert.“
Jungen werden überfordert
Unrealistische Erwartungen der Eltern überfordern muslimische Jungen. Man erwarte tolle Jobs von ihnen, gleichzeitig wüssten die Eltern nicht, wie das deutsche Schulsystem funktioniert.
Eltern und Schule sollten Verbündete sein, meist aber wiesen sie sich gegenseitig die Schuld an schlechten Noten zu, hat Toprak beobachtet.
Ein anregender Vortrag zu einem komplexen Thema. Topraks Fazit: Wir müssen diesen Jungs Perspektiven geben, sonst drohen Verhältnisse wie in der Pariser Vorstadt. Dass dies leichter gesagt als getan ist, weiß Toprak. Er jedenfalls bringt sich ein in die Zukunftsaufgabe Integration.