1982, als zwischen Dortmund und der russischen Stadt Rostow am Don eine Städtepartnerschaft entstand, war der Dortmunder Klaus Henter Teil der Delegation. Aus einem offiziellen Besuch wurde schnell Freundschaft. Eine Freundschaft, die über die Jahrzehnte hielt. Eine Freundschaft, an der auch ein Angriff Russlands auf die Ukraine nichts ändern konnte.
„Ich war so gut wie alle zwei Jahre zu Besuch in Rostow am Don“, erzählt Henter an diesem Samstagnachmittag. Die Nachricht, dass die gefürchtete Söldnertruppe Wagner sich gegen Russland gewandt und in Rostow einmarschiert ist, ist da erst wenige Stunden alt. Gebannt verfolge er, was in der Stadt passiere. „Ich mache mir große Sorgen“, sagt er.
Etwas beruhigen konnte ihn ein Telefonat, das er mit seinem Freund in Rostow geführt hat, nachdem er von dem Einmarsch erfahren hatte. „Der Freund berichtete, es sei alles ruhig“, sagt Henter, doch etwas Zweifel klingt in seiner Stimme durch.
Er sei sich unsicher, inwieweit ihm am Telefon immer alles erzählt werde. Der Freund habe berichtet, dass auch bei dessen Sohn, der mehr im Zentrum wohne, alles in Ordnung sei.

Den Kontakt nach Rostow hat Henter nie abreißen lassen. Auch nach dem Überfall auf die Ukraine hielt der Dortmunder an den Menschen dort fest. In einem früheren Gespräch betonte er, dass diese ja nicht schlecht seien, nur weil sie in einem Land lebten, das Unrecht zu verantworten habe.
Alle 14 Tage komme eine E-Mail, oder er schicke eine. Die lange gewachsene Freundschaft sei trotz des Krieges intakt. Politik sei in diesen E-Mails kein Thema. Es werde berichtet, wie es der Familie geht, den Enkeln. „Sprechen Sie mit ihren Freunden immer über Politik?“
Die einst begründete Städtepartnerschaft zwischen Dortmund und Rostow am Don liegt aktuell auf Eis. „Der Ratsbeschluss damals hat mir schon wehgetan“, sagt Henter. Freunden helfe man doch in der Not, auch wenn es nur in Gedanken sei.
Wer ihn erzählen hört, kann diesen Schmerz nachempfinden. Henter schwärmt von der Partnerschaft, die auch immer eine sportliche war. Er, der sich beim SV Derne engagiert, erinnert sich an einen Besuch einer 20-köpfigen Gruppe in Dortmund. Alle waren privat untergebracht. Da entstanden großartige Freundschaften.
Henter hoffte am Samstagnachmittag, dass sich nach den dramatischen Ereignissen des Wochenendes die Lage für die Menschen in Rostow wieder beruhigt. Henter: „Es tut mir unendlich weh zu sehen, was dort passiert.“
Die Entwicklung am Samstagabend sorgte dann für Erleichterung. Die Wagner-Gruppe brach ihren Marsch auf Moskau ab und zog sich in ihre Feldlager zurück. Auch aus Rostow am Don zogen die Kämpfer ab.
Dieser Artikel ist am Sonntag (25.6.) aufgrund aktueller Entwicklungen aktualisiert worden.
In Russland ist ein Konflikt zwischen der Söldnertruppe Wagner um Jewgeni Prigoschin und der russischen Militärführung eskaliert.
Die Söldnern kämpften eigentlich auf russischer Seite gegen die Ukraine, haben sich aber nun gegen Russland gewandt. Die russische Militärführung habe die Söldner verraten. Putin seinerseits wirft den Söldnern Verrat vor.
Experten gehen von einem Putsch-Versuch gegen das russische Regime aus. Russlands Präsident Putin kündigte an, die Aufständischen zu bekämpfen.
Am Abend die Kehrtwende. Es hieß, Prigoschin wolle Blutvergießen vermeiden, sein Vormarsch auf Moskau hatte er gestoppt (Stand: Samstag, 24. Juni 2023, 21 Uhr)
Machtkampf in Russland: Wagner-Chef will Vormarsch stoppen – Entwicklungen im Liveblog
Eskalation in Dortmunds Partnerstadt: Konflikt zwischen Wagner-Söldner und Russland in Rostow am Don
Streit um „Saufbrüderschaft“ - Henter: „Werde meine Freunde nicht fallen lassen“
Ex-Bürgermeister Sauer: Städtepartnerschaft ist zur Saufbrüderschaft verkommen