Zwei Schüsse fallen am 10. Dezember 2020 vor einem Wohnhaus in Ahlen. Beide gelten Thomas A.. Einer davon ist tödlich. Der Täter wurde nie gefasst. Es ist ein „Cold Case“, ein ungeklärter Kriminalfall.
Doch jetzt, drei Jahre später, hat die eingesetzte Mordkommission am Dienstag (4.7.) Wohnungen und Restaurants durchsucht – auch in Dortmund. Dort führt die Spur an den Phoenix-See, wo die Gastronomien am Mittwochmittag geschlossen sind. Ein Mann wurde festgenommen. Der 44-Jährige wohnt selbst in Ahlen, ist Juwelier und Gastronom.
Ihm wird Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Der Beschuldigte wollte sich bislang nicht zu den Vorwürfen äußern. Über die Tat selbst hatte die ZDF-Fahndungssendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ im November 2021 ausführlich berichtet.
Opfer war „netter Kerl“
Demnach war das Opfer Thomas A. ein geschätztes Mitglied seiner syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Ahlen, Familienmensch und beliebter Kollege. Der 34-Jährige arbeitete in einem Burger-Restaurant. Zuvor hatte er sich im Goldhandel versucht, ging jedoch mit dem Geschäft pleite und häufte 60.000 Euro Schulden an.
In der Kriminalsendung sagt das ZDF, dass Thomas A. einen Teil der Schulden bereits zurückgezahlt habe. Seine Eltern seien einst aus der Türkei nach Deutschland ausgewandert. Als einen „netten Kerl, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann“, wird der stark übergewichtige Mann in „Aktenzeichen XY“ beschrieben.
Die Eltern besitzen ein Mehrfamilienhaus in einem Industriegebiet von Ahlen. In den vier Wohnungen leben neben dem Paar noch zwei Schwestern sowie Thomas A. Später wird die leitende Ermittlerin sagen, dass nicht nur die Kaltblütigkeit, mit der die Tat ausgeführt wurde, erschreckend sei – sondern auch, dass sie ausgerechnet vor der Haustür geschah.
Erster Schuss ging ins Bein
Am 10. Dezember 2020, einem Donnerstag, macht sich Thomas A. gegen Mittag auf den Weg zur Arbeit. Das Burger-Restaurant verlässt er erst wieder gegen 21.25 Uhr – als Letzter, nachdem er die Abrechnung gemacht hat. Die Tageseinnahmen von knapp 1900 Euro nimmt er mit.
Mit seinem Auto fährt er noch zu einer Pizzeria, holt sich Abendessen. Um 21.57 Uhr macht er sich auf den Weg nach Hause in die Theodor-Schwarte-Straße. Überwachungskameras aus dem Industriegebiet filmen einen weißen SUV, der eine Minute vor Thomas A. durch seine Straße fährt.
Um 22.03 Uhr parkt der 34-Jährige vor dem Haus der Familie und steigt aus. In der Sendung wird die Tat von Schauspielern nachgestellt: Von hinten nähert sich ein maskierter Mensch mit einer Pistole, als sich Thomas A. umdreht, schießt er ihm ins Bein. Das Opfer sackt auf die Knie, dann schießt ihm der Täter in den Kopf.

„Eiskalter Angriff“
Die Eltern sitzen im Wohnzimmer und hören die Schüsse, laufen zum Fenster, sehen, dass ihr Sohn neben der geöffneten Autotür auf dem Asphalt liegt. Sie rennen nach draußen. Da kommen zwei Arbeiter vorbei, die gerade Feierabend haben. Während sie versuchen, das Opfer wiederzubeleben, wählt der Vater den Notruf. Doch es ist zu spät. Thomas A. stirbt durch einen Schuss in den Kopf.
„Es ist wirklich unfassbar“, sagt „Aktenzeichen XY“-Moderator Rudi Cerne. „Ein eiskalter gezielter Angriff mit tödlichem Ausgang.“ Er interviewt in der Sendung Julika Böhlendorf von der Kriminalpolizei Münster zu dem Fall. „Wir gehen hier von einem persönlichen Motiv aus“, sagt die Leiterin der Mordkommission. Das Geld, sein Portemonnaie und das Mobiltelefon fand man noch bei Thomas A., deshalb scheide ein Raubmord aus.
„Ob die Tat zusammenhängt mit seiner unternehmerischen Tätigkeit als Juwelier oder ob es Konflikte im privaten Bereich gegeben haben könnte, konnte nicht abschließend geklärt werden“, sagt Julika Böhlendorf vor der Kamera. Auf einer Karte zeigt sie den letzten Weg, den das Opfer mit dem Auto am Tattag nahm, und bittet Zuschauer um Hinweise.
Hohe Belohnung ausgesetzt
Die ausgesetzte Belohnung ist außerordentlich hoch: Insgesamt 55.000 Euro sollten Informanten für Hinweise, die zur Ermittlung des Täters führen, erhalten – das gilt bis heute. 50.000 Euro davon hatte die Familie A. bereits im März 2021 zur Verfügung gestellt, weitere 5000 Euro stammten von der Staatsanwaltschaft Münster.
Warum der 34-Jährige in dieser Nacht so kaltblütig ermordet wurde und von wem, ist noch immer unklar. Auf die Spur des jetzt festgenommenen Gastronomen kamen die Ermittler, weil zwei Menschen gegen ihn aussagten. Der 44-Jährige soll 2020 in Ahlen und Hamm versucht haben, sie zu dem Mord an Thomas A. zu überreden. Das hätten sie abgelehnt.
Bei den Durchsuchungen beschlagnahmte die Polizei am Dienstag mehrere Beweismittel. Gegen die Festnahme habe der Beschuldigte keinen Widerstand geleistet, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Polizei und Staatsanwaltschaft Münster.
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