Der Auszug des Clubs „Rekorder“ aus der Feldherrnstraße 41-45 hätte auch so geräuschlos verlaufen können wie viele andere in der Dortmunder Nordstadt. Lief er aber nicht. Denn es geht um einen Ort, der in zehn Jahren bei vielen Menschen Spuren hinterlassen hat.
Viele Gerüchte
Der Vermieter hatte - fristgerecht - gekündigt, ohne Angabe von Gründen. Anfang März lief die letzte Party. Nach vielen Tränen ist der „Rekorder“ seitdem raus. Am Haus erinnert nichts mehr an die Party-Location. Das Schild ist weg, die heruntergelassenen Jalousien sind komplett schwarz besprüht.
Freie Sicht also auf ein außergewöhnliches Nordstadt-Gebäude, direkt am Blücherpark. Um das sich – nicht erst seit dem „Rekorder“-Auszug – immer wieder Gerüchte ranken. Abriss und Neubau? Austausch von Mietern? Ein neuer Standort für einen Supermarkt in diesem Teil der Nordstadt? Vieles ist im Umlauf.
Widerspruch gegen negatives Bild
Manches davon, so viel schon an dieser Stelle, bestätigt der zuständige Hausverwalter Lothar Nau auf Anfrage dieser Redaktion. Doch er stellt sich zugleich entschieden gegen das negative Bild, das einige vom Eigentümer zeichnen.
Das Haus hat eine komplexe Struktur. Ein durch mehrere Videokameras überwachter Eingang liegt an der Feldherrnstraße, über die sich das Haus auf knapp 250 Meter Länge erstreckt. Im Erdgeschoss befinden sich Ladenlokale: ein türkischer Lebensmittelmarkt, ein Kiosk, ein Café und eine bereits leer gezogene Eisdiele. Darüber sind Wohnungen, die zum Teil über zwei Etagen gehen.
Allen Ladenlokalen gekündigt
Allen Ladenlokalen in dem Eckgebäude ist gekündigt worden, wie Lothar Nau bestätigt. Zwei davon dürfen nach Verhandlungen noch ein Jahr bleiben, so der Hausverwalter.
Bei einem Besuch vor Ort genügt ein kurzer Blick auf die Klingelschilder, um von einem Mann angesprochen zu werden, der sich offenbar um das Haus kümmert.
Nach kurzem Austausch über den Grund des Besuchs zeigt er in Richtung des ehemaligen „Rekorder“-Eingangs zur Gneisenaustraße. Darüber befinden sich zwei Wohnungen.
Mieterin beklagt Mängel
Maria G. (62) ist Mieterin in einer dieser Wohnungen. Sie setzt sich seit 2021 gegen Vorgänge im Haus mithilfe des Mietervereins Dortmund zur Wehr. Nach negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit möchte sie ihren vollständigen Namen und ihr Gesicht nicht zeigen.

Ein Besuch in ihrer Wohnung zeigt schnell die Gründe für ihren Ärger. Die Klingel – funktioniert nur unzuverlässig. Der Türsummer – kaputt. Im Hausflur liegen Autoreifen und andere Gegenstände.
In jedem Zimmer quellen große Flecken auf den Tapeten. Ein undichtes Dach sorgt nach ihrer Auffassung für dauerhafte Feuchtigkeit in ihrer Wohnung. Ein Sachverständiger habe die Schäden bestätigt. Doch niemand reagiere darauf.
Streit um Mietminderung
Sie zeigt Briefe, in denen Vertreter der Eigentümer-Firma Estara Siebte anzweifeln, dass es Schäden gibt. Sie habe auch schon eine Kündigung im Briefkasten gehabt, die sich aber als nicht rechtens herausgestellt habe. Die Miete hat sie seit einigen Monaten um 50 Prozent gekürzt. Das wiederum hält der Vermieter für unzulässig.
Bei Hausverwalter Lothar Nau ist die Frau bekannt. Seine Formulierung des Sachverhalts lautet: „Sie versucht seit Jahren mithilfe des Mietervereins den Vermieter zu schädigen und zu quälen.“ Die Mehrheit der Mieter sei zufrieden.
Das sagt der Vermieter dazu
Es habe bisher für den Vermieter keine Gelegenheit gegeben, die Mängel selbst zu begutachten. Deshalb habe man nun eine detaillierte Auflistung angefordert.
Maria G. sieht sich nicht in der Bringschuld. „Ich gebe nicht kampflos auf“, sagt sie. Denn trotz der Probleme – sie mag die Wohnung und die Umgebung.

Für den Mieterverein gibt der wohnungspolitische Sprecher Markus Roeser an, dass es bereits seit 2013 Kontakt mit Mietern aus diesem Wohnkomplex gegeben habe. „Wir haben in dieser Zeit schon alles Mögliche an Mängeln in dem kompletten Komplex gesehen“, sagt Roeser.
Für das Nebengebäude, in dem sich die Wohnung und auch die „Rekorder-Räume“ befinden, gibt es allerdings laut Lothar Nau andere Pläne. „Es soll komplett abgerissen werden. Es ist wirtschaftlich besser, es wegzureißen und dort etwas Neues hinzusetzen“, sagt Lothar Nau.
Supermarkt-Planungen sind real
Zu einem Zeitplan möchte er sich noch nicht äußern. Die verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner würden aber rechtzeitig informiert. Der andere Gebäudeteil solle erhalten bleiben.
Maria G. erfährt am Donnerstag (25.4.) im Gespräch mit dieser Redaktion zum ersten Mal von den Abrissplänen. Ihre erste Reaktion: „Ich konnte mir so etwas natürlich denken.“ Etwas überrumpelt wirkt sie aber dennoch. „Jetzt hat er die Pflicht, dass ich so lange weiter menschenwürdig leben kann“, sagt sie.
Laut Lothar Nau könnte eine komplette Neuplanung in einer größeren Lösung münden. Er sagt: „Es gibt Überlegungen, es als Supermarkt-Fläche umzuplanen.“
Bezüglich der Kündigung des „Rekorder“ sagt Nau, er könne die Aufregung nicht ganz verstehen. „Der Vermieter muss keine Gründe angeben.“ Er verweist auf „erhebliche Sachbeschädigung“ durch Graffiti am „Rekorder“ sowie auf viele Einsätze wegen Ruhestörung.

Für Markus Roeser vom Mieterverein zeigt sich an der Diskussionen über die Mängel in der Wohnung auch allgemeine Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. „Es sind Zeiten, in denen es sich für Vermieter lohnt, wenn sie nichts tun.“ Zugleich sei der Druck bei der Wohnungssuche so hoch, dass viele sich auch mit qualitativ nicht ausreichenden Wohnungen zufriedengeben.
Lothar Nau sieht den Eigentümer in eine falsche Ecke gestellt. „Wir haben in den vergangenen Jahren über eine Million Euro investiert“, sagt er. Er zählt unter anderem den Bau einer neuen Heizungsanlage und eines Flachdachs auf.
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