Nachtleben verliert wichtigen Club „Rekorder“ vor letzter Party - „Kaum jemand, der noch nicht geweint hat“

Letzte Party im „Rekorder“ - „Kaum jemand, der noch nicht geweint hat“
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Wie lange dauert Abschiednehmen von etwas, in das viele Menschen zehn Jahre lang viel Leidenschaft investiert haben? Für den „Rekorder“ an der Gneisenaustraße in der Dortmunder Nordstadt lautet die Antwort auf diese Frage: ziemlich genau ein halbes Jahr. Für eine ehrenamtlich organisierte Livekultur-Location ist das lang.

Anfang Oktober hatten die Macherinnen und Macher mitgeteilt: „Abschied. Der Rekorder schließt seine Türen.“ Jetzt ist der Moment gekommen. Am Samstag (9.3.) öffnet die Tür zu Kneipe und Kellerclub zum letzten Mal.

Der Hintergrund in Kurzform: Der Eigentümer des Gebäudes hat offenbar andere Pläne mit dem Gebäude als einen studentisch geprägten Veranstaltungsort - also kam die überraschende Kündigung.

Welle der Bestürzung

Der überbordenden persönlichen und digitalen Anteilnahme nach dürfte es voll werden beim finalen Konzert mit Damnation, Schma und Tom aka Roynoldi mit anschließender Party. Und es wird, davon ist fest auszugehen, wild.

Maria Babusch aus dem Team des Vereins Tonbande, der hinter diesem steht, sagt: „Es werden so gut wie alle da sein, die mit dem Rekorder in den vergangenen Jahren zu tun hatten. Viele Nachbarn sind eingeladen, die über die Jahre immer viel Verständnis hatten. Da wird das halbe Viertel sein.“

Viele letzte Male

Der lange Vorlauf seit Verkündung des Endes sei auch belastend gewesen, sagt Maria Babusch. „Es gab so viele letzte Male. Über allem liegt das Gefühl des Abschieds. Zumal es überhaupt nicht unsere Entscheidung war“, sagt sie.

Sie erzählt von „unglaublich vielen Nachrichten“, die eingetroffen seien. Von Menschen aus dem Umfeld und aus der Dortmunder Kulturwelt bis hin zu isländischen Death-Metal-Bands, die hier vor Jahren aufgetreten sind.

Wird das „Rekorder“-Logo bald an anderer Stelle wieder aufgehängt? Die Suche nach einer neuen Location läuft.
Wird das „Rekorder“-Logo bald an anderer Stelle wieder aufgehängt? Die Suche nach einer neuen Location läuft. © Archiv

„Man merkt die Liebe, mit der dieser Laden hier betrieben wurde. Das macht den Rekorder aus und deshalb sind die Menschen gerne hier“, sagt Maria Babusch.

Dieser Satz erinnert daran, dass dieses plötzliche Ende für einen außergewöhnlichen Ort in Dortmund vielen Menschen nahe geht. „Es gibt hier kaum jemanden, der in der vergangenen Monaten nicht schonmal geweint hat und seine emotionalen fünf Minuten hatte“, sagt Maria Babusch.

Ein schwerer Moment kommt noch

Es sei zuletzt vor allem darum gegangen, noch einmal das bestmögliche Programm bis zum Schluss auf die Beine zu stellen. Das hat für viele als Ablenkung funktioniert.

Aber Babusch und die anderen Tonbande-Mitglieder rechnen fest damit, dass es noch einen schweren Moment geben wird.

„Es wird sich intensivieren, wenn wir die Schlüssel abgeben und damit konfrontiert sind, dass es vorbei ist an der Gneisenaustraße“, sagt die 27-jährige Autorin und Theatermacherin.

Zum Abschiednehmen gehört auch der Neuanfang danach. Was durchklingt: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es auch zukünftig Veranstaltungen in Dortmund gibt, hinter denen die sehr gemischte Gruppe der Tonbande steht.

Termine an anderen Orten

Ganz konkret geht es weiter mit drei Terminen bei der Open-Air-Reihe „Sommer am U“ und drei Terminen im Depot. „Wir haben weiter alle Lust auf Kultur und Subkultur. Wir sind auf der Suche nach einer neuen Location und hoffen, dass wir das Gefühl dahin mitnehmen können“, sagt Maria Babusch.

Dass es weitergeht, ist ein Wunsch, den von vielen Besuchern und Kulturschaffenden geäußert wird. In dem Wissen, dass so etwas wie die Gneisenaustraße nicht einfach reproduzierbar ist.

Das liegt nicht nur an der geradezu organisch aus vielen bunten Details gewachsenen Einrichtung, an der Deko, an den unzähligen Stickern, Tags und Graffiti, die vermutlich für immer verloren sind.

Sondern das liegt auch daran, dass die Energie, die in dem flachen Kellerraum bei Konzerten und DJ-Sets entsteht, einzigartig ist. Schwer zu beschreiben, wie das mit solchen kreativen Energiefeldern eben ist.

„Ihr werdet fehlen“

Aber wirkungsvoll. Übrigens ein ganz und gar altersloser Spirit. Den übrigens auch viele Menschen im „erweiterten“ Studierendenalter in den vergangenen zehn Jahren genossen haben. Und allein für Party-Format-Titel wie „Ringelpiez mit Anbassen“ gebührt deren Urhebern Dan.

Keller mit unvergleichlicher Atmosphäre: In zehn Jahren gab es viele Konzerte im „Rekorder.
Keller mit unvergleichlicher Atmosphäre: In zehn Jahren gab es viele Konzerte im „Rekorder. © Rüdiger Barz (Archiv)

Der Instagram-Kanal des „Rekorder“ ist in diesen Tagen ein Ort der großen Worte. „Danke für alles, was ihr für die Nordstadt und den Rest der Welt getan habt“, ist dort zu lesen. Oder einfach nur: „Ihr werdet fehlen“.

Die Schließung dürfte ins Viertel hineinwirken. Auf einem aktuellen Instagram-Post werden etwa die Macher der unmittelbar benachbarten Live-Musik-Kneipe „Subrosa“ deutlich. „Es sei an dieser Stelle auch noch kurz ins Internet geschrien: Voll Kacke! Dass der Rekorder verdrängt wird.“

Wie geht es hier weiter?

Mit dem Begriff „verdrängt“, ist ein Stichwort genannt ist, das auch die Menschen aus dem „Rekorder“-Umfeld bewegt.

Denn es bleibt zunächst offen, wie es mit dem Viertel an dieser Stelle weitergeht. Es gibt Gerüchte im Viertel, dass mehreren Geschäftsinhabern an der Feldherrnstraße direkt neben dem „Rekorder“ ebenfalls gekündigt worden sei. Dies war bei Redaktionsschluss dieses Artikels noch nicht zu bestätigen.

Die öffentlichen verfügbaren Kontakte des Unternehmens, das als Eigentümer beider Gebäude bekannt ist, waren für diese Redaktion nicht zu erreichen. Eine Telefonnummer wird als „abgeschaltet“ gemeldet, eine Internetadresse führt nur auf ein Firmenlogo ohne Inhalt.

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