Legendäre Musik-Kneipe „Subrosa“ wird 30 Wo Dortmund fast wie St. Pauli ist

Das „Subrosa“ wird 30: Mehr St. Pauli ist Dortmund nirgendwo sonst
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Viele Dortmunder werden vermutlich nie hierherkommen. Das „Subrosa“ liegt an der Gneisenaustraße/Ecke Feldherrnstraße. Und damit jenseits der Bahngleise, die Dortmunds Mitte in Nord und Süd teilen. Dieser unsichtbaren und doch materiell, sozial und stadtpolitisch ungemein starken Grenze, die viele Dortmunder nicht überschreiten.

Dabei ist die Kneipe mit Livemusik-Bühne im Hafenviertel seit 30 Jahren einer der besten Beweise, warum die Schienen-Grenze im Kopf unglaublicher Blödsinn ist.

Dieser Ort hat Magie. Nicht auf die Disney-Feen / Ehrlich-Brothers / Harry Potter-Art, sondern auf eine ganz subtile. Rosa mit Sub-Tönen.

Ort voller Details

Nur knappe 100 Quadratmeter messen die Kneipen-Räume direkt am Blücherpark. Ihre Wände erzählen tausende Geschichten. Buchstäblich, denn viele Ereignisse sind dokumentiert in Konzertflyern, Aufklebern, Fotos, Deko-Details.

Vorsicht: Allein an den Wänden können Gäste Stunden verlieren. Da wird es philosophisch, witzig, popästhetisch. Subversive politische Botschaften hier und da. Manches, mit dem eher konservative Kreise ein Problem haben könnten.

Mehr St. Pauli ist Dortmund nirgendwo sonst. Gründer Cornel Alex labelte das „Subrosa“ einst als „südlichste Hafenbar Hamburgs“. Die trotzdem ein Ort bleibt, der so nur in Dortmund existieren kann.

Manche Geschichten von Tresen und Bühne tragen sich als immer wieder neu übertriebene Legenden durch die Zeit. Viele sind verschwunden. „In einem schwarzen Loch“, wie Cornel Alex sagt.

Die Anfänge in der Nische

Am 1. Juli 1993 begann er das Abenteuer als Gastronom. Von Anfang an ging es um Musik. „Eine Live-Bühne installieren – das war das, was ich wollte“, sagt Alex den Antrieb, damals die Räume der Eckkneipe „Haus Discher“ zu übernehmen. Die ersten Klänge erzeugten hier All-Star-Sessions von Dortmunder Musikern.

Live-Musik im Wohngebiet zu etablieren war eine zähe Angelegenheit. Das brachte zugleich mit sich, dass das „Subrosa“ mit akustischer Singer/Songwriter-Musik in den 1990er- und 2000er-Jahren seine Nische fand.

Blick in den Innenraum des "Subrosa".
Blick in den Innenraum des "Subrosa". © Felix Guth

30 Jahre, knapp 2500 Konzerte und einen Corona-Zusammenbruch später ist das Live-Geschäft noch komplizierter.

Aber diese zugleich bunte und schummerige Bühne im Dortmunder Norden ist eine der wichtigsten in der Region. Obwohl nicht viel mehr als 150 Menschen davor Platz haben.

„Wir sind eigentlich zu klein, damit es sich rechnet“, sagt Simon Grimm. 2019 übernahm er die Betriebsleitung von Cornel Alex, der sich weiter um die Technik bei Konzerten kümmert. „Das, was wir machen, muss man wollen.“

International und lokal

Das aus insgesamt acht Personen bestehende Team will. Dafür spricht das hoch engagiert zusammengestellte monatliche Live-Programm.

Darauf stehen Künstlerinnen und Künstler, die auf internationalen Tourneen gezielt das Subrosa ansteuern. Bekannte australische Songwriter, italienisch-französische Noise-Bands oder kanadische Folk-Juwelen haben diesen Ort in ihrer Konzert-Historie.

Oder auch das deutsche Duo Milky Chance, das kurz vor Radio-Ruhm und US-Tour 2013 an der Gneisenaustraße vorbeischaute. Im Haus gibt es eine Wohnung für die Künstler.

"Subrosa"-Gründer Cornel Alex im Jahr 2007
"Subrosa"-Gründer Cornel Alex im Jahr 2007 © Archiv

Wichtig für Dortmunder Szene

Im Programm stehen aber immer wieder auch Dortmunder Bands, Kollektive, Künstlerinnen und Künstler.

Das ist deshalb bemerkenswert, weil die Zahl der Bühnen für die lokale Szene in Dortmund nicht unbedingt dem entspricht, was der Größe der Musikszene und der Bedeutung der Stadt angemessen wäre. Obwohl es viele motivierte freie Veranstalter und städtische Initiativen wie „Dortmund macht lauter“ gibt.

Simon Grimm sagt: „Wir haben viele Connections aus den vielen Jahren, es ist hier nicht so funktional. Und wird begegnen den Musik-Gästen auf Augenhöhe.“

Kleinere Acts freuen sich über freundlichen Umgang, Essen und hervorragenden Sound und Licht. Was der Autor dieses Textes als Gast der nur wenige Schritte großen Bühne direkt neben dem Eingang zu den Toiletten zu bestätigen vermag.

Mit einem Album gewürdigt

Die Dortmunder Band Aniyo Kore hat ihrem „Lieblingsplatz“ zuletzt auf besondere Weise ein kleines Denkmal gesetzt. Sie gab ihrem Album den Titel „Subrosa“, das Cover zeigt einen Blick in den Raum.

„Sie haben gesagt, dass es ihr Lieblingsplatz ist. Das ist eine gewisse Ehre“, sagt Simon Grimm.

Der 30. wird am 30. Juni und 1. Juli (Freitag und Samstag) mit Musikern der ersten Stunde und mehr groß gefeiert, weil Geburtstage hier schon immer Besonderes waren.

Vor fünf Jahren gab es „Funeral Days“ zum 25., als unklar war, ob und wie es weitergehen kann. Zwei Jahre später zelebrierte man „Still Alive“ zum berüchtigten Rockstar-Alter 27. Dann crashte Corona das Geschäft für die Kneipe, die von Begegnung und Bühne lebt.

Award von Claudia Roth

Das „Subrosa“ ist immer noch da. „Die Leute halten uns die Treue“, sagen Simon Grimm und Cornel Alex. Das liegt auch daran, dass es neben der Musik weiter Ort bleibt, an dem die Bierpreise zur Nordstadt passen und es keinen Dresscode oder sonstiges gibt.

„Hier kommen die Leute zerlumpt hin und im Anzug“, sagt Cornel Alex.

Das "Subrosa" wirkt in das gesamte Viertel rund um die Gneisenaustraße hinein, wo viele weitere Kulturinitiativen ihr zuhause haben.
Das "Subrosa" wirkt in das gesamte Viertel rund um die Gneisenaustraße hinein, wo viele weitere Kulturinitiativen ihr zuhause haben. © Archiv

Zuletzt überreichte Kulturstaatsministerin Claudia Roth den „Applaus“-Award. Das Fördergeld gibt laut Grimm vorerst „etwas Sicherheit“. Es könnte in der Zukunft der Musik-Kneipe wohl häufiger um solche bürokratischen, aber existenziellen Prozesse gehen.

Aber es geht weiter. Mit einem bemerkenswerten Optimismus, der es allemal wert ist, die Bahngleise zu überqueren.

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