
Einsatzkräfte beobachten eine Demonstration vor dem Polizeipräsidium in Gedenken an den getöteten Mouhamed D. © Kevin Kindel
Mouhamed D. erschossen: Wie werden Polizisten auf psychisch Kranke vorbereitet?
Todesschüsse in Dortmund
Ist der Einsatz, bei dem Mouhamed D. erschossen wurde, eskaliert, weil Polizeikräfte falsch agiert haben? Kriminologe Prof. Feltes hinterfragt ihre Taktik. So steht es um Aus- und Fortbildung.
Den psychisch zumindest labilen Jugendlichen Mouhamed D. haben 11 Polizeikräfte nicht ohne sechs Schüsse aus einer Maschinenpistole in den Griff bekommen. Nach der tödlichen Eskalation stellt sich die Frage, inwiefern Polizisten auf den Umgang mit psychisch Erkrankten vorbereitet sind.
Kriminologe Prof. Dr. Thomas Feltes schreibt in einer neuen Veröffentlichung zum Thema etwa: „Wenn Polizeibeamte auf psychisch gestörte Menschen treffen, ist eine andere Einsatztaktik und eine spezifische Kommunikation notwendig.“
Eine hohe Zahl an Polizisten, aber auch Reizgas und Taser führen ihm zufolge „bei einem psychisch Gestörten dazu, dass er sich extrem unter Stress fühlt und auch angegriffen fühlt“, so Feltes in der Sendung Stern TV.
Eine Frage sei nun, ob die Polizei schon deutlich vor den Schüssen anders hätte agieren müssen: „Ich würde es nicht als Provokation im Sinne von bewusstem Handeln beschreiben. Aber es kann dazu führen, dass diese Personen sich angegriffen fühlen und glauben, sich verteidigen zu müssen und dann mit dem Messer auf Beamte zugehen“, so der Kriminologe.
An verschiedenen Stellen Gegenstand des Studiums
Das Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei (LAFP) äußert sich auf Anfrage unserer Redaktion zu den Inhalten des Polizei-Studiums. Der Umgang mit psychisch Erkrankten werde verteilt über mehrere Teilmodule vermittelt. Wie viel Zeit darauf verwendet werde, lasse sich daher aber „nicht präzise angeben“, so das Amt.
Im Grundstudium seien Einsätze mit sogenannten „hilflosen Personen“ Thema, im Hauptstudium seien psychisch erkrankte Menschen dann ein Schwerpunkt unter dem etwas sperrigen Titel „Ursachen und Formen devianten Verhaltens; Kommunikation mit Opfern und Zeugen“. Deviant bedeutet: von der Norm abweichend.
Die Studierenden würden „befähigt, allgemeine Merkmale psychischer Störungen zu beschreiben und Zusammenhänge herzustellen“, heißt es etwa. Weiter würden sie in die Lage versetzt, eigene „angemessene Verhaltensweisen und notwendige Maßnahmen zu differenzieren“. Und sie lernten, „Ursachen, Erscheinungsformen und Ausmaß polizeilich relevanter psychischer Erkrankungen zu benennen“.
Es gehe im Studium auch darum, aggressives Verhalten zu interpretieren „und verschiedene Möglichkeiten bei aggressivem Verhalten kritisch zu beurteilen“.
Psychisch Auffällige „situationsgerecht betreuen“
Im Rahmen des sogenannten Berufspraktischen Trainings übten die Studierenden schließlich, „verletzte und psychisch auffällige Personen situationsgerecht zu betreuen“, so Sprecherin Sevinc Sethmacher.
Auch nach dem Studium sei der Umgang mit psychisch auffälligen Personen Teil der Fortbildung. Das vorgeschriebene Training sei für alle verpflichtend, so die Sprecherin. Aber: „Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Fortbildung orientiert sich grundsätzlich an dem Bedarf der jeweiligen Organisationseinheit.“
Die Polizeibehörden entscheiden einem Erlass der Landesregierung zufolge „in eigener Verantwortung, welche Kräfte zur Zielgruppe gehören und damit verpflichtet werden, am Einsatztraining teilzunehmen“.
Bei der Festlegung der jeweiligen Trainingsumfänge werde grundsätzlich zwischen verschiedenen Zielgruppen unterschieden. Die Polizeibehörden müssen hierbei sicherstellen, dass der Trainingsumfang mindestens 18 Stunden pro Jahr umfasst.
Theoretisch sollten also nach dem Studium offenbar alle Einsatzkräfte auf Situationen wie die vom 8. August vorbereitet sein. Beim jährlichen Einsatztraining liegt es aber an der jeweiligen Einheit, wie ihre Fortbildung genau aussieht.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
