Leonie (15) wird von Mitschülerinnen gemobbt und geschlagen Schwere Vorwürfe gegen die Schule

Familie erhebt schwere Vorwürfe: Schülerin (15) gemobbt und geschlagen
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Für Leonie (Name von der Redaktion geändert) waren die Osterferien nicht nur eine Pause von Mathe oder Deutsch. Sie waren für die 15-Jährige auch eine Pause von Beleidigungen, Schlägen und ständiger Angst. So schildert die Familie die Situation des Mädchens – und fühlt sich damit alleingelassen. Leonie wird von Mitschülerinnen gemobbt. Videos davon gibt es im Internet, aufgenommen von den Täterinnen.

Nach Wochen der Angst möchte Leonie eigentlich nur noch eins: weg. Weg von dieser Schule und den Mädchen, die sie drangsalieren. Leonies Mutter ist verzweifelt: „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt sie. Sie suchte den Kontakt mit der Schule, erstattete Anzeige bei der Polizei, meldete sich bei der Bezirksregierung Arnsberg, schaltete einen Anwalt ein. Einen Platz an einer neuen Schule für ihre Tochter hat sie aber noch nicht.

Mutter und Tochter halten sich an der Hand.
Mutter und Tochter fühlen sich alleingelassen. © Robert Wojtasik /Symbolfoto

Das Mobbing beginnt

Erst im Januar 2024 wechselte Leonie vom Helene-Lange-Gymnasium in Dortmund-Hombruch auf die benachbarte Robert-Koch-Realschule. Ein Mädchen habe sie schon auf dem Gymnasium auf dem Kieker gehabt, sagt Leonie. Nur wenige Tage nach ihrem Schulwechsel beginnt der Albtraum.

Es ist der 12. Januar. Leonie erinnert sich: In der ersten Pause kommen Schülerinnen auf sie zu, beleidigen sie. In der zweiten Pause kommen noch mehr. „Ich habe mich neben einen Lehrer gestellt, wusste nicht, was ich machen sollte.“ Als der Lehrer weg ist, eskaliert die Situation.

Die anderen Mädchen, zwischen 13 und 17 Jahren alt, laufen Leonie hinterher, ziehen sie an den Haaren. So schildert die 15-Jährige zwei Monate später diesen Januartag, der für sie schlimm endet. Es finden sich schnell Videos von dem Vorfall im Netz: zurechtgebastelte Schnipsel, die Leonies Kopf zum Beispiel an einer Hundeleine zeigen – und ein Video, das die Mädchen im Gespräch darüber zeigt, „zuzuschlagen“. „Ich will einfach, dass sie gehasst wird“, sagt eine Stimme über Leonie.

In die Ecke gedrängt

Nur wenige Tage später, am 16. Januar 2024, gibt es erneut Ärger: Acht Mädchen sprechen Leonie an, sagen, sie müssten mit ihr reden, drängen sie in eine Ecke. Das Ganze verlagert sich in Richtung Toilette. Auch hier: Ein Video ist direkt im Umlauf, mit Sätzen wie „Diesmal hab’ ich es besser gemacht“.

Auch dieses Video erreicht Leonie noch am Abend. Beteiligt sei eine 13-jährige Schülerin gewesen, die nach dem 12. Januar suspendiert gewesen sei, sagt Leonies Mutter. Eine Lehrerin habe den Vorfall mitbekommen und sich Hilfe geholt, weil sie allein der Situation nicht Herr geworden sei, berichtet Leonie.

Nach dem Vorfall blutet sie im Gesicht: Man habe sie in den Sanitätsraum gebracht. Dort habe sie länger allein gesessen, während die anderen Mädchen versucht hätten, hereinzukommen. Leonie erreicht ihre Tante. Ihre Mutter ist noch heute völlig entsetzt, wenn sie sich an den Tag erinnert: „Kein Rettungswagen, keine Polizei, keine Erste Hilfe, keine Information an mich seitens der Schule“, klagt sie.

„Striemen im Gesicht“

Die Tante möchte mit Leonie ins Krankenhaus nach Witten fahren. Ihre Mutter ist im Nachtdienst. Bevor man Leonie aber an der Schule gehen lässt, muss sie erst aufschreiben, was passiert ist, sagt die Tante. „Da war sie doch in diesem Moment gar nicht zu in der Lage.“

Um kurz vor 12 Uhr sind Tante und Nichte im Diakonissen-Krankenhaus in Witten. Im Bericht des Arztes sind „Striemen im Gesicht, Schwellungen ohne Frakturen und eine oberflächliche Risswunde unter dem Auge“ notiert. Außerdem Kopfschmerzen und Übelkeit, Gesichtsschädelprellung. Leonie und ihre Tante gehen nach der Untersuchung nach Hause.

Nur ein paar Stunden später ist die Familie wieder da, weil Leonie sich mehrfach übergeben musste. Man will sie dabehalten, zur Beobachtung. Aber Leonie möchte dort nicht allein bleiben. Ihre Mutter, die als Altenpflegerin in einem Krankenhaus arbeitet, nimmt ihre Tochter mit nach Hause, kümmert sich.

Anzeige erstattet

Noch am selben Tag erstattet die Familie Anzeige bei der Polizei. Zwei Tage später sucht die Familie den Kontakt zur Schulleitung, die ihr, so sagt Leonies Mutter heute, damals das Gefühl vermittelt habe, dass man ehrlich entsetzt sei und sich kümmern werde.

Von diesem Gefühl ist inzwischen nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Die Familie fühlt sich alleingelassen, es habe weitere Vorfälle gegeben und die fraglichen Schülerinnen seien noch immer an der Schule. Die Schulleitung hätte gesagt, ein Verweis „sei so einfach nicht möglich“. Das sei die Auskunft der Schulaufsicht in Arnsberg gewesen. „Da war ich sprachlos“, sagt Leonies Mutter. Sie fragt sich: Was muss denn noch passieren?

Am 8. Februar eskaliert die Situation erneut: Ein Schüler warnt Leonie, man wolle ihr an der Haltestelle „Parkhaus Barop“ auflauern, sie solle einen anderen Weg nehmen. Leonie ruft ihre Familie an, die ruft die Polizei. Daraufhin sei eine Streife zur Schule geschickt worden, so die Mutter.

Sie notiert weitere Vorkommnisse und Daten – und zeigt jeden Vorfall auf Anraten ihres Anwalts an. Dann kommt der 19. März, den die Familie so schnell nicht vergessen wird. Leonie schreibt ihrer Mutter: „Hilfe, ich werde wieder angegriffen.“ Danach sind weder die Schule noch Leonie erreichbar. Die Mutter, gerade mit ihrer Schwester auf dem Friedhof, hat Angst um ihre Tochter, verständigt die Polizei, und die Schwestern eilen zur Schule.

Die Mutter schildert die Situation vor Ort so: „Als ich in der Schule vor dem Büro des Schulleiters ankam, hörte ich ihn in seinem Büro lauthals schreien. Er schrie meine Tochter an, sie solle ‚endlich verschwinden‘. Er hatte sie, ohne mich als Elternteil darüber zu informieren, für den Rest der Woche suspendiert. Überrascht über meine Ankunft, schlug der Schulleiter mir dann noch die Tür vor der Nase zu, ohne ein Gespräch mit mir zu suchen.“

Leonie kommt für 24 Stunden ins Krankenhaus. Im Arztbrief steht: Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, stumpfes Bauchtrauma. Von Anfang an hätten sich die Täterinnen bemüht, es so aussehen zu lassen, als hätte Leonie angefangen, sagt die Mutter. Das habe ihre Tochter auch mehrfach mit der Schule so kommuniziert. Ihr Verdacht: Die Schule verfolge nun offenbar die Strategie, ihre Tochter loszuwerden, anstatt gegen die brutalen Schülerinnen vorzugehen. Leonie sei für ein paar Tage suspendiert worden.

Das sagt die Polizei

Die Polizei Dortmund bestätigt auf Anfrage, die Vorfälle seien bekannt. Es seien Strafverfahren eingeleitet worden. Die polizeilichen Ermittlungen hierzu dauerten noch an. Man habe Rücksprache mit den Erziehungsberechtigten gehalten. Darüber hinaus stehe man im engen Kontakt mit der Schule.

Allgemein rät die Polizei in Fällen von Mobbing, Stalking oder anderen Straftaten immer dazu, sich einer Vertrauensperson gegenüber zu öffnen. Dies könnten Lehrpersonen, die eigenen Eltern, Freunde oder eine sonstige Person sein.

Und: „In jedem Fall raten wir, sich an die Polizei zu wenden und eine Strafanzeige zu erstatten. Nur, wenn wir Kenntnis von einer Straftat erlangen, können wir auch repressiv tätig werden.“

Diese Schritte führten häufig dazu, dass Täterinnen und Täter feststellten, dass ihr Handeln nicht unbemerkt beziehungsweise nicht folgenlos bleibe. Interventionen durch Lehrer und Schulleitung könnten für die Täter bereits sehr einschneidend sein. Und weiter: „In konkreten bedrohlichen Situationen raten wir dazu, sehr lautstark auf die Notlage hinzuweisen.“ Durch lautes Schreien würden Unbeteiligte auf das Geschehen aufmerksam gemacht. „Wenn die Zeit da ist, soll die Polizei über den Notruf 110 alarmiert werden.“

Das sagt die Schulaufsicht

Die Bezirksregierung Arnsberg als Schulaufsichtsbehörde bestätigt die Dienstaufsichtsbeschwerde und spricht von einem „laufenden Verfahren“. Zu Einzelheiten äußert man sich nicht.

Zur Diskussion um mögliche Schulverweise verweist Arnsberg auf vorgeschriebene Abläufe. So müsse es zum Beispiel zunächst die Androhung eines Verweises geben und eine sogenannte Teilkonferenz, die einen solchen Beschluss fassen müsse. Die Realschule selbst äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Vorfällen (Stand 16. April).

Vor rund zwei Jahren war die Robert-Koch-Realschule wegen Mobbing-Vorwürfen schon einmal in die Schlagzeilen geraten.

Leonie wäre unterdessen einfach nur froh, anderswo noch einmal neu starten zu können.

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