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Mit Karte: Das sind laut der Polizei Dortmunds „gefährliche“ Straßen
Nordstadt
Eine Liste der Landesregierung zeigt, welche Straßen und Plätze die Polizei als „gefährlich und verrufen“ einordnet, obgleich sie für Bürger nicht gefährlich sind. Das steckt dahinter.
Gefährlich und verrufen - so stuft die Dortmunder Polizei intern über 120 Plätze und Straßen in der Stadt ein, weshalb sie an diesen Orten besondere Befugnisse hat.
Herausgekommen ist das durch eine kleine Anfrage der AfD im NRW-Landtag. Dort hatte die Fraktion schon vor zwei Jahren nach einem Detail im Polizeigesetz des Landes gefragt: Im Paragrafen 12, in dem es um die Identitätsfeststellung geht, heißt es unter anderem, dass die Polizei die Identität einer Person feststellen kann, wenn die sich an einem Ort aufhält, an dem beispielsweise Straftaten vorbereitet werden könnten oder sich womöglich Personen aufhalten, die gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen.
Diese Annahme der Polizei muss laut Gesetzestext, in dem die Worte verrufen und gefährlich im Übrigen nicht verwendet werden, durch Tatsachen belegt sein.
Personenkontrollen sind hier ohne Anlass möglich
Normalerweise braucht die Polizei einen Anlass, um Personen zu kontrollieren, die Person muss sich beispielsweise verdächtig verhalten oder zu der Beschreibung einer Person passen, nach der gefahndet wird. In all jenen Straßen, die die Behörde als „gefährlich und verrufen“ einstuft, fällt diese Bedingung jedoch weg. Es muss allerdings durchaus einen Zusammenhang zwischen den Gründen für die Gefährlichkeit des Ortes und der kontrollierten Person geben.
Die AfD wollte nun wissen, welche Orte hier gemeint sind - was die Landesregierung aber zunächst nicht verriet. Der Ausdruck „gefährliche und verrufene Orte“ sei ein polizeiinterner Ausdruck. „Die Bezeichnungen werden durch die Polizei nicht verwendet, um Örtlichkeiten zu definieren, an denen Bürgerinnen und Bürger einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von Straftaten zu werden“, heißt es in der Antwort der Landesregierung an die AfD.
Gericht: Landesregierung muss Straßen nennen
Die Bezeichnungen könnten zu Fehlinterpretationen führen, hieß es damals. Außerdem könnte es die Polizeiarbeit erschweren, wenn Straftäter im Vorfeld schon wissen, welche Straßen und Orte die Polizei als gefährlich ansieht.
Argumente, die der Verfassungsgerichtshof nicht gelten ließ. Das Gericht verwies auf den Informationsanspruch der Abgeordneten.
Und so musste die Regierung die Informationen schlussendlich doch veröffentlichen. Am 20. Mai antwortete sie der AfD auf ihre Anfrage und veröffentlichte damit eine vollständige Liste aller Straßen und Orte in NRW, die als so vorbelastet gelten, dass die Polizei an ihnen ohne Anlass Personenkontrollen durchführen darf.
Diese Straßen und Orte sind betroffen
In Dortmund sind es 124 Straßen und Plätze, die von der Polizei entsprechend klassifiziert wurden - sie liegen ausnahmslos in der Nordstadt. Beginnend hinter dem Hauptbahnhof ziehen sich hoch bis zum Fredenbaumpark. Ganze Häuserblocks fallen stellenweise in die Kategorie gefährlich und verrufen. Der Grund: „Erhöhtes Aufkommen von Delikten der Straßenkriminalität“, wie es in der Antwort auf die AfD-Anfrage heißt.
Dass die Nordstadt ein Schwerpunkt in der Arbeit der Polizei ist, ist keine Neuigkeit. Insbesondere auf die Straßenkriminalität hat man dort einen Fokus, wie im Bericht zur Kriminalstatistik 2019 zu lesen ist. Mit 62,6 Prozent habe man dort zudem die höchste Aufklärungsquote bei Straftaten in Dortmund, stadtweit liegt diese bei 58,2 Prozent. Regelmäßig berichtet die Polizei zudem von Schwerpunkteinsätzen in der Nordstadt, bei denen sie unter anderem Drogendealer ins Visier nimmt.
Und die verschiedenen Maßnahmen zeigen Erfolg, wie die Behörde selbst sagt:
„Wir sind davon überzeugt, dass die 2016 eingesetzte Ermittlungskommission Nordstadt einen großen Beitrag zum Rückgang der Straftaten in dem Bezirk von 14.459 im Jahr 2016 auf 10.669 Fälle im Jahr 2019 geleistet hat“, schreibt Polizeipräsident Gregor Lange in dem Bericht.
Im Übrigen galten bis vor einiger Zeit auch Bereiche außerhalb der Nordstadt, nämlich der Westpark, der Drogenraum Kick und der Platz am Apfelbrunnen als gefährlich, weshalb diese Orte ebenfalls in der Liste der Landesregierung auftauchen. Wie die Polizei Dortmund erklärt, wurde diese Einschätzung aber inzwischen wieder aufgehoben.
Diese Orte sind laut Polizei „gefährlich und verrufen“
Achterstraße, Albertstraße, Alsenstraße, Altonaer Straße, Am Waldfried, Andreasstraße, Baumstraße, Bergmannstraße, Bleichmärsch, Blücherstraße, Bornstraße, Borsigplatz, Borsigstraße, Brackeler Straße, Braunschweiger Straße, Brunnenstraße, Brüsseler Straße, Burgholzstraße, Burgweg, Carl-Holtschneider-Straße, Clausthaler Straße, Danewerkstraße, Dreherstraße, Düppelstraße, Eberstraße, Eisenhüttenweg, Eisenstraße, Enscheder Straße, Erwinstraße, Feldherrnstraße, Flensburger Straße, Flotowstraße, Franz-Liszt-Straße, Freiherr-Vom-Stein-Platz, Fritz-Reuter-Straße, Gewerkenstraße, Glückaufstraße, Gneisenausstraße, Goethestraße, Grisarstraße, Gronaustraße, Grüne Straße, Gut-Heil-Straße, Hackländerplatz, Hammer Straße, Haydnstraße, Heckenstraße, Heiligegartenstraße, Heroldstraße, Hildastraße, Hoeschplaße, Holsteiner Straße, Hüttnerstraße, Im Spähenfelde, Immermannstraße, Jägerstraße, JohannaMeler-Straße, Juliusstraße, Kamener Straße, Kapellenstraße, Kielstraße, Kirchenstraße, Kleine Burgholzstraße, Kleine Grisarstraße, Kleine Kielstraße, Kleiststraße, Königshof, Krimstraße, Kurfürstenstraße, Lambachstraße, Lauenburger Straße, Leckenbecke, Leibnizstraße, Leopoldstraße, Lessingstraße, Linienstraße, Lortzingstraße, Lütgenholz, Magdeburger Straße, Mallinckrodtstraße, Martha-Gillessen-Straße, Mindener Straße, Missundestraße, Mühlenstraße, Münsterstraße, Nordmarkt, Nordstraße, Oesterholzstraße, Oestermärsch, Oesterlandwehr, Paul-Winzen-Straße, Platz-Von-Xi’An, Priorstraße, Quadbeckstraße, Ravensberger Straße, Rolandstraße, Rückertstraße, Scheffelstraße, Schillerstraße, Schlägelstraße, Schleswiger Straße, Schlosserstraße, Schmiedestraße, Schubertstraße, Schüchtermannstraße, Schumannstraße, Schützenstraße, Soester Straße, Spohrstraße, Stahlwerkstraße, Steigerstraße, Steinstraße, Stollenstraße, Streckenstraße, Tiefe Straße, Treibstraße, Uhlandstraße, Unnaer Straße, Wambeler Straße, Weberstraße, Westerbleichstraße, Westhoffstraße, Zimmerstraße, ZweigstraßeIn Lippstadt aufgewachsen, zum Studieren nach Hessen ausgeflogen, seit 2018 zurück in der (erweiterten) Heimat bei den Ruhr Nachrichten.
