Zwei wohnungslose Menschen aus Dortmund sind in zwei aufeinanderfolgenden Nächten Ziel von Messerattacken geworden. Das Vorgehen des männlichen Täters ähnelt sich in beiden Fällen. Polizei und Staatsanwaltschaft sehen mögliche Zusammenhänge und ermitteln.
Unter Menschen, die auf der Straße leben und in Organisationen, die sich um deren Unterstützung kümmern, haben sich die Ereignisse nach Bekanntwerden am Freitag (1.12.) schnell herumgesprochen.
„So etwas macht immer schnell die Runde. Und es hinterlässt große Sorge“, sagt Bastian Pütter von der Wohnungsloseninitiative Bodo.
Polizei hat Lage im Fokus
Noch sind die Zusammenhänge der Vorfälle nicht geklärt. Aber schon allein die Vorstellung, dass jemand mit dem Ziel wohnungslose Menschen anzugreifen, in Dortmund unterwegs sein könnte, sei eine schreckliche Vorstellung.
Für die nächsten Nächte sind die Sicherheitsbehörden laut Oberstaatsanwalt Dombert „sensibilisiert“. Für Bastian Pütter ist das ein wichtiges Signal. „Es beruhigt, dass es einen polizeilichen Fokus gibt.“
Kurze Distanz zwischen Tatorten
Die beiden Tatorte sind öffentliche Plätze, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt sind. Einer davon ist der Dietrich-Keuning-Park auf der Nordseite des Hauptbahnhofs. Hier erlitt ein 43-Jähriger lebensgefährliche Stichverletzungen im Bauchbereich.
Am Tag nach der Tat sind hier bei Minusgraden kaum Menschen unterwegs. Ein Mann schüttelt auf den Fall angesprochen nur kurz den Kopf. Er wisse nichts darüber, sagt er. Und wer im Freien schlafe, lebe ohnehin gefährlich. Dann geht er schnell weiter.
Weil es hier in der Vergangenheit häufig zu Drogenkriminalität und Gewaltdelikten gekommen war, werden seit März 2023 aus einem Videocontainer rund um die Uhr Bilder aus dem Park aufgezeichnet. „Diese werden jetzt ausgewertet“, sagt Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Freitagnachmittag.
Vom Park ist es nur ein kurzes Stück zum Mehmet-Kubasik-Platz an der Kreuzung Münsterstraße/Mallinckrodtstraße. Hier erlitt ein 41-Jähriger bei einer Tat in der Nacht zu Freitag ebenfalls schwere Bauchverletzungen durch Stiche mit einem Messer.
Keine Konflikte bekannt
Die Parkbank, auf der er gegen 2.30 Uhr gefunden wurde, ist am Tag nach Bekanntwerden des Vorfalls vereist. Eine Gruppe Männer steht hier zusammen. Sie reagieren ungläubig auf die Meldung, von der sie hier zum ersten Mal erfahren. „Was ist nur mit der Menschheit los?“, entfährt es einem Mann.
Eine Erklärung für die Tat – etwa öffentliche Konflikte an diesem Platz in der Vergangenheit – haben sie in diesem Moment nicht. Beide Orte sind nicht unbedingt als Treffpunkte von Wohnungslosen bekannt. Sie befinden sich aber auf der Achse zwischen Nordmarkt und Innenstadt.
Die beiden Vorfälle zeigen abermals: Gewalt begegnet wohnungslosen Menschen immer wieder. Dabei spielen Konflikte innerhalb der „Szene“ eine Rolle. „Aber es gibt auch viele Täter von außerhalb, die aus sozialdarwinistischen Motiven handeln“, sagt Bastian Pütter.
Darunter werden Handlungen verstanden, die aus einer abwertenden Haltung gegenüber Obdachlosen begangen werden. Die Bandbreite reicht von Beleidigungen und Bedrohungen Alltag bis zu körperlicher Gewalt, etwa durch Rechtsextreme.
Viele Gewalttaten
„Solche Taten sind nur möglich, weil sie Menschen treffen, die in schutzloser Lage sind. Uns passiert es nicht: Denn wir haben eine Tür dazwischen“, sagt Bastian Pütter.
Angriffe gegen Obdachlose werden nicht statistisch erfasst. Die Dunkelziffer gilt als hoch, weil Übergriffe häufig nicht angezeigt werden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hat deutschlandweit seit 1990 mindestens 281 Fälle registriert, in denen Obdachlose von nicht wohnungslosen Tätern getötet wurden (Wohnungslose Täter: 345). Es gab über 1300 Gewalttaten durch diese Gruppe (Wohnungslose: 1000).
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