An Warnungen fehlte es nicht, als DSW21 und fünf weitere Ruhrgebiets-Stadtwerke 2011 und 2014 in zwei Schritten den Energieversorger Steag von Evonik übernahmen. Und tatsächlich: Die Hoffnung der Kommunen auf eine ewig sprudelnde Geldquelle aus dem Energiegeschäft bekam schon bald einen herben Dämpfer. Im Zuge der Energiewende hin zu den Erneuerbaren geriet Steag mit seinen Kohlekraftwerken mehr und mehr zum Auslaufmodell – und letztlich zum Sanierungsfall.
Das hat auch DSW21 als größter Eigentümer des Stromproduzenten gemerkt: Flossen anfangs noch insgesamt 55 Millionen Euro nach Dortmund, schickte Steag in den vergangenen Jahren nichts mehr in die DSW21-Kassen. Stattdessen mussten die kommunalen Gesellschafter zeitweilig sogar Geld nachschießen. Konsequenz: Nach langem Hin und Her beschlossen sie, ihr umstrittenes Engagement auf den Energiemärkten zu beenden und den Stromproduzenten Steag lieber zu verkaufen. Der Prozess läuft gerade – in wenigen Wochen soll klar sein, wer den Zuschlag erhält.
Die Ironie der Geschichte: Die Kommunalen stoßen ihre Beteiligungen zu einem Zeitpunkt ab, an dem der Kohleverstromer nie geglaubte Gewinne einfährt. Steag-Kraftwerke werden aktuell wieder gebraucht. Dank der Energiekrise und Rekordpreisen beim Strom und Gas schließt Steag das Geschäftsjahr 2022 dem Vernehmen nach mit einem Ergebnis von satten 1,9 Milliarden Euro Plus ab. Geld, das nun den sechs kommunalen Eigentümern zugute kommen soll – allen voran der Stadt-Tochter DSW21. Sie hält mit 36 Prozent das größte Stück am Steag-Kuchen.
Und so hörten die DSW21-Aufsichtsräte in ihrer Sitzung am Dienstag (20.6.) überaus erfreuliche Nachrichten: DSW21 erwartet eine Rekordsumme von 576 Millionen Euro. Zum Vergleich: Mit dem Geld könnte beispielsweise das komplette, marode Straßennetz in Dortmund auf einen Schlag saniert werden. Und der Geldregen aus dem Steag-Geschäftsjahr 2022 ist erst der Anfang. DSW21 erwartet noch weit mehr. Dabei hätte man vor nicht allzu langer Zeit auf den Vorstandsetagen an der Deggingstraße schon drei Kreuze gemacht, wenn allein das investierte Eigenkapital von rund 220 Mio. Euro vollständig zurückflösse. Jetzt explodieren die Erlöse geradezu. Kleiner Wermutstropfen: Das Geld fließt erst später. „Vorerst steht es nur auf dem Papier“, sagt die neue DSW21-Chef Heike Heim.
Wohin mit so viel Geld?
Weil sich Steag aktuell noch immer im Sanierungsprozess befindet, bleiben die mehr als eine halbe Milliarde Euro (wie auch die Erlöse der anderen Gesellschafter) erstmal bei der kommunalen Eigentümergesellschaft KSBG. DSW21-Finanzvorstand Jörg Jacoby geht davon aus, dass spätestens 2024 abgerechnet und dann auch tatsächlich ausgeschüttet wird.

Der Clou: Die mehr als eine halbe Milliarde Euro ist lediglich ein Teil des von Steag zu erwartenden Geldregens. Obendrauf kommen die anteiligen Erlöse aus dem laufenden Jahr 2023. „Wir können aktuell nicht abschätzen, wie das Geschäftsjahr 2023 für Steag enden wird“, bemüht sich Jacoby den Ball möglichst flach zu halten. Rekordgewinne in ähnlicher Größenordnung wie 2022 werden allgemein nicht erwartet – wohl aber, dass Steag erneut ordentlich abschneidet und an die kommunalen Noch-Eigentümer überweist.
Und selbst das ist nicht das Ende des Geldsegens: Da der Essener Stromproduzent aktuell zum Verkauf steht, werden DSW21 und die anderen Gesellschafter wohl noch mehr Geld sehen. Auch in Sachen Verkaufserlöse halten sich DSW21-Chefin Heim und Finanzvorstand Jacoby mit einer Prognose vornehm zurück – während andere davon ausgehen, dass sich DSW21 alles in allem Rekordeinnahmen von insgesamt fast einer Milliarde Euro nähern könnte. Das gab es noch nie.
Und dann? Wohin mit so viel Geld? Ein Teil, so viel steht fest, soll im Hause DSW21 bleiben. Etwa zur „Rückführung von Krediten“ – während Vorstandsvorsitzende Heim gleichzeitig bereits die diversen Aufgaben ins Feld führt, die der DSW21-Konzern mit seinen Töchtern vor der Brust hat: etwa die geplante Wärme- und die Verkehrswende. Sie dürfte Dortmund etliche hundert Millionen Euro kosten. „Wir werden die Stadt mit voller Kraft auf dem Weg in die Klimaneutralität begleiten und zahlreiche Projekte unterstützen“, kündigt Heim an. „Dafür werden wir das Gespräch mit der Politik suchen.“
Der Energieproduzent Steag gehört sechs Ruhrgebiets-Stadtwerken: Größter Eigentümer ist DSW21 mit 36 Prozent. Danach folgen die Stadtwerke Duisburg (19 Prozent), die Stadtwerke Bochum (18 Prozent) sowie die Stadtwerke Essen (15 Prozent), die Energieversorgung Oberhausen und die Stadtwerke Dinslaken (beide je 6 Prozent).
Die Gesellschafter haben sich nach langem Hickhack darauf geeinigt, ihre Anteile gemeinsam zu verkaufen. Der Prozess läuft. Im Sommer 2023 soll klar sein, wer den Zuschlag bekommt.
Steag ist in zwei rechtlich getrennte Bereiche gesplittet, soll aber als Ganzes verkauft werden: Der "grüne Bereich" names Iqoni umfasst das Geschäft mit den Erneuerbaren Energien. Der "schwarze Bereich" umfasst die Aktivitäten rund um die Steinkohleverstromung, dem einstigen Kerngeschäft von Steag.
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