
Vivien Kleinau tut das, was sie am liebsten tut: Anstreichen. Momentan streicht die Malermeisterin aus Dortmund den Dachboden ihres Hauses. © Maurice Prior
Dortmunder Malermeisterin Vivien Kleinau will es „der Männerwelt zeigen“
Handwerk
Handwerker-Berufe gelten traditionell als Männerjobs. Dass aber auch Frauen auf’m Bau schuften können, zeigt Vivien Kleinau. Die junge Malermeisterin erlebte anfangs viel Gegenwind.
Gekonnt schwingt sie den Farbroller durch den Eimer voller weißer Farbe. Ein paar Runden lässt sie ihn kreisen, anschließend kurz am Eimerrand abstreifen, damit keine Sauerei entsteht. Dann setzt sie die Rolle an der bis dato noch grauen Wand an und lässt sie weiß werden.
Vivien Kleinau hat noch viel vor: „In der Etage eins tiefer ist schon alles fertig, jetzt sind wir hier oben zugange“. Ihr Dachboden, der momentan noch wie eine Baustelle aussieht, soll künftig nämlich ihr Schlafzimmer sein.
Haus wird in Eigenregie saniert
Dass Vivien Kleinau ihr Haus im Siebensternweg in Dortmund-Marten selbst saniert, hat einen Grund. Nein, eigentlich zwei. Zuallererst bringt sie als Malermeisterin, also aus einem handwerklichen Beruf kommend, natürlich ideale Voraussetzungen mit. Und zum Zweiten hat auch ihr frisch angetrauter Ehemann Marvin sowohl ein Faible als auch Talent fürs Selbermachen.

Vivien und Marvin Kleinau: Das frisch gebackene Ehepaar saniert das eigene Haus selbst. © Maurice Prior
Zusammen nutzen sie aktuell fast jede freie Minute, um an ihrem Zuhause zu werkeln. Er fliest das Badezimmer, sie streicht an. Eine Rollenverteilung, die es nicht in jeder Ehe gibt. Verheiratet sind die beiden erst seit Ende Juli. Am 22.7. gaben sie sich in kleiner Runde das Jawort. Seitdem heißt Vivien mit Nachnamen Kleinau und nicht mehr Albrecht. Eine Änderung, die ihrem Transporter noch nicht aufgefallen zu sein scheint.
Mit dem Wagen transportiert die 30-Jährige sich selbst und ihre Malerutensilien zu ihren Aufträgen. Seit September 2017 ist Vivien Kleinau selbstständig, hat ihren eigenen Betrieb. „Das war mir ganz früh schon klar, dass ich mein eigener Chef sein will.“ Eine Maler- und Lackierermeisterin, die mit Mitte Zwanzig schon selbstständig ist, ist auch im 21. Jahrhundert durchaus noch eine Seltenheit. Nach wie vor gelten Handwerksberufe häufig als Männerjobs.

Auf ihrem Transporter fehlt der neue Name noch: Seit eineinhalb Wochen heißt Vivien nicht mehr Albrecht, sondern Kleinau. © Maurice Prior
Ansporn für die Selbstständigkeit: Es den Männern zeigen
Vivien Kleinau will Teil des Gegenbeweises sein: „Ich möchte zeigen, dass wir Frauen genauso stark sind wie die Männer und wir uns da auch nicht kleinreden lassen müssen.“ Denn dass es Vivien Kleinau dahin geschafft hat, wo sie heute ist, wurde ihr nicht immer zugetraut. In ihrer Ausbildung hat sie sich von ihren männlichen Kollegen einiges anhören müssen.
„Da kam dann sowas wie ‚Die soll doch lieber putzen gehen, was sucht die auf einer Baustelle?‘ oder ‚Die ist als Frau doch viel zu schwach, um die Eimer zu schleppen.‘ Da musste man sich schon durchsetzen“, erzählt sie. Wegen solcher sexistischen und teils auch anzüglichen Kommentaren habe sie sich für ihre Selbstständigkeit schon damals eines fest vorgenommen: „Ich wollte ein Team haben, das aus Frauen besteht.“
Und dieses Versprechen an sich selbst hat Vivien Kleinau auch gehalten. Zusammen mit ihren Angestellten Janine und Alena ist sie einer der „Drei Pinsel“. So heißt ihr Betrieb – passend zu ihrem Tattoo am rechten Unterarm.

"Since 2015". Seitdem Vivien Kleinau ihren Meister in der Tasche hat, ziert dieses Tattoo mit drei Pinseln ihren Unterarm. Passend, denn „Drei Pinsel“ heißt auch ihr Betrieb, mit dem sie sich zwei Jahre später selbstständig gemacht hatte. © Maurice Prior
Drei Pinsel sind dort zu sehen. Anlass für die Tätowierung war das Bestehen ihrer Meisterprüfung im Jahr 2015. Sieben Jahre später fühlt sie beruflich voll angekommen: „Ich habe wirklich meinen Traumjob. Als drei Mädels machen wir jetzt die Baustellen unsicher und zeigen der Männerwelt, dass wir Frauen auch die Hosen anhaben können.“
Das Handwerk liegt Vivien Kleinau am Herzen
Insbesondere bei Frauen für das Handwerk zu werben ist für Vivien Kleinau ein Herzensanliegen: „Das größte Problem ist, dass viele Frauen sich so einen Job nicht zutrauen. Und klar, natürlich ist es körperlich anstrengend, aber man muss es mal so sehen: Ich brauch’ nicht mehr ins Fitnessstudio gehen.“ Ihr Credo sei immer: Einfach mal machen. Und mit diesem Credo hat es Vivien Kleinau weit gebracht. Im Juli 2022 wurde sie in München sogar zur Vize-Miss-Handwerk gekürt.
Dass so wenige junge Menschen ihre berufliche Zukunft in einem handwerklichen Beruf sehen, kann Vivien Kleinau nicht verstehen: „Das ist doch ein toller Job. Vor allem, weil man nach seiner Arbeit abends sieht, was man geschafft hat.“ Vor Aufträgen könne sie sich sowieso nicht retten und wenn das Haus dann bald fertig saniert ist, könne die Familienplanung starten. Mit gerade mal 30 hat Vivien Kleinau bereits alles, was sich viele wüschen: Traumjob, Mann und Haus. Fehlen nur noch die Kinder. „Aber nicht mehr lange“, so Vivien Kleinau.