Nach dem Weggang ihrer Chefin Susanne Linnebach zur Emschergenossenschaft müssen sich die aktuell 68 Mitarbeiter im Amt für Stadterneuerung auf neue Zeiten einstellen: OB Westphal (SPD) will das Stadtamt in seiner bisherigen Form zerschlagen und die Beschäftigten zu sich in sein OB-Amt überführen. Dort sollen die Mitarbeiter teilweise neue Aufgaben bekommen.
Ein Teil von ihnen soll nach dem Willen des OB weiterhin Förderanträge schreiben, mit denen die Stadt Finanzspritzen aus Landes-, Bundes- und EU-Töpfen für unterschiedliche Projekte einwirbt. Ein weiterer Teil der Mannschaft soll sich um „das Dortmund von morgen“ kümmern. Hintergrund: In der Verwaltung kursieren mehrere Szenarien, wie sich Dortmunds Bevölkerungszahlen entwickeln. Und mit ihr die Stadt insgesamt.
Der OB greift das besonders weitgehende Szenario auf: Demnach steigen die Einwohnerzahlen in Dortmund bis 2035 auf rund 650.000. Dortmund wächst, und das recht deutlich. Also müsse auch die städtische Infrastruktur wachsen, schlussfolgert Westphal, der gelegentlich schon das Wort von einem „neuen Stadtteil“ fallen lässt. Demzufolge müssen beispielsweise rund 150 neue Kitas gebaut werden. Für Dortmunds Schulen gilt die Prognose: Es wird 24 neue, zusätzliche Klassenzüge geben - auch die werden Platz- und Raumbedarf haben. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Darauf müsse man sich vorbereiten, argumentiert der OB. Das nötige Personal soll aus den Reihen der Stadtentwickler kommen. OB Westphal argumentiert, es gehe dabei um „übergeordnete Aufgaben“. Am Mittwoch (6.3.) stellte er seine Pläne erst den Mitarbeitern vor und im Anschluss auch den Spitzen der Ratsfraktionen. Von deren Seite soll es deutliche Ansagen gegeben haben.
Eine neue Vision für Dortmund?
Westphals Pläne sind in der Politik höchst umstritten. Die Mehrheit lehnt das Vorgehen kategorisch ab: Grüne, CDU und Linke+ wollen das Amt für Stadterneuerung nicht angetastet wissen – und machten ihre Haltung bereits nachmittags mit einem vorbereiteten Antrag deutlich, der zusätzlich mit den Stimmen von FDP/Bürgerliste und "Die Partei" im Ausschuss für Stadtentwicklung beschlossen wurde.
Die Botschaft: Finger weg von dem Amt! Die Stadterneuerer seien „inhaltlich, sachlich und organisatorisch richtig“ im Planungsdezernat von Dezernent Stefan Szuggat (Grüne) angebunden. Es gebe keinen Grund, das zu ändern. Vielmehr seien die „sehr gut funktionierenden Strukturen zu erhalten und keine zusätzlichen Schnittstellen mit (. . .) Reibungsverlusten zu schaffen“, heißt es in dem Papier, das auch für die Ratssitzung am Donnerstag (21.3) Bedeutung bekommen könnte.
Von einem „Willkürakt“ und einem „beachtlichen Vorgang“ des OB sprach CDU-Fraktionssprecher Uwe Waßmann. Die frühere Amtsleiterin hinterlasse „ein bestens bestelltes Haus" mit gut funktierenden Mitarbeitern. Der OB greife „ohne Not und ohne jeglichen Grund“ ein.
Ähnlich äußerte sich Grünen-Sprecherin Katrin Lögering: „Ich verstehe es nicht, es gibt dafür kein fachliches Argument.“ Zudem entscheide der OB einmal mehr über die Köpfe der Politik hinweg, merkte Lögering an. „Wir haben große Sorge, dass Schaden entsteht“, assistierte Utz Kowalewski, Fraktionschef Linke+. Die SPD schloss sich dem Antrag nicht an, wie Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven erklärte. Sie warnte vor voreiligen Beschlüssen. Die Ideen, die der OB habe, würden mit den Mitarbeitern zusammen weiterentwickelt. Man wolle abwarten, was der Personalrat sage.
Es droht ein handfester Konflikt. Dabei geht es in Wirklichkeit um weit mehr als um die Auflösung eines Stadtamtes. CDU und Grüne kritisieren seit Langem, der OB blähe sein eigenes Amt mehr und mehr auf. Ihre heimliche Befürchtung: Westphal wolle einen Teil der Mannschaft für die Erstellung einer Art „Dortmund-Vision 2035“ nutzen - mit der er während des OB-Wahlkampf 2025 dann auf Stimmenfang gehe.
Rat oder OB: Wer bestimmt?
Tatsächlich verfügt das OB-Amt inzwischen über knapp 150 Köpfe (plus 27 Stellen im OB-Büro). Kämen die Stadterneuerer dazu, würde die Mannschaft auf einen Schlag um die Hälfte größer werden. Selbst die Wirtschaftsförderer kommen da nicht mit – ihr Eigenbetrieb zählt rund 100 Mitarbeiter.
Der eigentliche Konflikt zwischen dem OB und der Politik liegt sogar noch tiefer. Er gipfelt in der Frage: Wer hat die Macht? Was darf der OB? Gibt Westphal den Takt vor – oder der Rat der Stadt? CDU und Grüne sind seit Langem angesäuert und kritisieren die „Alleingänge“ des OB, der oft genug an den politischen Gremien vorbei agiere, heißt es. Dem wollen sie nun Einhalt gebieten – und zur Not alle denkbaren Hebel ziehen, sollte der OB in der "Causa" Amt für Stadterneuerung nicht zurückrudern.
Die Mehrheit aus Grünen, CDU und Linke+ ist der Ansicht, mit dem Eingriff überschreite Westphal seine Kompetenzen. Die Entscheidung gehöre in den Rat der Stadt. Schließlich, so das Argument, sei es auch der Rat gewesen, der am 17.12.2022 die Verteilung der Dezernate mit den jeweiligen Ämtern (Fachbereichen) beschlossen und festgelegt habe. Daher sei der OB nicht befugt, diese Festlegung im Nachhinein auf eigenes Gutdünken aufzubrechen und dem zuständigen Dezernenten ein Amt wegzunehmen, um dessen Mitarbeiter ins eigene Lager zu holen.
Entscheidung „rechtswidrig“?
Wenn Westphal das wolle, müsse er laut Paragraph 73 der NRW-Gemeindeordnung (GO) erst das „Einvernehmen“ mit dem Rat herstellen – was angesichts der politischen Wetterlage kaum möglich sein dürfte. Gibt es kein Einvernehmen zwischen beiden Seiten, könnte der Rat allein entscheiden; der OB hätte dann keine Stimme und wäre zum Zugucken verdammt. So jedenfalls lesen sich im Kern die Einschätzungen von Juristen, mit denen sich CDU und Grüne in den zurückliegenden Tagen gewappnet haben. Der von den Grünen beauftragte Anwalt spricht in seinem Papier sogar von einer „rechtswidrigen Entscheidung“ des OB.
Westphal selbst sieht das Ganze vollkommen anders und will dem Vernehmen nach an seinem Plan festhalten. Auch Rechtsdezernent Norbert Dahmen (CDU) neigt eher zur Einschätzung, der OB liege wohl richtig und habe durchaus das Recht, das Stadtamt ohne Votum des Rates aufzulösen und das Team zu sich zu holen. Was darf der OB und was darf er nicht? Tatsächlich ist die Frage hochkomplex und auch unter Juristen umstritten. Wie weit der Konflikt noch eskaliert und wer am Ende als Sieger aus dem Machtkampf hervorgeht, ist aktuell offen - Fortsetzung im Rat nicht ausgeschlossen.
Überraschender Wechsel in Dortmunds Verwaltung: Zwei Amtsleiter verabschieden sich auf einen Schlag