Lastzüge mit Baumaterialien rollen auf das Areal. Kräne stellen Betonstützen auf Fundamente. Der Boden dazwischen ist noch eine verdichtete Schotterfläche. Seit Oktober 2023 errichten Bauarbeiter auf einem 16.231 Quadratmeter großen Grundstück ein Großkühlhaus und ein Logistikzentrum.
Lünen-Brambauer: Der Bauplatz liegt im Winkel zwischen der Elsa-Brändström-Straße und der Straße Alte Herrenthey. Zur Stadtgrenze mit Dortmund-Schwieringhausen an der Brücke über die Autobahn A2 sind es knapp 600 Meter.
Bauherr ist der us-amerikanische Konzern Hillwood – ein Spezialist für Gewerbeimmobilien, laut eigener Website mit „30 Jahren Investitionserfahrung in Nordamerika und Europa“. Allein in Nordrhein-Westfalen betreibt Hillwood bislang sieben Logistikkomplexe mit Hallenflächen zwischen 13.000 und 34.000 Quadratmetern.
Bebauungsplan „Alte Herrenthei“
Bis Mitte 2025 sollen weitere elf, zum Teil riesige Komplexe in Betrieb gehen – fünf davon in NRW. Lünen wird mit einer Hallenfläche von 14.203 Quadratmetern zu den kleineren Logistikzentren zählen. Geplante Eröffnung: im dritten Quartal 2024. Bis zu 180 Arbeitsplätze will Hillwood laut der Betriebsbeschreibung im Antragsverfahren schaffen.
Die Ansiedlung des Unternehmens geschah geradezu „unterhalb des Radars“. Denn Anrainer der Elsa-Brändström-Straße wurden erst durch Baustellenfahrzeuge und einen Zufall auf die Maßnahme aufmerksam. Einer der Nachbarn arbeitet für eine der am Bau beteiligten Firmen. „Von der Stadt haben wir keinen Bescheid bekommen“, erklärt Thorsten Droste.
Der Lüner Bebauungsplan 078 „Alte Herrenthei“ ist Jahrzehnte alt. Im Februar 1981 erlangte er Rechtskraft, die noch gültige erste Änderung am 30. Dezember 1989. Sie weist die Grundstücke als Industriegebiet aus. Im Umfeld des künftigen Logistikzentrums sind Handwerk, kleineres Gewerbe und ein Bordell ansässig. Letzteres brachte das Industriegebiet im Herbst 2022 in die Schlagzeilen.
Am 3. August 2023 erteilte die Stadt Lünen die Baugenehmigung für das Hillwood Logistikzentrum. Baubeginn war im Oktober. Derweil sorgen sich die Anwohner um den Verkehr – vor allem nach Inbetriebnahme des Logistikzentrums. Thorsten Droste fragte bei der Stadt Lünen nach. Die Lippestadt rechnet nach Fertigstellung mit täglich 580 Fahrten im Beschäftigten-, Kunden- und Güterverkehr.

Das Gros fällt auf den Güterverkehr. Eine Verkehrsuntersuchung hat im Worst-Case-Szenario täglich 352 Lkw-Fahrten zwischen 6 und 22 Uhr prognostiziert, weitere 32 Fahrten in der Nacht. Anwohner der Elsa Brändström-Straße verweisen auf das jetzt schon hohe Verkehrsaufkommen und tägliche Staus an der Einmündung zur Brechtener Straße in Brambauer. Und sie sorgen sich um die Kinder, die die Straße überqueren müssen.
Dabei dürften die Lüner nicht allein Leittragende der Verkehrsentwicklung sein. Die Elsa-Brändström-Straße geht südlich der Autobahnbrücke in die Alfred-Lange-Straße in Dortmund-Schwieringhausen über. Und es liegt auf der Hand, dass ein Teil des Verkehrs durch Dortmunder Stadtteile fließt.
Sabine Krone wohnt an der Alfred-Lange-Straße im östlichen Teil von Schwieringhausen. Ein- und Zweifamilienhäuser säumen die Straße. Eine kleine Siedlung mit großen Gärten, zu der auch ein paar Mehrfamilienhäuser an der Schwieringhauser Straße zählen.
„Begeistert bin ich von dem Bau nicht“, sagt Sabine Krone diplomatisch. Wenn sie und ihre Familie spazieren gehen, müssen sie schon jetzt die Straße überqueren. Die Alfred-Lange-Straße hat nur auf einer Seite einen Bürgersteig. Durch die Sperrung der Kanalbrücke habe der Verkehr schon in den letzten Jahren zugenommen. „Fast 400 Lkw sind eine Hausnummer“, erklärt die Schwieringhausenerin.
Route zur A2 und zum Containerhafen
Dass ein Teil des Verkehrs über die Alfred-Lange-Straße führt, erklärt sich aus dem Vermarktungs-Flyer von Hillwood. Als Hauptverkehrsanbindung nennt das Unternehmen die Autobahnen A2 und A1 sowie die Bundesstraße 54. Eine kleine Liste nennt Distanzen.
Als Entfernung zur A2 sind 9,9 Kilometer angegeben. Nach Berechnungen unserer Redaktion führt die Route mit exakt dieser Länge über die Alfred-Lange-Straße, die Holthauser Straße, die Ellinghauser Straße und die Emscherallee zur Anschlussstelle Mengede.
Auffällig: Die maroden Kanalbrücken in Schwieringhausen und Groppenbruch sind dabei bereits berücksichtigt. Entsprechende Alternativstrecken sind deutlich kürzer – wie auch der Weg über Dortmund-Brechten zur Anschlussstelle Dortmund-Nordost.

Im Flyer von Hillwood ist unter anderem auch der Dortmunder Hafen mit seinen Container-Terminals ausgewiesen. Der mit 8,8 Kilometern Länge bezifferte Weg führt von der Ellinghauser Straße durch Dortmund-Deusen.
Neben Schwieringhausen kommt auch in den eher dörflichen Ortskernen von Holthausen und Deusen deutlich mehr Lastverkehr vor die Haustüren. Holthauser Straße und Deusener Straße haben im Sinne einer einst angedachten Verkehrsberuhigung bauliche Verengungen im Straßenbau.
Die Alfred-Lange-Straße ist vom Querschnitt gar nicht auf den Schwerlastverkehr eines Logistikzentrums ausgelegt. Seitdem die Schwieringhauser Brücke gesperrt ist, wird es eng, wenn sich zwangläufig Lkw begegnen.

Frühestens 2027 werden die Brückenneubauten in Schwieringhausen und Groppenbruch fertiggestellt. Die rund 750 Einwohner des ländlichen Stadtteils müssen bis dahin voraussichtlich noch längere Fahrtzeiten einkalkulieren.
Claudia Thee lebt inmitten der alten Schwieringhauser Bauernschaft. Schon jetzt sind Fahrten ins Stadtteilzentrum Mengede für sie ein Graus. „In Brambauer gibt es auf der Elsa-Brändström-Straße an der Einmündung zur Brechtener Straße wegen des Stoppschilds einen Rückstau“, erzählt sie. „Eine Katastrophe“, wenn die prognostizierten Fahrten durch das Logistikzentrum hinzukommen.
Diese Erfahrung teilt Claudia Thee mit den Anwohnern in Brambauer. Die Konsequenz: Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens fahre sie über Holthausen, Lindenhorst und Ellinghausen nach Mengede – die längste Variante der Umleitungsstrecken seit Sperrung der Schwieringhauser Brücke.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. Februar 2024.