Reaktion der Stadt Dortmund auf gefährliche Kreuzung bringt den ADFC auf die Palme

© Martina Niehaus

Reaktion der Stadt Dortmund auf gefährliche Kreuzung bringt den ADFC auf die Palme

rnUnfallgefahr

Ein Radweg, der Radfahrer vor den Autofahrern versteckt. Eine Kreuzung, an der es einen Toten gab. Die Stadt kennt das Problem an der Schützenstraße. Ihre Reaktion sorgt für Unverständnis.

Nordstadt

, 18.02.2020, 20:45 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Kreuzung der Schützenstraße und der Mallinckrodtstraße ist lebensgefährlich. So hat es ein Radfahrer beschrieben, der sich Anfang Februar verzweifelt an die Bezirksvertretung gewandt hatte: „Hier entstehen täglich brenzlige Situationen, die nur durch umsichtige Radfahrende nicht tödlich enden.“

Jetzt lesen

Sowohl in nördlicher als auch in südlicher Richtung versperren große Werbetafeln den Autofahrern die Sicht. Das sieht das Tiefbauamt anders: Die Werbetafel sei hier „kein sichtbehinderndes Problem“, teilt die Tiefbauamtsleiterin Sylvia Uehlendahl auf Anfrage mit.

Werbetafel soll jetzt neu überprüft werden

Der Standort der Werbetafel werde aber „im Rahmen des neuen Vertrages zur Stadtwerbung genau begutachtet und geprüft und gegebenenfalls verlagert“, heißt es vonseiten des Tiefbauamtes. Die Ausschreibung sei gerade beendet und der Rat werde bald darüber entscheiden. Eine solche genaue Prüfung hatte das Tiefbauamt allerdings bereits im August 2018 angekündigt.

Nicht nur die Werbetafel steht im Fokus der Kritik: Der Radweg selbst ist gefährlich. Denn er wird erst unmittelbar vor der Kreuzung auf die Straße geführt. Auf Anfrage der Redaktion gibt Pressesprecher Christian Schön von der Stadt Dortmund zu: „Die Lage des Radweges im Kreuzungsbereich ist alles andere als optimal, weil dieser rund 3,60 Meter von der Fahrbahn entfernt ist.“

Jetzt lesen

Damit befände er sich nicht im Sichtbereich des Kraftfahrzeugs-Verkehrs „und auch im Toten Winkel der Kraftfahrzeug-Spiegel“, so Schön. Genau diesen Punkt hatte Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder angesprochen. Er hatte gesagt, wenn er in den Rückspiegel sehe, könne er Radfahrer hinter den parkenden Autos kaum von Fußgängern unterscheiden. Jörder: „Die Sicht wird durch verschiedene Aspekte erheblich erschwert.“

Die Einschätzung der Stadt klingt eindeutig: „Nach der Richtlinie müsste der Radweg an die Fahrbahn mit einem Vorlauf von mindestens 10 Metern herangeführt werden, damit die Radfahrenden im Sichtbereich der Kraftfahrzeuge sind“, so Schön.

Die Richtlinien sind eindeutig - doch der Radweg erfüllt sie nicht

Der Pressesprecher verweist dabei auf generelle Richtlinien zu Sichtfeldern, wie zum Beispiel die „RAST“ (Richtlinien für die Anlagen von Stadtstraßen) von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen.

„Besonderes Augenmerk“, steht in den Richtlinien, müsse „auf Konflikte mit abbiegenden Kraftfahrzeugen“ gelegt werden. Diesem Konflikt war ein 85-jähriger Radfahrer zum Opfer gefallen, der im August 2018 von einem abbiegenden LKW überfahren worden war. Der Radfahrer starb sechs Tage später im Krankenhaus.

Die Gefahrenschwerpunkte an dieser Stelle sind der Stadtverwaltung also durchaus bekannt. Doch eine Änderung der Radwegeführung sei nicht möglich. Christian Schön: „Bedingt durch die bauliche Gestaltung des Knotenpunktes kann hier aber der Radweg nicht anders angelegt werden, auch eine Führung des Radfahrers auf der Straße kann nicht erfolgen.“

ADFC-Sprecher sagt: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!“

Das kann Karl-Heinz Kibowski vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) Dortmund überhaupt nicht nachvollziehen. Seit vielen Jahren ärgert er sich über diese Kreuzung, wie er erzählt. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, sagt der 68-Jährige.

Und er sagt: „Der Radweg kann näher an die Fahrbahn gelegt werden, wenn die Werbetafel und zwei Bäume beseitigt werden. Das muss man sich einfach mal genau angucken.“ Natürlich wären dann Umbaumaßnahmen erforderlich. „Es ist sicherlich ein größerer Aufwand - aber es ist möglich! Wenn die Stadt sagt, es gäbe keine andere Möglichkeit, dann gibt es doch fast immer eine andere Lösung, einen Plan B.“

Ist es sicherer, den Radweg gar nicht erst zu benutzen?

Manchmal, überlegt Kibowski, sei es vermutlich besser, den Radweg dort gar nicht erst zu nutzen, sondern direkt auf der Straße zu fahren. Denn es gebe dort keine Schilder, die zur Nutzung des Radwegs verpflichten. „Aber dann werden Radfahrer bedrängt und angehupt, weil sie im Weg sind“, glaubt er.

Was die Werbetafeln betrifft: Da kennt Kibowski noch mehrere kritische Stellen. An der Märkischen Straße in Höhe der Wenkerstraße zum Beispiel. „Die Gefahr sind hier Fußgänger, die hinter der Werbetafel stehen, dort von den Radfahrer nicht gesehen werden können.“

An dieser Werbetafel kann es zu Zusammenstößen mit Fußgängern kommen.

An dieser Werbetafel kann es zu Zusammenstößen mit Fußgängern kommen. © Karl-Heinz Kibowski

Mit einem Schritt kämen die Fußgänger dann plötzlich hervor und Unfälle seien möglich. Denn an dieser Stelle queren auch viele Fußgänger die Straße, um zum Rewe und zurück zu gelangen. „Weil ich die Situation kenne, fahre ich dort immer vorsichtig“, sagt Karl-Heinz Kibowski.

Probleme mit schlechter Sicht aufgrund von Werbetafeln an anderen Stellen des Stadtgebietes sind im Tiefbauamt bisher nicht bekannt. „Sollte es hierzu noch zeitnahe Hinweise geben, könnten sie sicher geprüft werden, bevor ein neuer Vertrag in Kraft tritt“, sagt Christian Schön.

Die schlechte Sicht an der Werbetafel Märkische Straße ist eine Information, die die Redaktion jetzt an die Stadt weitergeleitet hat. An der Kreuzung Schützenstraße / Mallinckrodtstraße heißt es für Radfahrer weiterhin: Aufpassen!

Auszug aus den Richtlinien für die Anlagen von Stadtstraßen
  • Liest man diese Richtlinien unter dem Punkt „Radverkehrsführung an Knotenpunkten“ nach, tauchen tatsächlich viele Forderungen auf, die der Radweg an der Kreuzung Schützenstraße / Mallinckrodtstraße nicht erfüllt.
  • Gefordert werden hier „ausreichende Sichtbeziehungen zu allen anderen Verkehrsteilnehmern“. Das wird auch gleich näher erläutert: „Radverkehr möglichst nah an Fahrbahn führen, keine Sichthindernisse wie Begrünung“, steht dort.
  • Weiter heißt es in den Richtlinien, dass die Radien an den Radwegen nicht zu eng sein dürften - und das ist an dem Radweg Schützenstraße an mehreren Stellen der Fall. Dort knickt er sogar im rechten Winkel ab.