Karstadt zahlt Steuern in Dortmund nicht Stadt bleibt auf Forderungen sitzen

Karstadt zahlt seine Steuern nicht: Stadt bleibt auf Forderung sitzen
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Jobs weg, Geld futsch. Das ist das Horror-Szenario, auf das sich die Stadt Dortmund im Insolvenzverfahren Galeria Karstadt Kaufhof einstellen muss. Der Warenhaus-Konzern hat angekündigt, das traditionsreiche Haus am Westenhellweg Ende Januar 2024 zu schließen. 160 Beschäftigte sollen ihren Job verlieren.

Jetzt kommt heraus: Der Konzern vernichtet nicht nur Jobs, er zahlt auch seine Steuern nicht: Galeria Karstadt Kaufhof schuldet der Stadt Gewerbesteuer. Das hat unserer Redaktion aus mit der Sache vertrauten Kreisen erfahren.

Wie hoch die Summe ist, die Galeria Karstadt Kaufhof der klammen Kommune Dortmund schuldet, ist nicht bekannt. Entsprechende Anfragen an Galeria Karstadt Kaufhof, und Frank Kebekus, den Sachwalter des Insolvenzverfahrens, blieben unbeantwortet. Das Amtsgericht Essen, das für das Insolvenzverfahren zuständig ist, hat unserer Redaktion trotz Anfrage keine Akteneinsicht gewährt. Und „die Stadt Dortmund darf sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht zu etwaigen Steuerschulden von Galeria Karstadt Kaufhof äußern“, lautet die Antwort von Stadtsprecher Michael Meinders auf unsere Anfrage.

Fakt ist aber: Die Stadt Dortmund hat im Insolvenzverfahren Ansprüche angemeldet und war durch eine Mitarbeiterin auf der Gläubigerversammlung in der Essener Grugahalle am 27. März vertreten.

Das bestätigte Oberbürgermeister Thomas Westphal nach einer Sitzung des Verwaltungsvorstands und auf Nachfrage unserer Redaktion. „Wir haben dem Sanierungsplan zugestimmt – die Stadt Dortmund war daran beteiligt, weil wir auch Gläubiger sind. Diesem Plan haben wir schweren Herzens zugestimmt , weil man natürlich Geld liegen lässt, auf das man eigentlich Anspruch hat. Wir haben das getan mit Blick auf die Fortführung der gesamten Gesellschaft.“

50 Millionen statt Milliarden

Denn der insolvente Konzern hatte für die Gläubigerversammlung eine Drohkulisse aufgebaut: „Bei Planablehnung wird der Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen sein.“ Dann wäre nicht nur das Haus am Westenhellweg geschlossen worden, sondern alle Filialen in ganz Deutschland, 16.000 Menschen hätten ihren Job verloren.

Also genehmigten die Gläubiger den Insolvenzplan. Mit mutmaßlich verheerenden Konsequenzen, was die ausstehenden Forderungen angeht: 1,7 Milliarden Euro wurden angemeldet – „zur Befriedigung der Gläubiger stehen anschließend 50 Millionen Euro zur Verfügung“, schreibt Galeria Karstadt Kaufhof in einer Pressemitteilung von 27. März, die online mittlerweile nicht mehr verfügbar ist.

„Für Gläubiger, die nicht vorrangig abgesichert sind, gibt es eine Insolvenzquote von gerade mal zwei bis 3,5 Prozent. Das heißt, auf den größten Teil der 1,7 Milliarden Euro an angemeldeten Forderungen müssen sie verzichten. Und einer der größten Geschädigten ist der deutsche Steuerzahler“, fasst das „Handelsblatt“ die Vorgänge zusammen.

Einer dieser „Geschädigten“ ist auch die Stadt Dortmund. Der Bund muss nach Informationen von „Business Insider“ 590 seiner 680 Millionen Euro abschreiben. Lediglich ein Kredit von 90 Millionen Euro wird wohl zurückgezahlt.

In welchem Rang – das heißt, mit welcher Priorität – die Forderungen der Stadt Dortmund behandelt werden, ist unbekannt. Galeria und der Sachwalter haben sich dazu nicht geäußert. Fachkundige Quellen rechnen damit, das mindestens 98 Prozent der Forderungen nicht zurückgezahlt werden.

Mehr als eine Million erlassen

Es wäre nicht das erste Mal, dass Dortmund dem Karstadt-Konzern ein Steuergeschenk machen muss: Nach dem katastrophalen Wirken von Thomas Middelhoff hatte der Warenhaus-Konzern 2009 erstmalig Insolvenz angemeldet.

Die Beschäftigten verzichteten auf 150 Millionen Euro Gehalt, es begann ein Tauziehen um die dann fällige Gewerbesteuer. 90 Kommunen sollten auf Einnahmen von 100 Millionen Euro verzichten – viele wollten das nicht, einige durften es nicht. Am Ende einigte man sich. Die Stadt Dortmund verzichtete am 25. März 2010 per Ratsbeschluss auf eine siebenstellige Summe.

Es folgte der Verkauf an Signa, die Firmengruppe des österreichischen Investors René Benko, die Fusion mit Galeria Kaufhof, 2020 die zweite und 2022 die dritte Insolvenz – in der sich der Konzern immer noch befindet.

Und nun steht erneut der Verzicht auf Gewerbesteuer an. Kein Wunder, dass Oberbürgermeister Thomas Westphal einen Déjà-vu-Effekt hat: „Das ist ja schon fast ein Geschäftsmodell – und das auf Kosten der Arbeitnehmer“, sagte er auf dem Empfang der Stadtspitze zum Tag der Arbeit. Der Konzern habe offenbar „alles im Blick, aber nicht das Kaufhaus“.

Fast 17 Prozent wäre der Satz

Unklar ist, wie hoch der Verzicht dieses Mal ausfällt. Ein siebenstelliger Betrag ist es eher nicht. 2010 wurde die Steuer auf sogenannte Sanierungserlöse erhoben – Gewinne, die entstehen, weil zum Beispiel Gläubiger und Gewerkschaften auf Forderungen verzichteten. Diese Erlöse sind aber seit 2017 weitgehend steuerfrei, weil man trudelnden Firmen nicht durch nachträgliche Steuerforderungen in die Pleite schicken will. „Fiktive Gewerbesteuer“ nennen Experten das.

Im jetzigen Fall wäre die allerdings recht real, bezöge sich also auf Gewinne, die Karstadt in Dortmund gemacht hat. Im Falle einer Kapitalgesellschaft beträgt die Gewerbesteuer in unserer Stadt fast 17 Prozent dieses Gewinns. In diesem Fall de facto eher null Prozent von X, also nix - um ein Zitat von Peer Steinbrück sachgemäß abzuwandeln.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 2. Mai 2023.

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