160 Karstadt-Mitarbeiter gekündigt „Ich habe die Tränen unterdrückt“

160 Karstadt-Mitarbeiter gekündigt: „Ich habe die Tränen unterdrückt“
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Es war ein Vorgeschmack auf die Zeiten, die kommen könnten. Am Freitag, 28. April, standen die Kunden am Westenhellweg vor verschlossenen Türen. Vergeblich warteten Dortmunder darauf, dass sich um 10 Uhr die Pforten zur Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale öffnen würden. Anderthalb Stunden sollte das Kaufhaus geschlossen bleiben. Es wurden dreieinhalb Stunden daraus - die 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gerade ihre Kündigung erhalten und hatten großen Redebedarf.

„Heute ist ein schwerer Tag für die Belegschaft. Viele haben die Kündigung erhalten“, sagt Betriebsratsvorsitzender Joffrey Kallweit unserer Redaktion. Bis zu 1300 Mitarbeiter hatten einst in den verschiedenen Häusern in der Dortmunder City gearbeitet, jetzt sollen nach dem Willen der Konzernzentrale die letzten 160 gehen - „das ist ganz bitter“.

Entsprechend emotional war die Stimmung bei der Betriebsversammlung: „Die Leute haben Angst und sind am Ende, bei vielen schlägt sich das auch in körperlichen Beschwerden nieder“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. Sein Stellvertreter Thomas Bader kann das nachvollziehen. 41 Jahre arbeitet er jetzt bei Karstadt: „Für mich war das immer wie Familie. Jetzt geht da etwas zu Ende. Für mich ging das sehr tief rein - man hat die Tränen unterdrücken müssen.“

Denn natürlich war Bader auch in diesen Momenten erst einmal Ansprechpartner für die Kolleginnen und Kollegen: „Das war sehr emotional, es gab sehr viele Fragen wie es jetzt weitergehen soll.“ Die Vollzeitangestellten haben ihre Kündigung zu Ende Januar erhalten, befristete Verträge laufen eher aus.

Die Beschäftigten erhalten zwei Monatsgehälter als Abfindung, gedeckelt auf 7000 Euro. „Alternativ kann man auch in eine Transfergesellschaft wechseln. Dann gibt es für sechs Monate 13 Prozent mehr als das Arbeitslosengeld beträgt“, erläutert Kallweit. Das letztere sei eher für rentennahe Jahrgänge, also ältere Arbeitnehmer empfehlenswert.

Joffrey Kallweit ärgert sich, dass die Zusagen über den Zeitplan nicht eingehalten wurden. Man sei immer wieder vertröstet worden, jetzt habe die Zitterpartie Konsequenzen: „Es gibt einen großen Teil von Eigenkündigungen“, sagt er - heißt: das Personal kündigt und geht sofort. Dass unter diesen Bedingungen noch ein reguläres Weihnachtsgeschäft möglich ist, glaubt Kallweit nicht.

„Das geht gar nicht“

„Bei Karstadt sind viele Aufgaben verpasst worden, weil man einfach nicht auf die Mitarbeiter gehört hat. Das Management hat mich sehr enttäuscht - es redet von flachen Hierarchien, zentralisiert aber immer mehr.“ Von Ex-Eigentümer René Benko, der einst mit der Firma Signa Karstadt übernommen hat und immer noch per Stiftung davon profitiert, hätte er anderes erwartet: „Seit November haben wir nichts mehr von ihm gehört. Das geht gar nicht.“

„Wer hier in Dortmund kein Warenhaus betreiben kann, der kann das auch nirgendwo anders“, ergänzt sein Vize Thomas Bader. Er fürchtet, dass Ende Januar hier das Herz der Innenstadt aufhört zu schlagen. „Karstadt gehört zu Dortmund wie die Borussia.“

Karstadt-Kunde Ulrich Flaß vor dem Haus am Westenhellweg
Karstadt-Kunde Ulrich Flaß: "Ein Magnet würde wegfallen." © Tim Schulze

Das sehen auch viele vor den geschlossenen Haus so: „Schade, wenn Karstadt den Bach runtergehen würde. Das wird einiges nach sich ziehen, wenn so ein Magnet wegfällt. Karstadt ist der letzte Vollsortimenter“, sagt Ulrich Flaß aus Berghofen.

Renate Hartung ergänzt: „Ich kann mir das gar nicht vorstellen - Dortmund ohne Karstadt. Wo sollen wir Älteren denn dann einkaufen? Wir möchten vor Ort einkaufen und nicht im Internet bestellen.“ Das sieht Gertrud Solibieda aus Körne ähnlich: „Ich möchte Sachen anschauen und Leute gucken. Das kann ich im Netz gar nicht.“

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