Karstadt in Dortmund läuft das Personal davon Für Kunden ist das spürbar - ein Besuch vor Ort

Karstadt läuft das Personal davon: „Der ist auch auf dem Absprung“
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So weit man schauen kann in der großen Schuhabteilung, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter sucht man vergebens. Auch bei den Elektro- und Haushaltswaren in der vierten Etage des Karstadt-Hauses am Westenhellweg kann ich mich beim Besuch am Mittwoch (26.7.) lange und ganz offensichtlich und demonstrativ hilfesuchend nach einer Bratpfanne oder einem Kochtopf umschauen: Angesprochen werde ich als Kunde auch nach einer halben Stunde nicht.

In dem ganzen, riesigen Kaufhaus ist es das immer gleiche Bild. Die Ware entlang der vielen Gänge ist gut sortiert, aber Verkäufer finden sich kaum. Man merkt als Kunde, dass Karstadt deutlich weniger Personal auf den Verkaufsflächen hat als früher. Der Betriebsratsvorsitzende Joffrey Kallweit schätzt, dass seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Beginn des Jahres rund 35 Beschäftigte das Haus in Dortmund verlassen haben.

„Ersatz haben wir bislang nicht“, sagt der Betriebsratschef. Und für Verdi-Sekretär Rainer Kajewski wird sich die angespannte Personallage eher weiter verschärfen. „Es gibt immer noch Mitarbeiter, die kündigen und in neue Jobs wechseln“, sagt er. Genau darüber tuscheln wohl auch drei Mitarbeiterinnen, die im Erdgeschoss zusammenstehen. Während ich mir ganz in der Nähe von ihnen ein paar Uhren anschaue, erlausche ich den Satz „Der ist auch auf dem Absprung“.

Alle waren schon gekündigt

Offen reden möchten die Frauen über die Situation in ihrer Abteilung und darüber, wie oft sie jetzt für fehlende Kolleginnen und Kollegen einspringen müssen, nicht. Dass sie sich aber Sorgen darüber machen, wie das denn alles weitergehen soll, das sagen sie schon. Im April hatten alle rund 160 Beschäftigten in Dortmund ihre Kündigung erhalten. Im Mai folgte die Kehrtwende: das Haus werde doch nicht Ende Januar 2024 schließen, hieß es.

In der vierten Etage des Karstadt-Hauses in Dortmund kann man viel kaufen, aber nichts bezahlen. Die Kasse blieb hier am Mittwochmittag geschlossen - mit Verweis auf die Kasse im dritten Obergeschoss.
In der vierten Etage des Karstadt-Hauses kann man viel kaufen, aber nichts bezahlen. Die Kasse blieb hier am Mittwochmittag geschlossen - mit Verweis auf die Kasse im dritten Obergeschoss. © privat

Ich fahre nochmal hoch in die vierte Etage, und unternehme einen erneuten Anlauf, um mit einer fachlichen Beratung eine gute Bratpfanne zu bekommen. Wieder schaue ich mich fragend um, wieder entdeckt mich niemand. Irgendwo fernab der Bratpfannen entdecke ich dann einen Verkäufer, der gerade zwei Kundinnen bedient. Er sei gleich für mich da, signalisiert er mir.

Joffrey Kallweit, der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt in Dortmund, schätzt, dass rund 35 Beschäftigte das Haus seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Beginn des Jahres verlassen haben.
Joffrey Kallweit, der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt in Dortmund, schätzt, dass rund 35 Beschäftigte das Haus seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Beginn des Jahres verlassen haben. © Stephan Schütze

Der Mann ist spürbar im Stress, als er dann auf mich zukommt. „Ich bin hier fast alleine auf der Etage“, sagt er. Äußerst kompetent berät er mich, und wir kommen auch abseits meiner Fragen nach der richtigen Bratpfannenbeschichtung kurz ins Gespräch. Ja, die Personallage sei schon ein Problem, man gehe gerade „auf dem Zahnfleisch“.

In der Haushaltswarenabteilung hier oben sei ein Kollege vor Kurzem in Rente gegangen, zwei hätten gekündigt, ein Kollege sei krank und ein anderer werde am Knie operiert. „Viele bleiben dann nicht mehr übrig“, sagt er säufzend.

Forderung nach mehr Personal

Dass sich der Runde Tisch Sorgen macht, der mit Vertretern aus Politik, Wirtschaftsförderung Handel und Gewerkschaft, der bereits zur Karstadt-Rettung 2020 gegründet wurde und weiter existiert - das ist nur allzu verständlich. Man schickte jetzt einen „Brandbrief“ an die Karstadt-Bosse.

Er enthält die Forderung nach mehr Personal: Gefragt sei ein Haus, dessen Mitarbeiter „keine Zukunftsängste mehr haben müssen und die nicht mehr allein für weite Teile der Flächen verantwortlich sind“.

Schon direkt nach der Bekanntgabe, dass Karstadt in Dortmund doch nicht wie geplant 2024 schließen werde, waren die Reaktionen einhellig. Ein „Weiter so!“ - Das dürfe es nicht geben. „Jetzt beginnt die Arbeit erst für Karstadt“, meinte zum Beispiel Cityring-Chef Tobias Heitmann.

Eine Reaktion der Unternehmensführung von Karstadt auf den Brandbrief aus Dortmund wurde bisher nicht bekannt.

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