Kanzlerin Merkel geht mit Autoindustrie ins Gericht
Heiße Wahlkampfphase in Dortmund gestartet
Frisch aus dem Urlaub zurück und mit guten Umfragewerten im Rücken hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstagvormittag in Dortmund die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs eröffnet. Vor dem CDU-Arbeitnehmerflügel CDA drehte sich dabei das Thema vor allem um Arbeit, Rente und Familie. Mit der Automobilindustrie ging Merkel in ihrer sonst unaufgeregten Rede scharf ins Gericht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde beim Wahlkampfauftakt des CDU-Sozialflügels CDA in der Westfalenhalle in Dortmund von rund 800 Anhängern gefeiert.
Vor rund 800 Anhängern in der Westfalenhalle 2 verlangte die Kanzlerin von den deutschen Autobossen, schnell verspieltes Vertrauen wieder herzustellen und mehr Offenheit für neue Technologien zu zeigen.
"Weite Teile der Automobilindustrie haben unglaubliches Vertrauen verspielt", kritisierte die Kanzlerin mit Blick auf die Dieselaffäre. Ehrlichkeit gehöre zur sozialen Marktwirtschaft, "zerstörtes Vertrauen ist mit der sozialen Marktwirtschaft nicht zu vereinbaren. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen."
Neue Antriebstechnologien entwickeln
Wenn Deutschland Automobilstandort Nummer eins bleiben wolle, müsse die Autoindustrie stärker auf die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien wie Elektro und Wasserstoff setzen, das autonome Fahren und Car-Sharing weiterentwickeln. Auch wenn die Regierung den Übergang unter anderem mit Ladeinfrastruktur "anschubsen" müsse - die Hauptverantwortung liege bei der Automobilindustrie. "Die Frage, ob die deutsche Automobilindustrie diese Zeichen der Zeit erkannt hat, wird über ihre Zukunft entscheiden", sagte Merkel. Nicht weniger als 800.000 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.
Andere Länder seien Deutschland beim autonomen Fahren voraus. In Estland führen Busse in der Hauptstadt selbststeuernd. In Deutschland gebe es gerade mal die Einparkhilfe, sagte die Kanzlerin und ließ dabei ihren Humor aufblitzen: "Wer nicht so gut einparken kann, kann es ja heute schon automatisch versuchen. Ich spreche da vor allem die Männer an." Die haben artig mitgelacht.
Vorschlag für eine E-Quote in Europa nicht "genau durchdacht"
Auch wenn ihr Herausforderer Martin Schulz in Merkels Rede nicht vorkam, streifte sie seinen jüngsten Vorschlag, in Europa eine Quote für Elektroautos einzuführen. Das halte sie kaum für umsetzbar, den Vorschlag für nicht "genau durchdacht". In Europa müsse man zunächst lange darüber verhandeln. Und was tun, wenn die Quote nicht eingehalten würde, fragte Merkel.
Ansonsten waren es die Themen ihres SPD-Herausforderers, die Merkel vor dem Sozialflügel ihrer Partei erwähnte. Nur kurz ging ihr Blick zurück auf die Erfolge ihrer zwölfjährigen Regierungszeit, während der sich die Arbeitslosenzahl von damals 5 Millionen Arbeitslosen halbiert habe.
Vollbeschäftigung bis 2025 ist das Ziel
Ziel sei die Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2025, sprich eine Arbeitslosenquote von unter drei Prozent. "Ich glaube, dass das zu schaffen ist." Es sei ihr ein "ganz tiefes Anliegen", auch den Langzeitarbeitslosen eine Perspektive und "ein erfülltes Leben zu bieten. Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass sich die Politik das noch mal ansieht."
Es war kein von Angriffslust geprägter Wahlkampfauftakt. Im Gegenteil. Merkel lobte den ehemaligen SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering für die Rente mit 67 und die aktuelle SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles, wie Müntefering in einer großen Koalition mit der CDU, für die Einführung des Mindestlohns und die neuen Leitplanken für die Leiharbeit. Auch wenn die CDU zunächst andere Vorstellungen gehabt habe - "der Mindestlohn hat vielen Menschen mehr Sicherheit gebracht." Bei der Leiharbeit seien Leitplanken auch dringend erforderlich, weil Unternehmen "maßlos davon Gebrauch machen", wenn etwas gesetzlich nicht geregelt sei. Wie solche Lücken im Gesetz genutzt würden, das sei "nicht aktzeptabel".
Bürgerportal über alle Ebenen
Auch sonst richtete sich der Blick der Kanzlerin nach vorn - auf die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung.
Merkel kündigte ein gemeinsames Bürgerportal mit den Ländern und Kommunen an, in dem alle Daten jedes einzelnen Bürgers in seiner persönlichen digitalen Akte zusammengefasst sind, egal ob Steuern, Kfz-Anmeldung oder Arztbesuch. Das sorge auch für die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Datensparsamkeit. Zudem sollten alle Bürger an der Digitalisierung teilhaben, sagte Merkel.
"Wir brauchen jede Stimme"
Ach, und das hätte sie am Schluss ihrer im Stehen beklatschten Rede beinahe vergessen: "Dass die Wahl noch nicht entschieden ist, dass wir jede Stimme brauchen, und ich darauf zähle, dass Ihr Beifall nur der Auftakt zu großem Engagement war, Menschen für uns zu begeistern und zu werben."