Jens Peick: Die Gitarre hilft ihm, nach einem hektischen Tag den Kopf freizubekommen.

© Oliver Schaper

Jens Peick (SPD) besitzt fünf Gitarren und raucht auch mal Zigarillo

rnBundestagswahl 2021

Er besitzt fünf Gitarren. Er spielt in einer Band - und er betreibt Kampfsport. Doch wie viel Zeit bleibt ihm künftig noch für Hobbypflege? SPD-Kandidat Jens Peick (40) zieht es in den Bundestag.

Dortmund

, 19.08.2021, 11:35 Uhr / Lesedauer: 3 min

Jens Peick lässt sich im Schneidersitz auf dem Fußboden seines Arbeitszimmers nieder und spielt „Layla“. Es ist ein alter Song von Eric Clapton, 1970 erschienen. Bluesrock-Fan Peick kennt den Text in- und auswendig. Es ist sein erstes Lied, das er sich selbst beigebracht hat. So, wie er sich das Gitarrespielen generell selbst beigebracht hat. An der Wand hängen Portraits von Clapton und Springsteen.

„Der macht eine fantastische Bühnenshow“, sagt Peick. Dann wechselt er zu „Sweet Home Chicago“, einem alten Song der Blues Brothers. „Come on, Oh baby don’t you wanna go!“ schmettert Peick mit kräftiger und durchdringender Stimme. Kurz danach ist die kleine Privatshow beendet, und Peick sitzt wieder auf der Couch. Er mache das gern, sagt er: abends zur Gitarre greifen und ein bisschen spielen. Nur für sich.

Bier für den Wahlkampf, hergestellt in der Aplerbecker Braumanufaktur Pottländer.

Bier für den Wahlkampf, hergestellt in der Aplerbecker Braumanufaktur Pottländer. © Oliver Schaper

Die Wochen bis zur Bundestagswahl am 26. September werden hart: Radtouren, Podiumsdiskussionen, Infostände, das ganze Programm. Und irgendjemand muss ja auch das Bier an die Wähler verteilen, das er für den Wahlkampf bei Bekannten gebraut hat. 2000 gut gefüllte Gläser mit seinem Konterfei. „Das passt zum Ruhrpott“, sagt Peick und schmunzelt. Er lebt als Single.

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Das Elternhaus hat ihn geprägt

Peick weiß: Er muss seinen Wahlkreis 142 direkt holen. Er steht auf Platz 57 der SPD-Landesliste. Viel zu weit hinten, als dass er über einen sicheren Listenplatz einziehen könnte. Es ist seine erste Bundestagskandidatur. Aber ein Neuling im Politgeschäft ist Peick nicht: Seit 21 Jahren hat er das SPD-Parteibuch, seit 2014 ist er Vize-Chef des SPD-Unterbezirks Dortmund. Und Mitgliedsbeiträge an die Gewerkschaft Verdi führt er obendrein ab.

Peick redet schnörkellos, seine Sätze sind kurz und klar. Er erzählt über die Band, in der er spielt. „No fortunate one“, sieben Leute. Der Name lehne sich an einen alten Song gegen den Vietnam-Krieg an. Mit der Band zu proben, das funktioniere. Nur Auftritte, die seien wegen Corona aktuell nicht möglich, sagt Peick.

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Häufig kommt er auf sein Elternhaus zu sprechen: Seine Mutter war Gardinenverkäuferin, sein Vater Schlosser. „Ich bin durch und durch sozialdemokratisch geprägt“, sagt Peick, nippt am Kaffee und schiebt eilig hinterher: „Es ist uns zu Hause nicht schlecht gegangen.“ Seine unausgesprochene Botschaft: „Ja, ich bin ein typisches SPD-Arbeiterkind, das sozialen Aufstieg erlebt hat! Nur möchte ich nicht ständig damit kokettieren, wie es ein ehemaliger SPD-Kanzler gemacht hat.“

Vom OB-Büro ins Impfzentrum

Sozialer Aufstieg: Auf ein Studium hat Peick verzichtet. Nach dem Abi im Gymnasium geht er in die Stadtverwaltung. Dort macht er seinen Diplom-Verwaltungswirt, sitzt als Arbeitsvermittler im Job-Center, wechselt ins OB-Büro im Rathaus und hilft nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Impfzentrum auf Phoenix-West. Dort wird er für Logistik und Organisation zuständig.

„Der Jens Peick ist ein guter Junge!“ Wer ihn mit diesem Zitat von Ex-OB Ullrich Sierau konfrontiert, Peicks ehemaligem Chef, erntet erst ungläubiges Lächeln und dann ein fast schüchternes „Das freut mich.“ Sicher, es war nicht gut gelaufen 2020 mit seiner Kandidatur für den Posten des Arbeitsdirektors am Klinikum.

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Die Arbeitnehmer hatten ihn um die Kandidatur gebeten und der Aufsichtsrat hatte ihn bereits bestellt. Nur kam eben die notwendige Mehrheit im Rat der Stadt nicht zustande, sodass er schließlich zurückzog. Schnee von gestern. „Ich selber habe mich nie um Mandate beworben“, sagt Peick.

"Ein Kandidat, der Haltung zeigt."

Minuten später steigt im Dunst einer guten Zigarillo ein Gesellschaftsentwurf auf, in dem „Menschen ordentlich und gerecht behandelt werden“. In dem „Arbeit wertgeschätzt und entsprechend entlohnt wird.“ Dürfte Peick ein paar Ratschläge geben – dann würde er empfehlen, Schluss zu machen mit der „Unversöhnlichkeit der Debatten“. Er würde vorschlagen, eigene Standpunkte nicht in Beton zu gießen. Aber – genug damit! Peick holt sich eine zweite Tasse Kaffee.

Parteifreunde bescheinigen ihm, er habe „eine klare Meinung“ und zeige Haltung. Auch bei Gegenwind. 2014, als Neonazis am Abend der Kommunalwahl das Rathaus „stürmen“ wollten, hat er sich nicht zurückgezogen, sondern stand in der vordersten Reihe derjenigen, die sich zur Wehr setzten.

Kampferprobt: Peick betreibt Jiu Jitsu und ist Träger des schwarzen Gürtels.

Kampferprobt: Peick betreibt Jiu Jitsu und ist Träger des schwarzen Gürtels. © Schaper

Er bekam selbst eine Flasche an den Kopf – und sah sich wie einige seiner Mitstreiter später sogar noch einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen „Nötigung“ ausgesetzt. „Ist ja eingestellt worden“, sagt Peick. Es klingt fast wie eine Beschwichtigung. Man spürt: Das Schulterklopfen für seinen Einsatz gegen Neonazis ist ihm fast ein wenig unangenehm. Er sieht es eher als Selbstverständlichkeit.

Jiu Jitsu im Polizeisportverein

Peick hält ein Foto hoch: fünf Männer in Kampfsportkleidung. Er steht links, trägt den schwarzen Gürtel. Seit 2011 betreibt er Jiu Jitsu in der Halle des Polizeisportvereins. Dreimal die Woche, jeweils zwei Stunden – sofern Corona es zulässt. Seine Hobbys, sagt er, helfen, den Kopf freizubekommen. „Man muss sich voll auf das Hier und Jetzt konzentrieren, alles andere hat dann keinen Platz“, erklärt Peick und stellt seine erneut leer gewordene Kaffeetasse ab. Kurzer Blick auf die Uhr.

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Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Termine, Besprechungen, Organisieren – der Wahlkampf ruft. Kann gut sein, dass er zwischendurch abends zu Hause zur Gitarre greift und spielt. Nur für sich. Um den Kopf freizubekommen.