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Italien vs. Deutschland - welche Singles tindern besser?
Kolumne „Dinner for One“
Ein Urlaubsflirt ergibt sich oft schneller als man denkt. Obwohl aus einem solchen meist nicht die große Liebe wird, sollte man ihn genießen. Der nächste Teil unserer Single-Kolumne „Dinner for One“.
Wie ich bereits in meiner vorherigen Kolumne berichtete, habe ich meinen diesjährigen Urlaub alleine in Italien verbracht. Obwohl... wenn man es ganz genau nimmt, war ich nicht durchgehend alleine. Denn ein Klischee über Single-Reisen wollte ich auch unbedingt mit Bravour erfüllen: Den Urlaubsflirt.
Weißwein, Tinder-Accounts und schöne italienische Männer
Meine Abende im Urlaub habe ich meistens auf dem Balkon meines kleinen Apartments verbracht, von dem ich einen wunderschönen Blick auf den Lago Maggiore hatte. An einem Freitag bin ich dort versackt.
Während meines zweiten oder vielleicht auch dritten Glas Weißwein bin ich auf die Idee gekommen, einen Blick auf die Tinder-Accounts der Italiener zu werfen. Diese unterschieden sich stark von denen der Deutschen.
Die Männer zeigten sich auf ihren Profilfotos nur von ihrer besten Seite. Anstatt ausdruckslose Fotos vorm Spiegel zu schießen, lassen Italiener sich vor einer schönen Kulisse ablichten, wobei die meisten sogar ein Sakko tragen.
Ein großes Problem war jedoch, dass ich die Tinder-Profile der Italiener nicht lesen konnte. Das lag nicht an meinem Weinkonsum, sondern daran, dass ich die Sprache nicht beherrsche.
Natürlich hätte ich jeden einzelnen Satz von Google übersetzen lassen können. Jedoch hatte ich darauf nach fünf Versuchen schon keine Lust mehr. Deshalb ist bei einem „Swipe“ nach rechts geblieben.
Tinder schenkte mir eine kostenlose Stadtführung
Als ich mich am darauffolgenden Tag am Strand sonnte, blitze plötzlich etwas auf meinem Handy auf. Es war eine Nachricht von eben diesem Mann, dessen Profil ich am Abend zuvor nach rechts gewischt habe.
„Hello Signora. I hope you like Italy so far. You have to see Varese. This is a city, which is 15 minutes away from you", schrieb Francesco mir. Als ich seine Nachricht las, war ich einfach nur erleichtert, dass er mit mir auf Englisch kommunizierte und nicht auf seiner Heimatsprache.
Anschließend haben wir so lange hin und her getextet, bis wir ein Treffen ausmachten. Wir haben uns für den nächsten Tag um 14 Uhr in Varese verabredet. Denn wie sollte es anders sein, er wollte mir eine Stadtführung geben.
Mein Date mit einem Italiener
Um Punkt 14 Uhr stand ich auf dem Piazza del podestà in Varese, wo Francesco und ich uns verabredet hatten. An gleicher Stelle wartete ich dreißig Minuten später immer noch. Als ich gerade den Rückweg einschlagen wollte, kam der italienische Schönling mir entgegen.
Anstatt sich für seine extreme Verspätung zu entschuldigen, fragte Francesco mich nur „Where do you want to go?". Ich entgegnete ihm, dass ich gerade gehen wollte, da ich davon ausging, dass er nicht mehr erscheinen werde.
Dann erklärte mir Francesco, dass die Italiener Pünktlichkeit nicht so streng nehmen. Eine halbe Stunde verspätet aufzutauchen, wäre für ihn ganz normal. Ich musste lachen. Das Klischee, dass die Uhr den Lebensrhythmus der Deutschen diktiert, scheint zu stimmen.
Mit Leichtigkeit ist das Leben einfacher
Schließlich gab Francesco mir eine Stadtführung, die besser nicht hätte sein können. Er zeigte mir wunderschöne Plätze, typisch italienische Gassen und unscheinbare Läden, die ich selbst wahrscheinlich nie entdeckt hätte.
Am späten Abend aßen wir noch gemeinsam und uns lernten uns besser kennen. Ich fand schnell heraus, dass Francesco und ich grundverschieden sind.
Er lebt in den Tag hinein, macht sich wenig Gedanken um seine Zukunft und seine Jobs wechselt er nach Lust und Laune. Die Redewendung „Komm' ich heute nicht, komm' ich morgen" ist wie für ihn geschrieben.
Doch obwohl wir nicht unterschiedlicher sein hätten sein können, imponierte Francesco mir, eben weil er sein Leben so viel lockerer als ich angeht. Manchmal glaube ich, dass ich mir von einer solchen Einstellung eine Scheibe abschneiden sollte.
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Vielleicht kommt mein Deckel ja aus Italien
In meinen darauffolgenden Urlaubstagen habe ich Francesco noch häufiger gesehen. So saß ich abends nur noch selten alleine mit einem Glas Wein auf dem Balkon.
Ich habe seine Gesellschaft sehr genossen, eingeschränkt in meinem Urlaub „alleine" habe ich mich deshalb nicht. Ganz im Gegenteil: Francesco hat mir dabei sogar noch gezeigt, wie leicht das Leben doch sein kann.
Meine Mutter sagt häufig zu mir „Jeder Topf findet seinen Deckel". Abgesehen davon, dass ich diesen Spruch total schwachsinnig finde, frage ich mich seit meiner Italienreise, woher ich denn wissen kann, ob mein passender Deckel ein deutscher, italienischer oder ganz anderer ist.
Realistisch ist es nicht, dass Francesco und ich uns je wieder sehen. Er hat mir zwar zugesagt, mich schnellstmöglich in Deutschland besuchen zu wollen, dennoch glaube ich nicht, dass es dazu kommen wird. Aus dem Urlaub konnte ich trotzdem viele Erfahrungen mitnehmen. Und wenn ich das Leben mal wieder zu schwer nehme, werde ich an die Lebenseinstellung von Francesco denken.
Neben dem Journalistik-Studium unterstützt Charlotte Schuster die Redaktion in Werne. Im Sommer 2020 hat sie ein Praktikum bei den Ruhr Nachrichten absolviert, welches ihr die schönen Seiten des Lokaljournalismus gezeigt hat.