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Ist der Dortmund-Tatort schädlich für das Image der Stadt?
TV-Krimi
Im neuesten Tatort wurde Dortmund vor einem Millionenpublikum als abgehängte Stadt dargestellt. Der OB und viele Dortmunder toben deswegen. Doch schadet der Tatort wirklich Dortmunds Image?
In der Kulturausschuss-Sitzung ging es hoch her: Der Film sei der „Höhepunkt in der Kette der Zerrbilder“ über die Stadt, wetterte der Bürgermeister, „hier werden Geschäfte und Quoten auf Kosten der Stadt und der Einwohner gemacht.“ Immer würden nur die dunkelsten Seiten der Stadt gezeigt: jede Menge Dreck im Schatten der Hochöfen, Drogen, Mafia, Prostitution. Kurzum: Der Film beschädige den Ruf der Stadt.
Das alles hört sich nach der aktuellen Debatte um den Dortmund-Tatort an. Doch tatsächlich fand diese Ausschuss-Sitzung bereits vor über 20 Jahren statt, 1998, und zwar in Duisburg, nicht in Dortmund. Auch damals ging es um einen Fernseh-Kommissar, sogar um eine Fernsehlegende: Horst Schimanski.
Mit der Sorge nach seinem Ruf steht Dortmund nicht alleine da
Die historische Episode zeigt: Mit der Sorge, ein Fernsehfilm könnte dem Ruf der Stadt schaden, steht Dortmund nicht alleine da. Wer am Tag nach dem in Briefform gegossenen Wutanfall des Dortmunder Oberbürgermeisters zum jüngsten Dortmund-Tatort mit Marketing-Experten spricht, hört erst einmal immer das Gleiche: Ja, in der Sache hat Ullrich Sierau vollkommen recht. Ja, dieser Tatort rund um den Mord an einem Ex-Bergmann strotzte vor veralteten Klischees und hat nichts mehr mit dem aktuellen Dortmund zu tun.
Doch beeinflussen die schaurig-grauen Bilder einsturzgefährdeter Häuser, trauriger Industrieanlagen und verzweifelter Alkoholiker auch das Bild Dortmunds bei den über neun Millionen Zuschauern negativ? Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten.
Für Hartmut Holzmüller ist die Sache klar. Der Professor lehrt Marketing an der TU Dortmund und sagt: „So etwas ist höchst schädlich für das Image Dortmunds.“ Dass ein öffentlich-rechtlicher Sender dafür verantwortlich ist, sei umso ärgerlicher.
Die Stadt und mit ihr das gesamte Ruhrgebiet hätten sowieso nicht den besten Ruf, da verstärke das Hervorkramen der „immer selben Klischees“ das alte Narrativ der düsteren Industriestadt wieder - ein Bild, das Wirtschaftsförderungen und Tourismusverbände seit Jahren mit viel Geld zu ändern versuchen. Natürlich kämen auch andere Städte wie Berlin oder Köln nicht immer gut in ihren Tatorten weg, fügt Holzmüller noch an, doch würden diese von ihren grundsätzlich besseren Images profitieren.
Das touristische Image Dortmunds hält zwei Dortmund-Tatorte pro Jahr aus
Dortmund gut zu präsentieren, gehört zum Job von Sigrun Späte: Sie ist Sprecherin von Dortmund-Tourismus. Im Gegensatz zu Holzmüller sieht sie die Sache mit dem Dortmund-Tatort aber relativ entspannt. „Wenn Sie andere Tatorte anschauen, wird dort doch auch mit Klischees gearbeitet“, meint sie. Münster sei immer das beschauliche Idyll, während in Hamburg ständig die Russen-Mafia am Hafen rumballere.
Zwar hat in Spätes Augen der Oberbürgermeister mit seiner Kritik „vielen Bürgern aus dem Herzen gesprochen“, aber zum Image-Problem für Dortmund taugt der Tatort für die Touristikerin nicht. Bei den Anfragen der Gäste seien Faber und Co. kein Thema. Das touristische Image Dortmunds halte zwei Dortmund-Tatorte pro Jahr aus, meint Späte und verweist auf die seit Jahren steigenden Übernachtungszahlen: 2017 waren es 1,25 Millionen, bis 2024 soll ihre Zahl auf 2 Millionen steigen.
Vielleicht hilft auch ein Blick darauf, wie die Geschichte in Duisburg ausging. Dort ist der Ärger über Schimanski längst verflogen. „Die Inhalte der Filme sind im Laufe der Jahre vergessen worden, die Figur und der positive Charakter Schimanskis aber nicht“, sagt Kai Uwe Homann von Duisburg-Kontor, einem städtischen Unternehmen, das auch für Duisburgs Städtemarketing zuständig ist.
Die Stadt weiß das inzwischen durchaus für sich zu nutzen: Im Tourismus-Shop gibt es mittlerweile „Schimi“-Pullover und -Tassen. Und im Stadtteil Ruhrort gibt es seit 2014 eine Horst-Schimanski-Gasse. „Viele Touristen, die nach Duisburg kommen, haben Schimanski auf dem Zettel“, sagt Duisburg-Kontor-Geschäftsführer Uwe Kluge. „Er funktioniert nach wie vor.“
In Dortmund sind Peter-Faber-Tassen momentan nicht in Planung. Aber das kann ja noch werden.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
