Inzidenz und Hospitalisierungen: Deutliche Unterschiede im Pandemie-Verlauf

© dpa

Inzidenz und Hospitalisierungen: Deutliche Unterschiede im Pandemie-Verlauf

rnCorona in Dortmund

Statt der Inzidenz rückt die Zahl der stationär behandelten Corona-Patienten in den Fokus. Wie haben sich diese Werte in den ersten Wellen entwickelt? Wie schätzen Dortmunder Experten die Lage ein?

Dortmund

, 26.08.2021, 08:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Inzidenz klettert in Dortmund seit Ende Juli unaufhörlich hinauf - verdreifachte sich zuletzt innerhalb von zwei Wochen von unter 50 auf über 160. Die vierte Welle der Corona-Pandemie hat Dortmund erreicht, so Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Renken in der vergangenen Woche (20.8.).

Während bislang Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus stark an die Inzidenzwerte geknüpft wurden, will die Bundesregierung bei der Bewertung der Lage zukünftig auf einen anderen Wert blicken.

Die Hospitalisierungen rücken in den Fokus. Also die Zahl der Covid-19-Infizierten, die so schwer erkranken, dass sie in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Wie entwickelt sich diese Zahl in Dortmund aktuell und im Vergleich zu den vorangegangenen Wellen?

Patienten-Höchststand im November 2020

In der ersten Welle im Frühjahr 2020 kletterte die Inzidenz auf maximal 30,4 (7.4.), maximal 43 Covid-Patienten wurden parallel in den Krankenhäusern versorgt (15.4.). In der zweiten und dritten Welle sah das gravierend anders aus: Im November 2020 kletterten beide Werte auf das bisherige Maximum - Inzidenz 235,7 (7.11.) und 174 Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern (17.11.). Im April 2021 lagen die Spitzenwerte bei einer Inzidenz von 221,6 (21.4.) und 171 stationär behandelten Patienten (27.4.)

Zieht man den Vergleich zur aktuellen Welle, fällt etwas auf: Bei einer vergleichbaren Inzidenz von etwa 160 lagen in der zweiten Welle bereits 96 Patienten im Krankenhaus (27.10.), in der dritten Welle (14.4.) sogar 125. Momentan werden in den Dortmunder Kliniken 30 Covid-19-Erkrankte versorgt (25.8.).

Eine Erklärung dafür ist der Fortschritt der Impfkampagne. In den bisherigen Wellen war niemand beziehungsweise waren noch recht wenige Menschen gegen Covid-19 geimpft. Das ist mittlerweile anders, insbesondere die älteren Generationen sind so gut wie durchgeimpft, die Impfquote liegt insgesamt bei etwa 60 Prozent.

„Weitaus größte Teil der Patienten nicht geimpft“

„Unsere Experten gehen davon aus, dass die Impffortschritte starken Einfluss auf das aktuelle Pandemiegeschehen haben und das Verhältnis von Inzidenz zur Zahl von Krankenhausbehandlungen beeinflussen“, so Klaus-Peter Wolter, Pressesprecher des Klinikum Westfalens, zu dem die beiden Knappschaftskrankenhäuser in Dortmund gehören.

Jetzt lesen

Allgemeingültige Schlüsse könne man angesichts der aktuell geringen Fallzahlen nicht ziehen, betont Wolter. Allerdings seien „die derzeit bei uns behandelten Personen durchschnittlich deutlich jünger als während bisheriger Corona-Wellen. Zumindest der weitaus größte Teil dieser Patienten war zuvor nicht geimpft“, so der Pressesprecher.

Altersschnitt bei Neuinfizierten und Patienten sinkt

Dem pflichtet auch Dr. Ralf Georg Meyer, Chefarzt und stellvertretender ärztlicher Direktor des St.-Johannes-Hospitals, bei: Man könne davon ausgehen, dass eine fehlende Immunität gegen das Corona-Virus ein „wesentlicher Grund für die aktuellen schweren Verläufe von Covid-19 ist. Die Impfbereitschaft bei den älteren Menschen war sehr hoch, und so sind jetzt häufiger Erwachsene jüngeren oder mittleren Alters betroffen. Diese Gruppe ist zudem deutlich mobiler und hat mehr Kontakte.“

Das passt auch zu Erkenntnissen des Gesundheitsamts: Impfdurchbrüche, also eine symptomatische Infektion trotz vollständigen Impfschutzes, gebe es kaum, teilte die Stadt dazu mit. Grundlage für diese Erhebung waren allerdings Fälle zwischen April und Ende Juli. Zu den aktuell stationär behandelten Fällen liegen der Stadt keine Informationen über den Impfstatus vor.

Jetzt lesen

Nicht nur das Durchschnittsalter der Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern ist zuletzt gesunken: Auch der Altersschnitt der Neuinfizierten sei erstmals in der Pandemie unter 30 Jahre gerutscht, sagte Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Renken am Dienstag.

Inzidenz und Hospitalisierung hängen zusammen

Zwar würden Jüngere seltener schwer an Covid-19 erkranken. Im Einzelfall würden sie aber genau so schwer krank wie Ältere und müssten dementsprechend auch in Krankenhäusern behandelt werden. Ein Grund dafür, dass Renken es kritisch sieht, die Hospitalisierungsquote zum Maß aller Dinge zu erheben und die Inzidenz zu vernachlässigen.

Jetzt lesen

Inzidenz und Behandlungsquote stünden in wechselseitiger Abhängigkeit - die Inzidenz sei jedoch der Indikator, der ein zeitigeres Reagieren erlaube: „Eine steigende Inzidenz bewirkt etwa zwei bis drei Wochen später eine steigende Hospitalisierungs-Quote“, so Renken.

Zeitliche Verzögerung einbeziehen

Darauf weisen auch die Knappschaftskrankenhäuser und das St.-Johannes-Hospital hin: Wie bisher sei mit einem zeitlichen Versatz zwischen Inzidenz und Fallzahlen zu rechne, so Wolter.

„Es mag sein, dass die Inzidenz allein nicht ausreicht, um die Gefährdungslage zu erfassen. Aber wir haben in der Pandemie gelernt, dass die Füllung der Intensivbetten der Entwicklung so deutlich hinterherhinkte, dass eine Reaktion erst dann, wenn sich die Intensivbetten füllen, in jedem Fall deutlich zu spät käme“, so Dr. Meyer.