
© Holger Bergmann
Kulturhauptstadt Ruhr 2010: Die älteste der ehrenamtlichen Helfer erinnert sich
Ruhr 2010
Das Kulturhauptstadtjahr Ruhr 2010 ist reif fürs Museum. Die Berichterstattung darüber weckte bei der ehrenamtlichen Helferin Inge Nieswand Erinnerungen – einen ganzen Schrank voll.
2010 war ein tolles Jahr. Der Ruhrpott war Kulturhauptstadt Ruhr 2010, Menschen aus ganz Deutschland, ganz Europa, ja der ganzen Welt besuchten die Städte an der Ruhr und legten ihre Vorurteile über das Industrie-Quartier ab.
Jetzt, zu Beginn eines neuen Jahrzehnts wird dieser Zeit gerne gedacht. Zuletzt schaffte es Ex-Bundespräsident Horst Köhler wieder in die Schlagzeilen, als er seinen Hut, den er bei der Ruhr-2010-Eröffungsfeier trug, dem Ruhr-Museum spendete.
Ein „Hallo“ für Horst Köhler
Als Inge Nieswand diesen Bericht in der Zeitung las, waren sofort alle Erinnerungen wieder da. „Dieser Hut war damals das erste, was ich selbst vom Bundespräsidenten gesehen habe, als ich ihn begrüßt habe.“

Auf der Wiese im Hintergrund ließ Inge Nieswand den gelben Ballon der Schachtzeichen-Aktion steigen. © Holger Bergmann
Inge Nieswand war damals die älteste der rund 1600 Volunteers (ehrenamtlichen Helfer), die für Ordnung und Service bei den Kulturhauptstadt-Veranstaltungen sorgten. Weil es bei der Eröffnung Dank Sturmtief „Daisy“ eiskalt war und die Treppen und Tribünen auf Zeche Zollverein in Essen rutschig waren, durfte sie unten an der Treppe die VIP-Gäste begrüßen.
Die gesamte Ausstattung aufbewahrt
Ein einmaliges Ereignis könnte man meinen, doch Inge Nieswand hatte zu dem Zeitpunkt noch ein ganzes Jahr voller solcher Erlebnisse vor sich. Davon geblieben sind bewegende Erinnerungen und ein ganzer Haufen von Andenken.
Zum Beispiel hat sie ihre komplette Volunteer-Ausstattung aufbewahrt – Mantel, Jacke, Polo-Shirt, mehrere Mützen und einen Regenschirm. Nur auf die Volunteers-Schuhe verzichtete sie damals, sie trug lieber ihre eigenen Schuhe.
Gäste durch das ganze Ruhrgebiet gelotst
Und die komplette Korrespondenz zu ihren Einsätzen hat sie archiviert. Die Bände erinnern daran, welcher organisatorische Aufwand hinter dem Projekt stand.
Im Jahr 2009 hatte sie den Aufruf gelesen, dass Freiwillige gesucht werden und bewarb sich.

Nach einem Jahr Ruhr 2010 erschien das Buch „Augenblicke“, in dem Inge Nieswand von ihren Erlebnissen berichten konnte. © Holger Bergmann
Was folgte, war ein Art Ausbildung. „Wie begrüßt man Fremde, was darf man sagen, was muss man wissen – wir mussten viel lernen“, erinnert sie sich.
Im Rahmen der Aktion „Odyssee Europa“ lotste sie als Volunteer eine Gäste-Gruppe mehrere Tage durch das Ruhrgebiet und zu sechs Theater-Aufführungen.
Von Kai Voges rekrutiert
Als Theaterfan war sie schon seit 2005 Statistin bei den Städtischen Bühnen Dortmund, im Rahmen der Aktion Klangvokal lockte Intendant Kai Voges sie dann sogar in den Sprechchor des Theaters.
Das wichtigste Ruhr 2010-Ereignis war für Inge Nieswand aber nicht das Theater, sondern die Schachtzeichen, als über allen ehemaligen Bergwerksschächten große gelbe Ballone schwebten. Denn hier hatte sie im Industriemuseum Zeche Zollern ein echtes Heimspiel.
Immer den Ballon im Blick behalten
Jahrzehntelang hatte sie sich für die Gründung des Museum auf der ehemaligen Vorzeige-Zeche eingesetzt, und nun konnte sie als Volunteer selbst Gäste unter dem Ballon empfangen.

Bücher, Zeitungsartikel, Volunteer-Korrespondens: Die Sammlung von Inge Nieswand aus dem Kultur-Hauptstadtjahr ist ziemlich umfangreich. © Holger Bergmann
Allerdings erinnert sie sich auch an eine Menge Stress. Denn die Ballone waren windempfindlich und mussten je nach Wetter eingeholt werden. „Einholen, wieder steigen lassen, wir haben alle paar Minuten eine SMS bekommen.“
Mit Steven Sloane gesungen
Für viele der Höhepunkt von Ruhr 2010 war das Stillleben A40, das kilometerlange Picknick und die Radtour auf der Autobahn. An diesem Tag hatte Inge Nieswand Dienst auf der B1 auf Höhe der Märkischen Straße.
Dieses Ereignis hat sich allerdings nicht so in ihr Gedächtnis eingeprägt wie das Autogramm, das sie von Frank Goosen bekommen hat, oder dass sie für die Volunteers eine Revue organisiert hat, an der spontan der kalifornische Dirigent Steven Sloane als Sänger teilnahm.
In diesem Jahr gibt es nicht nur Erinnerungen, sondern unter dem Titel „Zehn nach zehn“ auch Veranstaltungen, die das Festjahr wieder aufleben lassen. Inge Nieswand hofft, dort ein paar alte Kollegen wieder zu sehen.
Holger Bergmann ist seit 1994 als freier Mitarbeiter für die Ruhr Nachrichten im Dortmunder Westen unterweg und wird immer wieder aufs neue davon überrascht, wieviele spannende Geschichten direkt in der Nachbarschaft schlummern.
