In Dortmunds Osten sehnen sich viele nach Weiterbau der Brackeler Straße
Staus auf dem Hellweg
Der Weiterbau oder eben Nicht-Weiterbau der L663n ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner in Dortmunds Osten. Nach dem NRW-Regierungswechsel könnte Bewegung in die Sache kommen.

Abendidylle in Asseln? Wohl kaum. Gerhard Smarra und mit ihm alle anderen Bürger, die am Asselner und Wickeder Hellweg oder in der Nähe wohnen, leiden unter dem Verkehr. Sie sehnen sich nach dem Weiterbau der L663n bis Unna. © Andreas Schröter
Gerhard Smarra (79) ist es leid. Jeden Morgen, Mittag und Abend kann er von seinem Fenster im zweiten Stock des Hauses Kahlsiepe 4 beobachten, wie der Stau auf dem Asselner Hellweg wächst und wächst. Die Auto-Fluten kommen von der Brackeler über die Asselner Straße, ergießen sich auf dem Hellweg – und verstopfen ihn. Es gebe nur eines, was dem ein Ende machen könnte: der Weiterbau der L663n bis Unna.
Wenig Verständnis für Naturschützer
„Und wenn wir selbst mal über den Hellweg wollen, haben wir Schwierigkeiten“, sagt Smarra. Autofahrer, die den üblichen Hellweg-Stau umfahren möchten, versuchen sich über Nebenstraßen wie Kahlsiepe und Westbrink Richtung Wickede zu schlängeln, was auch diese Straßen extrem belaste. Gerhard Smarra, der seit 1961 dort wohnt, sagt: „Früher sind meine Kinder mit einem Holländer die Straße rauf und runter gefahren. Das geht heute nicht mehr.“ Ein „Holländer“ ist ein vierrädriges Fahrzeug, das man mit einer Kurbel betreibt.
Er habe wenig Verständnis für die Naturschützer, die beispielsweise argumentieren, auf der gedachten Trasse kommen seltene Fledermäuse vor. „Nicht nur die Tiere, auch die Menschen sind doch schützenswert. Und der viele Verkehr hier kann doch nicht gesund sein.“ Im Sommer sitze er zum Beispiel gerne mit seiner Frau auf der Terrasse.
Die Meinung von Brackeler SPD und CDU
Die Anwohner haben die volle Unterstützung der beiden großen Fraktionen SPD und CDU in der Bezirksvertretung Brackel. In einem gemeinsamen Antrag hatten sie sich erst Anfang November für den Weiterbau stark gemacht (wir berichteten). Dabei stellen die Politiker auch einen Zusammenhang mit der neu entstandenen Hoeschallee auf dem Westfalenhütten-Gelände her, die auf die Brackeler Straße mündet.
Wörtlich heißt es in dem Antrag: „Wir begrüßen ausdrücklich den Anschluss der Hoeschallee an die Brackeler Straße, da damit große Wohngebiete der Nordstadt vom Verkehr entlastet und Arbeitsplätze durch bessere Anbindung der Flächen gesichert werden.
Dies gilt vor allem für die verkehrsintensiven Betriebe auf der Logistikfläche des Areals der ehemaligen Westfalenhütte.“ Aber, so heißt es in dem Antrag weiter: Nicht alle Verkehre orientieren sich zur B236n. Teile werden auch den Stadtbezirk Brackel und dort vor allem zusätzlich die schon jetzt hoch belasteten Ortskerne von Asseln und Wickede durchfahren. Der Durchgangsverkehr führe hier bereits heute zu einer starken Reduzierung der Aufenthalts- und Lebensqualität, er erschwere deutlich den Fuß- und Radfahrverkehr und verlangsame den ÖPNV mit der Stadtbahn.
Es fehle die Verbindung der L663n bis Unna. Die Folgen seien täglich in Asseln und Wickede zu beobachten.
Die Meinung der Stadt Dortmund
Das sieht die Stadt Dortmund ähnlich. Sprecherin Heike Thelen teilt dazu mit: „Stadt und Region wollen den Weiterbau der L663n. Die beteiligten Kommunen haben sich sowohl bei der neuen als auch bei der alten Landesregierung für den Weiterbau eingesetzt.“
In den letzten Jahren haben die beteiligten Städte wiederholt Schreiben an das Land gerichtet mit der dringenden Aufforderung, die Planung zügig weiter zu verfolgen. In den Schreiben sei jedes Mal angeboten worden, dass die Städte Dortmund, Unna und Kamen sowie der Kreis Unna bereit wären, die Planungsarbeiten für das Land zu übernehmen. Dies aber nur, wenn das Land zusichern würde, die damit verbundenen Kosten (externe Vergaben und die verwaltungsinternen Personalaufwendungen) vollständig zu übernehmen. „Dies konnte bislang nicht erreicht werden“, so Heike Thelen.
Die Meinung des Landes NRW
Bernhard Meier, stellvertretender Sprecher im Landesverkehrsministerium teilt dazu mit: „Die Planung der L663 ruhte bisher wegen nicht vorhandenem politischen Einvernehmens.
Das Verkehrsministerium wird voraussichtlich im kommenden Jahr über die Wiederaufnahme und die Rahmenbedingungen des weiteren Vorgehens entscheiden.“ Auf Nachfrage bestätigte Meier, dass mit „nicht vorhandenem politischen Einvernehmen“ die unterschiedlichen Ansichten der ehemaligen rot-grünen Landesregierung gemeint seien. Die SPD will den Weiterbau, die Grünen nicht.
Weitere Anwohner beschweren sich
Unterdessen leiden die Asselner und Wickeder Anwohner weiter unter dem Verkehr – zum Beispiel auch in Nebenstraßen wie dem Küsterkamp in Asseln, der im Norden parallel zum Asselner Hellweg verläuft. „Mir sind hier schon drei Autos kaputt gefahren worden“, sagt Gisa Braun, „zweimal Totalschaden, einmal 2500 Euro Schaden.“
Hinzu kommen unzählige abgefahrene Spiegel. Problem sei, dass die Straße einfach viel zu eng sei, um den Schleichverkehr aufzunehmen – besonders wenn die Anwohner, wie vorgeschrieben, mit beiden Rädern auf der Fahrbahn parken. Viele Autofahrer meiden den Hellweg wegen des permanenten Staus dort und die zusätzliche Belastung durch die Stadtbahn.
Besonders stark belastet sei der Küsterkamp früh morgens und nachmittags – freitags etwas früher –, also zu typischen Berufsverkehrszeiten. „Manchmal sind die Autos hier mit 50 oder 60 Stundenkilometern unterwegs“, sagt Christina Hösche, „obwohl hier Tempo 30 gilt.“
Auch die Stadt Unna stehe dem Gesamtprojekt Weiterbau nach wie vor positiv gegenüber, sagt Stadtsprecher Oliver Böer. Die neue Straße sei eine Ortsumgehung für Königsborn und die Innenstadt von Unna. Heute fahren viele LKW durch dieses dicht besiedelte Gebiet, so Böer. Der Bau der Straße sei auch aus wirtschaftspolitischer Sicht wichtig für Unna.
Die Meinung von Bündnis 90/Die Grünen
Bündnis 90/Die Grünen sind nach wie vor gegen den Weiterbau. Ulrich Begemann, stellvertretender Bezirksbürgermeister in Brackel, verweist dazu auf die Website der Brackeler Grünen. Dort heißt es: „Der neue Landschaftsplan der Stadt Dortmund (Entwurf 2015) bezeichnet das Gebiet zwischen Kurl, Brackel, Asseln und Wickede u.a. als besonders erhaltenswert, weil es ein unzerschnittener verkehrsarmer Raum ist und das lokale Klima schützt.“
Für Dr. Thomas Mitra, Fraktionssprecher der Grünen in der Bezirksvertretung Brackel, ist es unverständlich, dass SPD und CDU die Brackeler Straße genau in dieses Landschaftsschutzgebiet hinein weiterbauen wollen – wenige Meter vorbei am Pleckenbrinksee, entlang dem Naturschutzgebiet Wickeder Ostholz, knapp vorbei an den Wohngebieten Wickedes. Dadurch würde ohne Not nicht nur Landschaft zerstört, sondern auch die Lebensqualität der Asselner und Wickeder gemindert und die Existenz der zahlreichen anliegenden landwirtschaftlichen Betriebe, Reiterhöfe und anderer Freizeiteinrichtungen bedroht.
Die Grünen sind zudem nicht davon überzeugt, dass der Weiterbau den Hellweg entlasten würde – im Gegenteil: Er würde nach Ansicht einiger Kritiker mehr Verkehr nach Asseln und Wickede bringen, weil die Strecke bei Stau auf A2 und B1 als Umleitung genutzt werde.