
Präsident Heinz-Herbert Dustmann begrüßte beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund über 500 Gäste. Die Energiekrise war bei dem Stelldichein der Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung das beherrschende Thema. © IHK zu Dortmund/Silvia Kriens
IHK-Präsident in Dortmund fordert: „Energie muss bezahlbar sein“
IHK-Jahresempfang
Der Herbst fängt gerade an – und die Aussichten in der Wirtschaft sind angesichts der Energiekrise düster. Das wurde beim IHK-Jahresempfang deutlich. Ein Wirtschaftsboss sagt, was hilft.
Es ist so etwas wie ein Pflichttermin in der regionalen Wirtschaft. Wenn die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund zu ihrem Jahresempfang einlädt, dann geben sich die prominenten und weniger prominenten Vertreter aus Handel, Industrie, Dienstleistungsgewerbe, Politik und Verwaltung ein Stelldichein.
Ungewöhnlich früh im Jahr fand der Empfang schon am vergangenen Dienstagabend (20.9.) statt. Und ungewöhnlicherweise kamen die rund 500 Gäste inklusive NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach und Oberbürgermeister Thomas Westphal auch nicht im Großen Saal, sondern im Innenhof der IHK an der Märkischen Straße zusammen.
Das hatte natürlich seinen Grund: „Wir wollten mit dieser Vorverlegung einer vielleicht erneut notwendig werdenden Absage vorbeugen. Mit einer neuen Corona-Welle im Herbst wird ja zu rechnen sein“, sagte IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann.
IHK-Präsident: „Wirtschaft steht vor riesigen Herausforderungen“
Vor der Pandemie war der erste Montag im Dezember gesetzt für den Jahresempfang der IHK. Nachdem das Treffen im vorigen Jahr gar nicht und 2020 nur digital stattgefunden hatte, sollte diesmal also nichts dazwischen kommen. Und Heinz-Herbert Dustmann freute sich riesig, nach zwei Jahren die vielen Gäste wieder von Angesicht zu Angesicht begrüßen zu können. „Ich friere genauso wie Sie“, sagte er im Anzug am Rednerpult unter freiem Himmel stehend. Ein Vorgeschmack auf den Herbst und Winter sei das. Bei der angeratenen Wohnzimmertemperatur von 19 Grad werde es dagegen „ja richtig muckelig“.

Besonders früh im Jahr und unter freiem Himmel fand der Jahresempfang der IHK im Innenhof der Wirtschaftsorganisation an der Märkischen Straße statt. Damit die Corona-Pandemie nicht wieder dazwischen funkt, wurde der Empfang von Dezember in den September vorverlegt. © IHK zu Dortmund/Silvia Kriens
Richtig schlecht waren die Nachrichten, die der IHK-Präsident angesichts von Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation, Lieferengpässen und Fachkräftemangel zu verkünden hatte. „Durch die digitale und energetische Transformation steht der Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen vor einem tiefgreifenden Umbruch und dem Umbau wichtiger Wertschöpfungsketten“, sagte er und ergänzte: „Die Wirtschaft steht vor riesigen Herausforderungen. Da brauchen wir die Unterstützung der Politik.“

IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber (l.) und IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann (2.v.r.) begrüßten diese Gäste beim Jahresempfang besonders herzlich (von l.): Staatssekretär Josef Hovenjürgen, Oberbürgermeister Thomas Westphal, Ministerin Ina Scharrenbach, 1. IHK-Vizepräsident Ulrich Leitermann, Landrat Mario Löhr und Hamms Oberbürgermeister Marc Herter. © IHK zu Dortmund/Silvia Kriens
Dass die Regierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht genug tue, um die dramatisch explodierenden Energiekosten für Haushalte und Unternehmen gleichermaßen abzufedern, war an diesem Abend in nahezu allen Gesprächsrunden das beherrschende Thema. Überall wurde diskutiert, ob man nicht viel mehr tun müsse, um die Politik zu raschem Handeln zu bewegen.
Forderung nach Reform des Energiemarktes
Guntram Pehlke, Vorstandsvorsitzender der Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21), hatte sich kurz zuvor in Leipzig bei der Eröffnung des Stadtwerke-Kongresses mit einem flammenden Appell an die Bundesregierung gewandt. „Putin hat Europa den Energiekrieg erklärt - da darf man nicht kleckern. Man muss jetzt klotzen, um das System zu stabilisieren“, sagte der Dortmunder. Und weiter: „Wenn wir in Dortmund Forderungsausfälle von 10 Prozent hätten - und manche Experten fürchten weit mehr - beläuft sich unser Risiko auf bis zu 100 Millionen Euro.“
Heinz-Herbert Dustmann sagte es in seinem Jahresbericht so: „Mögen die Gasspeicher auch zu 90 Prozent gefüllt sein, die Energiefrage wird dennoch zur Existenzfrage. Plötzlich 1000 Euro statt 200 Euro Abschlag für Energie bezahlen, das kann nicht jeder Haushalt. Und das gilt auch für die Wirtschaft. Beide Seiten sollten nicht und können auch gar nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn wie soll die Versorgung der Bevölkerung ohne Nahrungsmittelindustrie sichergestellt werden? Wie sollen Lebensmittel ohne Verpackung transportiert werden?“
Kritik an Maßnahmen der Bundesregierung
DSW21-Chef Pehlke machte in Leipzig einen konkreten Vorschlag, wie verhindert werden könne, dass die Preisexplosion überhaupt bei den Bürgern und Unternehmen ankomme. Er schlug ein Sondervermögen vor, „das die Bundesregierung auflegt, wie einst für die Kosten der Deutschen Einheit. Die dafür erforderlichen neuen Kredite kann der Bund dann über Jahrzehnte gestreckt zurückführen.“
Wie die Gäste an den vielen Stehtischen unter den Partyzelten im IHK-Innenhof kritisierte auch Dustmann den Tankrabatt, die Gasumlage, den Umgang mit den drei verbliebenen Kernkraftwerken in Deutschland und das jüngste Entlastungspaket der Regierung: „Vieles bleibt unkonkret in einer Zeit, in der die Politik beherzt und entschlossen reagieren muss“, sagte er. Dafür gab es Applaus.
Keinen Applaus konnte es geben für die düsteren Aussichten, die der IHK-Präsident auf Basis einer aktuellen Konjunkturumfrage seines Hauses verkündete: „Nur 13 Prozent der befragten Unternehmen wollen noch investieren. Vor einem Jahr waren es noch 25 Prozent. Das ist ein dramatischer Einbruch. Und jedes dritte Unternehmen fürchtet eine Verschlechterung der Lage. Vor einem Jahr war es jedes neunte Unternehmen.“
Lachs-Häppchen und Gulasch zum Ausklang
Ob es symbolträchtig war, dass sich gerade als Heinz-Herbert Dustmann diese Sätze sprach ein prächtiger Regenbogen als Hoffnungszeichen über dem IHK-Innenhof auftat?
Auf jeden Fall gab es zum Ausklang in kleinen Portionen durch die Reihen getragene Leckereien vom Falafel-Bällchen über ein Lachs-Häppchen bis hin zu Curryreis mit Hühnchen und Spätzle mit Gulasch. Am Ende war der IHK-Jahresempfang, so schien es, wieder ein gerne wahrgenommener Pflichttermin mit hohem Wiedersehens- und Spaßfaktor. Für das nächste Jahr gab es nur einen vorherrschenden Wunsch: bessere Nachrichten.
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
