An Tag 1 nach Bekanntgabe der Schließungspläne für Karstadt und Galeria Kaufhof in Dortmund war es bei Karstadt voller als in den vergangenen Wochen. © Stephan Schütze (A)
Schließungspläne für Dortmund
„Ich kann mir ein Leben ohne Karstadt und Kaufhof nicht vorstellen“
An Tag 1 nach Bekanntwerden der Schließungspläne für Karstadt und Kaufhof in Dortmund war es in den Warenhäusern voller als in den vergangenen Wochen. Kunden sprechen den Mitarbeitern Mut zu.
„Ach schade, absolut schade“, seufzt die ältere Dame und rauscht ab durch den Eingang des Dortmunder Karstadt-Hauses am Westenhellweg. Es ist nicht wirklich voll an diesem Samstagmorgen, an Tag 1 nach Bekanntwerden der Schließungspläne für die beiden Häuser Karstadt und Galeria Kaufhof. Aber es ist so voll wie lange nicht mehr, sagt Kerstin Voit-Bessinger (50).
Die Fachverkäuferin gehört seit 34 Jahren zur Belegschaft, arbeitet in der Abteilung für Damenoberbekleidung und greift gerade für eine ältere Kundin zum passenden Sommerpulli auf dem Kleiderständer. Es erklingt das typische Ratsch-Geräusch, dass man nur aus dem Kaufhaus kennt, wenn an jeder Ecke jemand die Plastikkleiderbügel über die Kleiderstange schiebt, untermalt von dem Brummen der Rolltreppe.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Das soll es bald nicht mehr geben? „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Kerstin Voit-Bessinger. Sie glaubt noch nicht daran: „Dass uns das trifft – nach der Modernisierung der Fassade, dem Austausch der Rolltreppen. Wir dachten, Karstadt Sports wird zugemacht.“ Wie am Samstag (20.6.) bekannt wurde, soll auch diese Karstadt-Tochter in Dortmund dichtgemacht werden.
Kerstin Voit-Bessinger und ihre Kollegen und Kolleginnen klammern sich daran, dass die Schließungsankündigungen nichts anderes sind als ein Pokern mit dem Vermieter der Immobilie. Krankmeldungen, so habe der Geschäftsführer mitgeteilt, habe es an Tag 1 keine einzige gegeben. „Es sind alle an Bord, wir hängen hier sehr daran“, sagt Kerstin Voit-Bessinger, es gebe noch sehr viele Mitarbeiter, mit denen sie damals bei Karstadt angefangen habe. „Wir sind eine Familie.“
Seit 16 Jahren hätten alle auf vieles verzichtet, erzählt sie, „früher gab‘s mal Dividende, jetzt schon lange nicht mehr, und trotzdem hat man daran festgehalten.“
Kunden haben Mitgefühl
Alle Kunden sprächen sie auf die Schließung an, alle hätten Mitgefühl, berichtet die Verkäuferin. 2009, als Karstadt schon mal auf der Kippe stand, sei das anders gewesen. Wenn sie da mal ein Produkt nicht vorrätig gehabt hätten, habe es geheißen, „kein Wunder, dass ihr bankrott geht.“
Eine ihrer Kolleginnen packt im Obergeschoss Koffer aus. Es gibt zusätzlich 50 Prozent auf stark reduzierte Markenkoffer und bis zu 70 Prozent reduzierte Markenhandtaschen. Solange der Vorrat reicht. „Nein, die Angebote haben nichts mit der Schließung zu tun. Die waren schon länger geplant“, erzählt die Fachkraft.
Margit Dasch steht mit ihrer Tochter in der Kurzwarenabteilung vor dem breiten Regal mit den Reißverschlüssen in zig Farben. Auch Garn brauchen sie. „Wo soll man das künftig kaufen“, fragt die Kundin, „auch Bettdecken kaufen wir sehr gern hier. Wir sind schon sehr traurig.“
Unterschriftensammlungen
Nur 220 Meter weiter, bei Kaufhof wollen Kunden Mut machen und fragen nach Unterschriftensammlungen, berichtet eine Verkäuferin, „aber soweit sind wir noch nicht.“ Am Uhrenservice befindet sich eine Schlange. Viele wollen eine neue Batterie für ihre Uhr. „Wo soll ich so etwas künftig machen lassen?“, fragt sich Sandra Deigmann, die mit ihrer Tochter Anna in die City gekommen ist, „das ist total katastrophal.“
In der Galeria Kaufhof fragten Kunden nach Unterschriftensammlungen zum Erhalt des Hauses. © Stephan Schütze (A)
Am Tresen gegenüber macht eine 70-jährige Dortmunderin ihrem Entsetzen Luft. „Ich kann mir ein Leben ohne Karstadt und Kaufhof gar nicht vorstellen. Karstadt gibt es seit über 100 Jahren in Dortmund, meine Eltern haben hier schon eingekauft.“ Früher habe es in Dortmund viele Fachgeschäfte gegeben, wie Kopfermann und das Seidenhaus Schmitz. Alles weg. „In dieser Stadt gibt es nur noch 1-Euro-Shops, Telefonläden und Billig-Imbisse“, schimpft sie, „die Stadt geht den Bach runter.“
Rat verabschiedet Resolution
Der Rat der Stadt, der die Nachricht über die Schließung der beiden Warenhäuser in seiner Sitzung am Freitag „mit Bestürzung“ zur Kenntnis nehmen musste, spricht den Beschäftigten in einer Resolution „seine volle Solidarität aus“. Karstadt sei ein Stück Dortmunder Geschichte und habe auch heute noch eine große Bedeutung für die Einkaufsstadt Dortmund und für die Attraktivität der City. Eine Karstadt-Kundin sagt es so: „Das gehört zu Dortmund.“
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