
Mohamed Haddad zieht ein positives Fazit der Aktion. © Joscha F. Westerkamp
„Ich hab mich nie getraut, Polizisten anzusprechen – aber es war gut!“
Nach Demos
Nach Kritik versucht die Polizei, mit Nordstadt-Bewohnern ins Gespräch zu kommen: Im neuen Format „Talk with a cop“ sucht man auf einfache Weise den Kontakt. Wie kommt das an? Ein Besuch.
Möchten Sie einen Kaffee?“, fragt Polizeihauptkommissar Jung und schenkt gleich noch einen Keks dazu. So geht das schon eine Weile. Er bietet den Menschen Kaffee, Tee oder Kekse an und kommt mit ihnen ins Gespräch. Zusammen mit drei weiteren Polizisten hat er einen Stand aufgebaut direkt vor der Joseph-Kirche am Ende der Münsterstraße in der Dortmunder Nordstadt.
Seit 16 Jahren arbeitet Karsten Jung als Bezirksdienstbeamter in der Dortmunder Nordstadt. „Die Leute kennen mich hier“, sagt er. Immer wieder kommen Leute vorbei, fragen: „Was ist hier los?“, und die Polizisten erklären: „Wir wollen einfach mal mit Ihnen ins Gespräch kommen.“

Kommissar Jung © Joscha F. Westerkamp
Bürgerkontakt, das ist Ziel des neuen Formats „Talk with a cop“, bei dem die Dortmunder Polizei ein- bis zweimal pro Woche für zwei Stunden in der Nordstadt einen Stand aufbaut. Seit Freitag (26.8.) gibt es diese Aktion, da war der Stand an der Mallinckrodtstraße. Von nun an sollen viele weitere Orte folgen; die Polizei will sie über ihre Internetseite und auf Social Media bekanntgeben.
„Bürgersprechstunden bei uns haben wir schon lange“, sagt Torsten Sziesze, der bei der Polizei für Öffentlichkeit zuständig ist. „Aber die aktuellen Anlässe sorgen dafür, das noch mal zu überdenken. Wir wollen jetzt raus zu den Leuten. Mit dem Namen 'Talk with a cop' wollen wir zeigen, dass wir althergebrachte Formate aufarbeiten wollen.“

Torsten Sziesze. © Joscha F. Westerkamp
Was positiv auffällt: Die Stimmung am Stand ist während der ganzen Zeit wirklich bestens. Fast alle kommen zufällig vorbei, bleiben stehen, weil sie eine Frage haben. Manche auch einfach nur wegen des Kaffees. Nur zu, sagt Jung. Als zum Ende der Zucker ausgeht, besorgt ein Mann sogar noch ein neues Kilo und schenkt es den Polizisten.
Gegenüber einem Jugendlichen im BVB-Trikot erlaubt sich ein anderer Polizist den mutigen Scherz, dass sein polizeiliches Schalke-Blau doch viel besser als das BVB-Gelb sei. Er nimmt es mit Humor. Die beiden unterhalten sich kurz über die aktuelle Fußballsaison, einigen sich darauf, dass Schalke in der ersten Liga bleiben darf – „was ist schon eine Bundesliga ohne echte Derbys“ – dann geht der Jugendliche gut gelaunt weiter.
Karsten Jung weiß aus Erfahrung: „Wenn man den Leuten auf Augenhöhe begegnet, ist es nicht so, dass sie Probleme mit der Polizei haben. Natürlich gibt es welche, die einen Bogen um die Polizei machen. Aber dann vielleicht auch, weil sie mit krummen Geschäften ihren Lebensunterhalt verdienen.“
Mohammed Haddad spricht zum ersten Mal freiwillig mit der Polizei
Nordstadt-Anwohner Mohamed Haddad spricht zum ersten Mal in seinem Leben freiwillig mit einem Polizisten. „Ich hab mich nie getraut, Polizisten anzusprechen“, sagt er. „Aber es war gut. So einen Polizisten mit drei Sternen trifft man ja selten. Der war wirklich freundlich. Ich habe den Mann gefragt, ob es erlaubt ist, dass die Läden bei uns die ganze Straße filmen. Er hat mir die Gesetze erklärt und was ich tun kann.“ Doch Haddad glaubt auch: „Wenn ich die jungen Polizisten hier auf der Straße anspreche, würden die mir nicht antworten. Die sind härter.“
Casandra Lahmer erzählt, ihr Sohn – der wie auch sie schwarz ist – sei in der Vergangenheit unzählige Male von der Polizei angehalten worden. Sie vermutet Racial Profiling und kommt darüber mit der Polizei ins Gespräch. Ihr Fazit hinterher: „Das war wirklich sehr positiv", sagt sie.

Casandra Lahmer haben die Ereignisse vom 8.8. sehr umgehauen – jetzt hat sie positive Erfahrungen mit der Polizei gemacht. © Joscha F. Westerkamp
Auch habe sie mit den Polizisten über den Fall von Mouhamed D. gesprochen, der am 8. August in der Nordstadt von der Polizei erschossen worden ist. „Ich konnte mir nicht erklären, wie ein Polizist mit Maschinengewehr einfach einen Jungen erschießen kann. Aber es ist schön zu sehen, dass die Polizei sich jetzt die Zeit nimmt, mit uns darüber zu sprechen. Das sind ja eigentlich sehr nette Leute.“

Nordstadt-Bürgerin Irmgard Muttutat im Gespräch mit einem „Cop“. © Joscha F. Westerkamp
Positiv gestimmt kommt auch Nordstadt-Bürgerin Irmgard Muttutat aus dem Gespräch. „Ich finde gut, dass die Polizei hier mal Präsenz gezeigt hat“, sagt sie. „Dass sie keine Angst haben und sich der Sache stellen, nachdem genau hier in der Münsterstraße noch vor Kurzem Demos gegen sie gewesen sind.“
Eine Frau nutzt die Chance, um zu fragen, wie sich ihr Sohn am besten bei der Polizei für eine Ausbildung bewerben könnte. Ein Mann holt sich noch einen zweiten Kaffee. Andere trauen sich erst, den Kaffee der Polizisten zu nehmen, nachdem diese sie direkt dazu einladen.
Mohamed Abouelnaga kommt wie die meisten anderen nur zufällig vorbei, hat dann aber gleich mehrere Fragen an die Polizisten. „Ich hab gefragt, ob ein Polizist eigentlich einfach in meine Tasche reingucken darf.“ Außerdem habe er wissen wollen, welche Regeln für ihn auf dem Fahrrad gelten. Er findet: „Der Polizist hat mir sehr gut geholfen.“

Mohamed Abouelnaga hat gleich mehrere Fragen. © Joscha F. Westerkamp
Jung: „Wir haben hier in der Nordstadt relativ viele Nationen. Da, wo die Leute herkommen, haben sie ganz andere Erfahrungen mit der Polizei gemacht, weil sie vielleicht verfolgt wurden. Da wollen wir vermitteln, dass das hier nicht so ist, dass wir für sie da sind. Dass wir mehr Freund und Helfer sind, wie es früher immer hieß.“
Gebürtiger Ostwestfale, jetzt Dortmunder. In der zehnten Klasse mit Journalismus und Fotografie angefangen. Liebt es, mit Sprache zu jonglieren – so sehr, dass er nun schon zwei Bücher übers Jonglieren geschrieben hat.