
© Uwe von Schirp (Archiv)
Dortmunder Hochburg: Wählten Bürger die AfD wegen der Loyalität zu Putin?
Bundestagswahl
Das Ergebnis der Bundestagswahl bescheinigt der AfD Verluste auf allen Ebenen. In einer Dortmunder Hochburg baut sie ihr Ergebnis allerdings noch aus – und liegt sogar an der Spitze.
Montagvormittag (27.9.). Eine beschauliche Ruhe liegt über der Großwohnsiedlung. Ein Paar sitzt auf dem Balkon in der Herbstsonne. Mitten im Quartier: die Fabido-Kita Wattenscheidskamp.
Am Sonntag war sie der Wahlraum des Dortmunder Wahlbezirks 40106. 294 der 653 Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. 30,9 Prozent der Zweitstimmen gingen an die AfD – mehr als für SPD (27,7), CDU (20,7), FDP (7,0) und Grüne (2,1).
Nicht zum ersten Mal holte die AfD diesen Stimmbezirk im Ortsteil Bodelschwingh: 27,7 Prozent waren bei der Europawahl im Mai 2019 ebenfalls der größte Anteil. Bei der Kommunalwahl vor einem Jahr bedeuteten 19,6 Prozent (Bezirksvertretung) und 20,6 Prozent (Ratswahl) zwar ein gutes Drittel weniger Stimmen – aber immer noch Platz 2.
Ergebnis gegen den Trend
Erstmals fiel der Wahlbezirk bei der Bundestagswahl 2017 mit 24,4 Prozent der Stimmen an die AfD – dem Höchstwert im Stadtbezirk Mengede – auf. Es gibt weitere Hochburgen in den Sozialräumen Bodelschwingh/Westerfilde und Nette.

Die Menschen im Viertel schätzen den preiswerten Wohnraum in den sanierten Häusern des Spar- und Bauvereins. © Uwe von Schirp
Während in den meisten die AfD-Anteile wie in Bund, Land, Stadt und Stadtbezirk im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 und zur Europawahl zurückgingen, legte die rechtsextreme Partei im Quartier am Wattenscheidskamp noch einmal deutlich zu.
Warum ist das so? Die Ursachensuche gestaltet sich an diesem Montag zunächst schwierig. „Ich spreche nicht viel Deutsch“, sagt eine junge Mutter mit Kinderwagen. Ein Senior kommt aus dem Ammerbaumweg und stoppt. „Ich habe SPD gewählt. Keine Ahnung, warum die Menschen hier AfD wählen.“ Spricht’s aus und fährt weiter.
Nachbarschaft aus Osteuropa
Zwei Frauen stehen plaudernd auf dem Bürgersteig. Sie sind nicht zur Wahl gegangen. „Wir haben anders gewählt und uns für Gott entschieden“, sagt die Jüngere mit russischem Akzent. „Wir sind Zeugen Jehovas.“ Auch viele ihrer Nachbarn kämen aus Russland oder Polen, erzählt die Ältere.

Dörflicher Mittelpunkt in der Großwohnsiedlung sind die Kindertages-Einrichtung und der Lebensmittelmarkt Wostok. © Uwe von Schirp
Sie zeigt quasi als Beweis auf den kleinen Supermarkt direkt neben der Kita, dem Wahllokal: Der Lebensmittelmarkt Wostok existiert hier bereits seit den 90er-Jahren. Die Frau an der Kasse ist beim Hinweis auf das Wahlergebnis wenig überrascht. „Wir haben über das Thema heute Morgen schon gesprochen“, sagt sie. „Eine Erklärung ist: Die AfD ist loyal gegenüber Putin. Das unterscheidet sie von den anderen Parteien. Ich nehme an, deswegen wählen sie die AfD.“
Viele Menschen mit vor allem russischen aber auch polnischen Wurzeln würden in der Siedlung leben. Der Wohnraum sei preiswert, der Spar- und Bauverein habe den Bestand saniert und es sei ruhig. „Das ist hier ein Wohnen auf dem Dorf.“ Sie selbst wohnt nicht in der Siedlung und die AfD habe sie auch nicht gewählt, betont sie. „Putin kommt für mich nicht infrage.“
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
