
© Benjamin Trilling
Neues Café im Kaiserviertel - schwieriger Start in der Pandemie
Café Rot
Eröffnung mitten in der Corona-Krise: Selvi und Ali mussten einen harten Weg zurücklegen, bis sie mit ihrem Café im Kaiserviertel starten konnten. Jetzt geht’s los - mit ungewöhnlichem Konzept.
Zuckersüß muss so ein Eis gar nicht sein. Zumindest nicht für alle. „Salziges Karamell“ bestellt einer der vielen Nachbarn, die regelmäßig im Café Rot vorbeischauen. Denn sie wissen, was sie hier täglich finden: vegane Kuchen, Bio-Limonaden oder eben ausgefallene Eiscreme-Sorten.
Ali und Selvi bringen ein bisschen Berlin-Kreuzberger Charme an den Ostfriedhof. Und alles ist frisch und selbst zubereitet, wie Selvi stolz betont: „Wir kaufen nichts fertig, ich war den ganzen Tag in der Backstube.“
Zwar hat sie mit ihrem Ehemann den gemeinsamen Traum eines eigenen Ladens realisiert. Doch beide arbeiten für ihr Café sechs Tage in der Woche. Frei ist nur der Montag. Und nebenbei müssen sich die Eltern um ihre Kleinsten kümmern, wie Selvi erzählt: „Wenn die Kinder eingeschlafen sind, fangen wir nachts mit dem Backen an.“ Morgens erscheinen dann die ersten Kunden zum Frühstück.
Es war ein steiniger Weg für das Ehepaar, bis sie ihr Café öffnen konnten. Erst im Jahr 2016 ist Selvi mit ihrem Gatten aus Istanbul nach Dortmund gezogen. In der türkischen Hauptstadt waren sie im Hotelgewerbe tätig. Ali studierte schließlich Tourismus und machte auch eine Ausbildung in diesem Bereich. Doch tolle Jobs blieben für ihn aus.
Der Weg in die Selbstständigkeit
Erst folgte eine Logistik-Tätigkeit bei Amazon, dann ging es für ihn zum Speditionsunternehmen DB Schenker, schließlich landete er in der Gastronomie. „Für ihn war das alles nicht optimal, er wollte da schnell raus“, erzählt Selvi. „Er fühlte sich unterfordert und nicht angenommen.“
Deswegen entschieden sich beide für die Selbstständigkeit. Tatsächlich fanden sie Räumlichkeiten in der östlichen Innenstadt. Ende Februar 2020 unterschrieben sie den Mietvertrag. Nach aufwendigen Renovierungsarbeiten wollten sie ihr Café Rot pünktlich zum Frühjahr eröffnen.

Ali und Selvi vom Café Rot: Im Garten kann Geburtstag gefeiert werden, und Spielzeug für die Kinder gibt es auch. © Benjamin Trilling
Und dann kam die Pandemie. Erst im Oktober durften sie Gäste begrüßen. Für vier Wochen. Denn dann ging es erneut in einen langen Lockdown.
Unterstützung für Obdachlose
Wieder musste das Ehepaar kreativ werden, um durch diese wirtschaftlich schwere Zeit zu kommen. So setzten sie zunächst auf einen Fensterverkauf. Sie bemerkten aber auch, wie schwer die Corona-Krise andere Menschen existenziell traf. „Es gab ja viele Schicksalsschläge“, sagt Selvi.
Daher entwickelte sie eine Idee, mit der sie anderen helfen und zugleich den Laden retten wollte. „Gäste konnten uns finanzieren, indem sie Bedürftigen einen Kuchen oder so ausgeben.“ Dabei ging es vor allem in den kalten Wintertagen um die Unterstützung der Obdachlosen. „Diese Aktion half uns und anderen weiter.“
„Wir sind sehr familiär“
Mittlerweile ist für die Ladenbetreiber eine Normalität eingekehrt. Selvi sitzt im kleinen Garten hinter dem Café. Bobbycars und andere Spielzeuge stehen hier für die Kleinsten bereit. „Wir sind sehr familiär“, sagt die gebürtige Berlinerin. Und sie sind auch sehr multikulturell, was sich im Speiseangebot widerspiegelt: Es reicht von Omas klassischem Käsekuchen bis zu türkischem Sesamgebäck mit Hirtenkäse oder Hummus. „Wir haben das Gutbürgerlich-Deutsche mit dem Türkischen vermischt“, erklärt Selvi.
Das hänge auch mit ihrer eigenen Biografie zusammen: „Ich kann nicht definieren, ob ich deutsch oder türkisch bin.“ Und das gelte auch für das Kulinarische, oft schwanke sie zwischen türkischem Linseneintopf oder deutscher Gemüsecremesuppe.