Umbau der U-Bahn-Station Hauptbahnhof Architekten Jonathan und Conrad retten orange Kult-Fliesen

Die Fliesenretter: Architekten sichern Baumaterial mit Erinnerungswert
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Bei manchen dürfte der Anblick regelrechte Heimatgefühle wecken. Fast 40 Jahre lang prägten die knallorangen Fliesen das Bild der Stadtbahn-Station Hauptbahnhof. Jetzt hat das 80-er-Jahre-Design endgültig ausgedient. Denn mit dem fortschreitenden Umbau der Bahnsteige verschwinden die letzten Wandfliesen.

Doch zumindest für die letzten Quadratmeter der Fliesen-Relikte ist Rettung in Sicht. Zwei junge Männer sind hinter der Absperrung an der Nordseite der Bahnsteige eifrig damit beschäftigt, die Fliesen vorsichtig von der Wand zu lösen. Sie wollen die 80er-Jahre-Kacheln tatsächlich retten und als Baustoff wieder nutzen.

Jonathan Schmalöer (l.) und Conrad Risch entfernen die orangen Fliesen von der Wand
Mit großer Vorsicht müssen Jonathan Schmalöer (l.) und Conrad Risch zu Werke gehen, um die Fliesen unbeschädigt von der Wand zu lösen. © Oliver Volmerich

„Der ideele Wert ist wahrscheinlich höher als der materielle“, stellt Conrad Risch, einer der Fliesenretter, fest. „Die sind regelrecht geschichtlich aufgeladen“, sagt er mit Blick auf die prägende Wirkung der Wandfliesen in einer der wichtigsten Dortmunder U-Bahnstation.

Doch den Fliesenrettern geht es nicht nur um Nostalgie, sondern ums Prinzip. Die studierten Architekten hadern mit der gängigen Praxis, immer mehr alte Bausubstanz abzureißen, statt sie wiederzuverwenden. Gemeinsam mit Jonas Läufer haben Conrad Risch und Jonathan Schmalöer das Architekturkollektiv „Baukreisel“ für „Transformation und Gestaltung“ gegründet.

Alte Baustoffe wiederverwenden

Wie der Name andeutet, setzen sich die jungen Architekten für eine Art Kreislaufwirtschaft in der Baubranche ein. Alte Bauten sollten erhalten und umgenutzt oder zumindest das Baumaterial wiederverwertet werden. Beim Abriss alter Wohnhäuser in Lütgendortmund haben die Baukreisel-Gründer schon Anfang dieses Jahres Steine „geklopft“, die jetzt beim Bau eines Einfamilienhauses wiederverwendet werden.

Auch die orangen Fliesen könnten bald die Wände in einer Küche oder einem Badezimmer zieren. „Fliesen haben wir dafür genug“, stellt Jonathan Schmalöer fest, der frisch mit dem Förderpreis für junge Künstler der Stadt Dortmund ausgezeichnet wurde. „Und die großen Formate sind ja wieder in.“

Das große Format macht es aber auch nicht leicht, die Fliesen von der Wand zu lösen, ohne dass sie zerbrechen. Entsprechend vorsichtig müssen Jonathan Schmalöer und Conrad Risch zu Werke gehen. Dabei drängt durchaus die Zeit. Denn der Umbau der letzten Teilstücke der Bahnsteige soll in Kürze beginnen.

Die orangefarbene Fliesenwand prägte das Bild der 1984 eröffneten U-Bahn-Station Hauptbahnhof.
Der letzte Rest: Die orangefarbene Fliesenwand prägte das Bild der 1984 eröffneten U-Bahn-Station Hauptbahnhof. © Oliver Volmerich

Es ist damit die letzte Gelegenheit für die Fliesenrettung. Der Großteil der alten Wandverkleidung ist bereits den Weg allen Bauschutts gegangen. Der Umbau der unterirdischen Haltestelle zur Verbreiterung der Bahnsteige hat im Herbst 2014 - erst mit dem Vortrieb neuer Tunnelröhren hinter den bestehenden Wänden - begonnen.

Ein Mausgrau mit ein paar Farbtupfern prägt das neue Wanddesign in der modernisierten Stadtbahn-Station Hauptbahnhof. Statt Fliesen gibt es Metallplatten.
Ein Mausgrau mit ein paar Farbtupfern prägt das neue Wanddesign in der modernisierten Stadtbahn-Station Hauptbahnhof. Statt Fliesen gibt es Metallplatten. © Oliver Volmerich

Der eigentliche Umbau der alten Bahnsteige ist nur schrittweise möglich. Denn es müssen aus Sicherheitsgründen immer zwei Ausgänge auf jeder Seite zur Verfügung stehen. Nachdem in der Mitte der Bahnsteige ein neuer Zugang entstanden war, wurden zunächst die südlichen Enden umgebaut. Weil die Zugänge mit neuen Rolltreppen dort jetzt eröffnet sind, können als letzte Abschnitte die nördlichen Enden umgebaut werden.

Umbau verzögert

Gerade noch rechtzeitig sind die „Baukreisel“-Leute auf den Beginn des letzten Bauabschnitts und das Aus für die alte Wandverkleidung aufmerksam geworden und haben Kontakt zum zuständigen Tiefbauamt der Stadt aufgenommen. Dort hat man die Rettungsaktion sehr offen aufgenommen und unterstützt, freuen sich Conrad Risch und Jonathan Schmalöer.

Für sie wird der Umstand, dass sich die Bauarbeiten in der U-Bahn-Station um Jahre verzögern, damit sogar zum Glücksfall. Denn eigentlich sollte der Umbau der Bahnsteige schon 2019 abgeschlossen sein. Immer wieder gab es allerdings Probleme mit Baumaterial und Baufirmen. Jetzt hofft man auf eine Fertigstellung im Jahr 2024. Bis dahin dürften die geretteten Fliesen schon ein neues Zuhause gefunden haben.

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